Verstaubter Futurismus
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In der neuen Zweigstelle des Deutschen Museums in Nürnberg soll es eigentlich um Zukunft und neue Technologien gehen. Doch zu hohe Mietkosten und eine verstaubte Konzeption werfen einen langen Schatten aus der Vergangenheit.
Die Zukunft ist gelandet – nicht weit entfernt von der Nürnberger Burg. Mit einem knallroten Laserschwert, so jedenfalls soll es aussehen, durchschneidet der bayerische Ministerpräsident Markus Söder das Band zur Eröffnung seines Museums. Ein sandfarbener Betonbau mit drei kleinen Bäumchen davor.
Das Geld für den Prestigebau in seiner Heimatstadt hatte Söder schon in seiner Zeit als Finanzminister besorgt. "Ja, ich kann allen Investigativteams bestätigen: Die Idee stammt tatsächlich von mir", sagt er.
Das Geld für den Prestigebau in seiner Heimatstadt hatte Söder schon in seiner Zeit als Finanzminister besorgt. "Ja, ich kann allen Investigativteams bestätigen: Die Idee stammt tatsächlich von mir", sagt er.
Konsensfähige Technologien entwickeln
Markus Söder hatte im Landtagswahlkampf 2018 für ein bayerisches Raumfahrtprogramm "Bavaria One" geworben und setzt an bayerischen Universitäten inzwischen auf die Erforschung künstlicher Intelligenz. Angesichts des Klimawandels und der Kritik an Big Data sind diese Zukunftsvisionen umstritten. Welche Rolle soll da ein Zukunftsmuseum haben?
"Natürlich zeigen wir auch Technologien aus der Metropolregion und aus Bayern. Aber es ist definitiv kein Söder-Museum", sagt Andreas Gundelwein vom Deutschen Museum. Er hat die Ausstellung inhaltlich konzipiert.
Deutschland sei ein Hochtechnologiestandort, sagt er, also eine Volkswirtschaft, die von Wissenschaft und Forschung lebe. Insofern wolle man Menschen für Technologen interessieren, aber diese nicht vorbehaltlos hochjubeln, sondern diskutieren und so dazu beitragen, "dass am Ende welche entwickelt werden und sich durchsetzen, die konsensfähig sind".
Wie ein selbstfahrendes Auto bei einem Unfall reagiert
Natürlich glänzt hier auch das Karbon einer Riesendrohne, gibt es quietsch-naive Bilder von Flugtaxibahnhöfen. Hier in Nürnberg aber will man sich von anderen Technologiemuseen unterscheiden, indem man auch kritisch die dazugehörigen ethischen Fragen stellt.
Reflexion allerdings ist in der Reizüberflutung der zahlreichen Filme, Animationen und gamifizierten Simulationen gar nicht so einfach. Immer wieder wird der Science in Form von Technikexponaten die Fiktion gegenübergestellt.
Da sind Ausschnitte aus Filmklassikern wie "I, Robot" oder "Zurück in die Zukunft" zu sehen, in denen Probleme Thema sind, etwa die Szene, in der Roboter die Macht übernehmen, weil sie die Menschen für unfähig halten.
Wer sich auf die interaktiven Stationen einlässt, kann dabei manchmal tatsächlich etwas lernen, etwa im mit Abstand besten Ausstellungsteil zum Thema Robotik. Hier erfährt man anhand eines kleinen Computerspiels, nach welchen ethischen Kriterien ein selbstfahrendes Auto ausweichen soll, um bei einem Unfall einen möglichst geringen Schaden zu verursachen.
Futurismus aus der Vergangenheit
Ansonsten huldigt das Museum bei den Themen Städtebau, System Erde oder Raumfahrt vor allem dem guten alten Futurismus in Form von Stadt- und Raumstationsmodellen – wohlgemerkt – oft aus der Vergangenheit.
Wen interessiert eigentlich noch, ob und wie wir auf dem Mond leben wollen? Und wo bleiben bei den oft unmotiviert gehängten Bildern von segelbetriebenen Tankern oder dem klobigen Modell eines CO2-Filters für die Atmosphäre die gesellschaftlichen Debatten über Gentechnik, CO2-Ausstoß und synthetische Fleischerzeugung im Labor?
Andreas Gundelwein versichert: "Wir laden relevante Gruppen ein, diese schwierigen und kontroversen Fragestellungen hier im Haus zu diskutieren. Das heißt, wir werden auch Diskussionsrunden haben – Expertengremien."
Überhöhte Mietkosten
Immerhin fast alles – bis auf den Quantencomputer – ist hier zum Anfassen, inklusive eines Roboterarms, mit dem man Sachen heben kann. Kindern dürfte es hier also gefallen, der Opposition im Landtag aus FDP, SPD und Grünen allerdings gefällt das neue Haus gar nicht.
Für die Grünen-Abgeordnete Verena Osgyan aus Nürnberg handelt es sich um einen "veritablen Skandal, in dessen Zentrum der heutige Ministerpräsident und damalige Finanzminister Markus Söder steht". Osgyan und ihre Oppositionskollegen haben mit einem externen Gutachten die Höhe der Mietzahlungen überprüfen lassen, die der Freistaat für die neue Filiale des Deutschen Museums bezahlt, und kamen auf 1,4 Millionen Euro zu viel pro Jahr und das über 25 Jahre.
Ausgerechnet hat das ein Sachverständiger, der auf einen Mietpreis von 46 Euro pro Quadratmeter kam. Die Vergleichsmiete in diesem eher ruhigen Teil der Nürnberger Altstadt liege bei elf bis 21 Euro pro Quadratmeter.
Das Deutsche Museum rechtfertigt den Mietpreis durch aufwendige Umbauten für das Zukunftsmuseum. Söder selbst sieht die Sache als erledigt an. Der Bayerische Rechnungshof prüft noch.