Weitere Vorstellungen des Theaterstücks "Menschen im Hotel" unter der Regie von Sönke Wortmann finden Sie hier:
Verlorene Individuen in nervösen Zeiten
Seine Filme zählen zu den meistgesehenen des deutschen Nachkriegskinos. Der Regisseur Sönke Wortmann feiert heute am Düsseldorfer Schauspielhaus Premiere mit dem Stück "Menschen im Hotel" – nach dem Roman von Vicky Baum, einem seiner Lieblingsbücher.
Der Regisseur Sönke Wortmann entdeckte das Buch von Vicky Baumann "Liebe und Tod auf Bali" bei der Lektüre im Urlaub und war gleich begeistert. Es war vor allem der Mikrokosmos Hotel, der ihn gleich faszinierte.
"Das ist so eine Durchgangsstation für viele Menschen, die sich teilweise nur kurz treffen und dann wieder auseinandergehen", sagte er im Deutschlandfunk Kultur über das Theaterstück in einer Fassung von Stephan Kaluza. "Es bietet Platz für Figuren unterschiedlichster Art und Herkunft, reiche Leute, arme Leute, kranke Leute, gesunde, Mädchen, Frauen, alles kommt vor." Das Buch spiele 1929 und ermögliche viele aktuelle Bezüge, die in seiner Inszenierung für das Schauspielhaus in Düsseldorf deutlich würden.
Das Interview im Wortlaut:
"Kleine Haie", "Der bewegte Mann" und das "Wunder von Bern" – es sind vor allem die Filme, die man mit dem Namen Sönke Wortmann in Verbindung bringt. Er ist aber auch Produzent und Theaterregisseur. Heute feiert seine Inszenierung für das Schauspiel Düsseldorf Premiere. "Menschen im Hotel" nach dem Roman von Vicky Baum. Immer wieder heißt es, dass das eines der Lieblingsbücher von Sönke Wortmann ist. Im Studio 9 Gespräch hat er genau das bestätigt:
Ute Welty: Stimmt es, dass "Menschen im Hotel" eines Ihrer Lieblingsbücher ist?
Sönke Wortmann: Ja, das stimmt tatsächlich. Es ist kein Werbegag, sondern ich hab Vicki Baum mal im Urlaub entdeckt, auf Bali. Da habe ich gelesen "Liebe und Tod auf Bali" und war so begeistert, dass ich alles andere auch lesen wollte, und das fand ich dann noch schöner, noch besser.
Welty: Das Buch ist ja fast 90 Jahre alt. Was hält den Stoff aktuell?
Wortmann: Dieser Mikrokosmos Hotel, der hat sich ja nicht verändert. Das ist so eine Durchgangsstation für viele Menschen, die sich teilweise nur kurz treffen und dann wieder auseinandergehen. Es bietet Platz für Figuren unterschiedlichster Art und Herkunft, reiche Leute, arme Leute, kranke Leute, gesunde, Mädchen, Frauen, alles kommt vor. Und das hat sich nicht geändert. Insofern ist ein aktueller Bezug schon noch da. Und gleichzeitig ist es auch so, dass – der Roman kam 1929 raus, wenige Jahre später gab es dann schon einen schweren, wie sagt man, Rechtsruck in der deutschen Politik, und so ansatzweise erleben wir das heute ja auch wieder.
Welty: Da ziehen Sie durchaus Parallelen?
Wortmann: Ja, das tue ich.
Welty: Ziehen Sie auch Parallelen, was die Inszenierung angeht und was die Situation der Menschen angeht, die Vereinzelung, die Zukunftsangst, der Werteverlust?
Wortmann: Ja, das hat ja jetzt weniger mit der Inszenierung zu tun, sondern mit dem Stück, und das hat ja Stephan Kaluza hier für uns bearbeitet. Und die Parallelen sind auch da sicher vorhanden.
Welty: Was die Bearbeitung angeht, bei Vicki Baum sind es ja viele Menschen im Hotel. Wem folgen Sie durch die Geschichte?
Wortmann: Ja, es sind viele Menschen im Hotel. Es hat ein bisschen was von "Reigen". Aber wir sind hier auf der großen Bühne im Düsseldorfer Schauspielhaus, da ist auch ein bisschen Platz für ein paar Leute. Insofern, glaube ich, ist das hoffentlich richtig gedacht.
Welty: Wie muss ich mir denn diese Inszenierung vorstellen? Wie haben Sie die angelegt?
Wortmann: Das kann man immer so schwer sagen, so am Telefon.
Welty: Versuchen Sie, mir ein Bild zu machen.
Wortmann: Ein Bild zu machen – na ja, das ist schon schwierig. Ich versuche es mal so zu erklären: Das Kostümbild ist sehr historisch, wirklich aus der Zeit, und unsere Kostümbildnerin ist da auch sehr akkurat. Gleichzeitig ist das Bühnenbild etwas moderner, und so kann vielleicht auch diese, wie sagt man, dieser Zusammenhang von damals und heute kann da vielleicht auch ein bisschen deutlich werden. Vorhin haben Sie gefragt, wem ich da folge von diesen relativ vielen Menschen, und das ist ganz sicher der kleine Buchhalter Otto Kringelein, der ist mir am sympathischsten. Der ist todkrank und will noch mal auf seine letzten Meter noch mal die große Welt sehen. Und das finde ich eine tolle Konstellation, dass der im Hotel ist.
Ambivalente Figuren
Welty: Warum haben Sie sich ausgerechnet den ausgesucht, oder warum ist er Ihnen ans Herz gewachsen?
Wortmann: Weil der wahrscheinlich am wenigsten in so einem Hotel erwartet wird, so ein reicher – wir haben natürlich auch einen reichen Firmenbesitzer, für den ist das selbstverständlich. Aber der geht einfach so mit großen Augen da durch, und das ist mir sehr sympathisch.
Welty: Kringelein ist wie fast alle Figuren bei Vicki Baum eine ambivalente…
Wortmann: Ja. Ambivalent ist der schon. Das macht die Sache ja auch ein bisschen spannend. Er hat dann doch so ein paar Auftritte, wo man denkt, na, wo könnte die Reise hingehen? Also, wenige Jahre später wäre er vielleicht auch in eine Richtung abgedriftet, die wir alle nicht gut finden. Insofern finde ich den als Figur auch tatsächlich am interessantesten. Das heißt aber nicht, dass die anderen weniger interessant sind. Das ist nur so meine Vorliebe in dem Fall.
Welty: Auch Sie sind ja von Zeit zu Zeit ein Mensch im Hotel. Was bedeutet Ihnen das? Eher Belastung? Eher Ausspannen? Eher Freude?
Wortmann: Es ist eher positiv, es kommt drauf an, wie lang es dann dauert. Also, ich bin auch sehr gerne in Hotels im Prinzip, aber so nach spätestens einer Woche möchte ich dann doch wieder nach Hause, weil’s da ja bekanntlich am schönsten ist. Aber als Abwechslung find ich das immer schön.
Wortmann: Es ist eher positiv, es kommt drauf an, wie lang es dann dauert. Also, ich bin auch sehr gerne in Hotels im Prinzip, aber so nach spätestens einer Woche möchte ich dann doch wieder nach Hause, weil’s da ja bekanntlich am schönsten ist. Aber als Abwechslung find ich das immer schön.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.