Solar Geoengineering gegen Erderwärmug

Warnung vor einer umstrittenen Methode

09:19 Minuten
Sonnenuntergang über dem Meer mit Bergen im Hintergrund
Hier reflektiert das Wasser die Sonne – beim Solar Geoengineering reflektieren kleine künstlich in die Atmosphäre eingebrachte Teilchen Sonnenlicht und schirmen die Erde davor ab. © picture alliance / Zoonar / Gunar Streu
18.01.2022
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Sonnenlicht reflektieren und so die Erderwärmung bremsen – diese Solar Geoengineering genannte Methode ist hoch umstritten. Nun fordern Umweltschützerinnen und Wissenschaftler wegen unabsehbarer Risiken ein internationales Abkommen dagegen.
Solar Geoengineering: So nennt sich die Idee, die Sonnenstrahlen künstlich mit kleinen Partikeln abzuschirmen und zu reflektieren, um damit die Erderwärmung zu bremsen. Das klingt nach Science-Fiction, ist aber eine Methode, die tatsächlich erforscht wird und umsetzbar wäre.
Doch es gibt Kritik daran: Mehr als 60 Umweltschützerinnen und Wissenschaftler fordern in einem Brief in der Zeitschrift „Wires Climate Change“ ein internationales Abkommen gegen die Umsetzung dieser Methode. Solar Geoengineering sei keine Lösung für den Klimawandel, heißt es in dem Brief. Die Methode sei zu riskant.

Ist schon die Forschung gefährlich?

Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes, ist einer der Initiatoren des Briefs. Er betont im Deutschlandfunk, dass die Folgen einer solchen Aktion kaum vorherzusehen seien . Die Landwirtschaft würde sich verändern, da die Sonneneinstrahlung eine ganz andere sei als jetzt.
Doch wo es eine höhere Fruchtbarkeit geben werde und wo eine niedrigere, sei nicht vorherzusagen. „Würde man das Erdsystem, die Stratosphäre, eindunkeln, hätte das ganz sicher Auswirkungen auf die Flora und Fauna, auf die Biodiversität – aber welche Auswirkungen genau, das wissen wir nicht.“ Bereits die Forschung zum künstlichen Blockieren der Sonneneinstrahlung sieht Messner kritisch.
Frank Keutsch forscht in Harvard zu Solarengineering, und erklärt im September 2021 im Deutschlandfunk-Podcast „Deep Science“ , dass auch er die Methode kritisch sieht. Er hält die Forschung aber für wichtig, um mögliche Risiken zu erkennen.
Denn „wenn die Klimaveränderung sehr starke Ausmaße und Auswirkungen hat, dann werden Leute sich doch überlegen, das zu machen, egal ob man weiß, was für Risiken es genau sind, oder nicht.“

Forderung nach internationalem Abkommen

Die Unterzeichnenden fordern, dass die Forschung am Solar Geoengineering eingeschränkt werde und die Finanzierung und Patentierung verboten. Nur so könne man verhindern, dass einzelne Staaten die Methode im Alleingang einsetzen – auf Kosten anderer Weltregionen. Bisherige übernationale Organisationen seien nicht in der Lage, das zu gewährleisten.
Ein Einsatz von Solar Geoengineering müsste politisch koordiniert werden, erklärt Stefan Schäfer, Politikwissenschaftler am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung IASS in Potsdam, der sich vor allem mit den politischen und ethischen Aspekten dieser Technologie beschäftigt.
Schäfer unterstützt das Anliegen des Briefs. Doch dass in der gegenwärtigen politischen Situation „ein einvernehmliches technokratisches Management möglich ist, halte ich für sehr unwahrscheinlich“. Er prognostiziert machtpolitische Auseinandersetzungen.

Gefahr, andere Maßnahmen zu vernachlässigen

Wie die Unterzeichnenden des Briefs auch, sieht Stefan Schäfer Solar Geoengineering noch aus einem weiteren Grund als riskant: Diese technische Lösung dürfe kein Grund sein, um andere Klimaschutzmaßnahmen zu vernachlässigen. Auch der Soziologe Steffen Mau betonte diesen Punkt heute im Deutschlandfunk Kultur :
„Das hätte vielleicht auch Rückwirkungen auf unser Umweltverhalten in vielen anderen Bereichen, das man sagen muss: Ja, wir haben ja hier schon die Lösung parat, wir müssen gar nicht mehr CO2 sparen, sondern wir gehen da nachher hin und versuchen, das durch so einen Sonnenschirm, einen Schwefelschirm abzufangen.“
Aus ethischer Sicht, fügt Politologe Stefan Schäfer hinzu, müsse man zum Beispiel auch hinterfragen, "wie reagiert wird auf das, was wir als globale Klimakrise kennen". Etwa, dass nicht überlegt werde, „wer eigentlich historisch verantwortlich ist für den Klimawandel“.

Audio: Ramona Westhof; Stefan Schäfer im Gespräch mit Nicole Dittmer
Onlinetext: abr

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