Solarstrom aus der Plastikfolie

Von Lutz Reidt |
Vor einem Jahr erregte eine aufrollbare Folie in DIN-A-5-Format für Aufsehen, die mit Solarzellen auf Kunststoff-Basis bestückt war. Mit solchen mobilen Ladefolien aus Plastik ist es möglich, die Akkus von Handys, MPEG-Playern und ähnlichen Geräten der mobilen Elektronik aufzuladen, wenn gerade keine Steckdose in der Nähe ist.
Doch diese neuartigen Solarzellen sollen noch mehr können als nur das. In Würzburg haben sich am vergangenen Donnerstag rund 250 Forscher und Interessierte aus elf Ländern auf einer Internationalen Fachkonferenz getroffen, um über die Chancen einer relativ jungen Disziplin zu informieren. Die "Organische Photovoltaik".

Günstige Solarzellen aus dem heimischen Photodrucker - ganz so weit gediehen sind die Visionen der Forscher noch nicht, aber der Weg geht in diese Richtung.
Seitdem bekannt ist, dass bestimmte Kunststoffe - sogenannte Polymere - elektrischen Strom leiten können, boomt das Feld der Organischen Elektronik. Solarzellen auf Basis von Polymeren oder auch Farbstoffen haben den großen Vorteil, dass sie sich auf ultradünnen Folien aufdrucken lassen:

"Das heißt, man beginnt auf einer Folie, und dann wird in wenigen Minuten eine Serie von Druckprozessen stattfinden, bei der man die Leiter, Halbleiter und die gesamte Funktionalität mit klassischen Druckprozessen abscheidet und dadurch dann das Bauelement bekommt."

Der Physiker Christoph Brabec von der Universität Erlangen-Nürnberg hat lange Zeit im kalifornischen Santa Barbara geforscht, und zwar bei Alan Heeger, der vor zehn Jahren den Chemie-Nobelpreis für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Organischen Elektronik bekommen hat.

Die elektrisch leitfähigen Polymere übernehmen in organischen Solarzellen die Rolle des Siliziums in klassischer Ausführung:

"Und das ist besonders charmant - das Schlagwort "flexible Elektronik" oder "biegsame Elektronik" - das kann man damit wirklich erreichen; also Sie können ihre Bauelemente, ihre Solarzellen, ihre Beleuchtungskörper wirklich auf Folien produzieren, prozessieren und bekommen dann flexible Bauteile."

Solarzellen von der Rolle - kostengünstig produziert als universell einsetzbare Massenware, die einfach zu montieren wäre.
Auch die Industrie hat das Potenzial dieser Technik längst erkannt. Bei der BASF in Ludwigshafen preist der Projektkoordinator Peter Erk die vielfältigen Optionen der organischen Photovoltaik:

"Sie haben die Möglichkeit der Farbgebung, über die Farbstoffe, die sie verwenden; und Sie haben auch die Möglichkeit, das Bauteil so aufzubauen, dass es transparent wird - dazu müssen Sie dann transparente Elektroden verwende. Man hat hier Einsatzmöglichkeiten überall dort, wo geringes Gewicht gefragt, wo der mobile Einsatz gefragt; das heißt, bei Ladegeräten in der Consumer-Elektronik, eventuell auch im Automobil; und dann sind die Einsatzmöglichkeiten die der klassischen Photovoltaik auch: Gebäude integriert, in Fassaden, oder dann auf Industriedächern beispielsweise."

Nun mögen aufrollbare Ladefolien für Mobilfunkgeräte und MPEG-Player zwar als erste Lernschritte in die Praxis ganz nett anmuten. Doch ist der Nutzwert überschaubar, wenn der Anwender stundenlang eine Folie in die Sonne legen muss, damit sein Handy endlich wieder funktioniert.
In der Tat dürfte die Organische Photovoltaik ihr Potenzial erst dann ausschöpfen, wenn sie in die Fläche geht. Doch um die Flachdächer von riesigen Baumärkten und Industriegebäuden dauerhaft mit Strom erzeugenden Folien zu bedecken, müssen die organischen Solarzellen noch viel mehr Sonnenlicht effizient in Strom umwandeln.
Dieser "Wirkungsgrad" hat unter optimalen Laborbedingungen 8 Prozent erreicht. Bislang noch zu wenig, meint der Physiker Ulrich Würfel vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg:

"Also, ich hoffe schon, dass wir die 10-Prozent-Marke bald knacken können, nur ist es relativ unwahrscheinlich, dass man zu den gleichen hohen Effizienzen kommt wie bei den anorganischen Solarzellen. Silizium-Module erreichen ja auf wesentlich größeren Flächen Effizienzen von 14 bis 18 Prozent; manchmal sogar noch höher; da wird man wahrscheinlich mit den organischen Solarzellen auch gar nicht hinkommen; aber was nachher natürlich ausschlaggebend ist, das ist der Preis für die Kilowattstunde elektrischer Energie, die von der Solarzelle erzeugt wird und nicht unbedingt nur der Wirkungsgrad. Allerdings muss man berücksichtigen: Wenn man einen geringeren Wirkungsgrad hat, dass man dann natürlich dementsprechend auch mehr Fläche braucht, um die gleiche Menge an Energie herzustellen."

Ohnehin ist der Wirkungsgrad als Maß für potenzielle Spitzenleistung nur ein Teil der Wahrheit. Wichtig ist auch, wie effizient Solarzellen das Sonnenlicht nutzen, wenn die Bedingungen eben nicht Spitze sind, wenn es gerade bewölkt ist oder wenn es noch früher Morgen oder schon später Nachmittag ist.
Dann nämlich spielen organische Solarzellen ihre großen Vorteile gegenüber der teuren Silizium-Variante aus:

""Silizium kann mit dem Streulicht nur sehr schwer umgehen, die organische Photovoltaik kann das komplett verwerten. Das heißt dann: Auch wenn Ihre Effizienz vielleicht nominell auf dem Papier geringer ist - kann Ihr Netto-Energie-Ertrag höher sein; das gilt auch, wenn Sie zum Beispiel eine Hausoberfläche haben, bei der Sie eine Solarzelle nicht im idealen Winkel zur Sonne montieren können; oder Sie müssen auf eine Nordseite des Hauses gehen; also, all die Bereiche, wo Sie nicht die perfekten Bedingungen haben, da sind diese Dünnschicht-Technologien wie die organische Photovoltaik sehr, sehr effizient."

Und somit könnten organische Solarzellen auch dort Strom gewinnen, wo das Dach oder die Hauswand eben nicht exakt nach Süden ausgerichtet ist. Ein weiterer Vorteil: Organischen Solarzellen macht Hitze nichts aus. Während bei Silizium-Solarzellen die Effizienz bei sehr hohen Temperaturen sinkt, können die organischen Varianten sogar noch etwas zulegen.
Gleichwohl gibt es ein Problem, das einen großflächigen Einsatz von organischen Solarzellen bislang ausschließt: die mangelnde Haltbarkeit.
Während Silizium-Solarzellen durch Spezialgläser gut gegen Umwelteinflüsse geschützt sind, reagieren die organischen Materialien in den Plastik-Modulen empfindlich auf Luftfeuchte, Sauerstoff und die UV-Strahlung der Sonne.

"Die Solarzellen müssen gegenüber diesen drei Einflüssen geschützt werden. Das kann man über entsprechende Filter machen, die man gegebenenfalls schon in die Substrate einbaut, auf denen die Solarzellen aufgebaut werden; und man muss dann die Solarzelle gegenüber Sauerstoff und Wasserdampf schützen; das macht man durch entsprechende Barriereschichten, die man hier auf die Solarzellen entweder direkt aufbaut oder entsprechend auflaminiert, beispielsweise."

Bislang jedoch haben die Forscher noch keine überzeugende Mischung für eine Barriereschicht gefunden, um die empfindlichen Module kostengünstig und dauerhaft - das heißt mindestens 10 Jahre lang - vor Wind und Wetter zu schützen. Und solange diese Entdeckung aussteht, werden organische Solarzellen nur ein Nischendasein als kurzlebige mobile Ladegeräte fristen.