Einfach mal dem Biobauer zur Hand gehen
Wenn es viele Tomaten gibt, dann müssen halt mehr Tomaten gegessen werden. Für die Mitglieder Berliner Initiative Sterngartenodysse ist das eine klare Sache. Denn Biobauern und ihre Abnehmer gehen hier eine feste Verbindung ein.
"Wir ernten Rote Beete mit Laub. Weil man das Laub wie Mangold verwenden kann."
Simon Junge steht mit Anne und Sarah in einem breiten Beet auf dem Acker und erklärt den beiden ihre Aufgabe. Zusammen mit zwei anderen Erntehelferinnen sollen sie mehr als 400 Rote Beete aus dem Boden ziehen. Alles per Hand.
"Und ihr geht hier durch und guckt nach den… - hier ist zum Beispiel eine, gehen ganz leicht raus, ihr putzt die kurz durch und legt die hier in den Gang."
Es kommt aber auf die Größe an, Simon will nur die dicksten Rüben, so groß wie eine Apfelsine etwa.
"Achso! Ist die zu klein? Die ist zu klein. Nur die allergrößten, wir nehmen nur die allergrößten."
Denn die anderen, die kleineren Rüben, sollen noch weiter wachsen können.
Die persönliche Beziehung zählt
Anne, Sarah und Simon Junge sind Mitglieder der Sterngartenodyssee. Das ist eine Berliner Initiative, die sich der Bewegung "Solidarischen Landwirtschaft" angeschlossen hat. Im Beet knien und das Gemüse selbst aus dem Boden ziehen - wie Anne und Sarah es gerade machen -, das ist nur ein Teil der Idee. Es geht vor allem um eine verlässliche und persönliche Beziehung zum Bio-Bauern aus der Umgebung. Das Gemüse der Sterngartenodyssee wächst bei Maria Bienert, auf ihrem Hof in Taucha.
"Das Risiko für den Bauern ist nicht der Anbau, sondern die Vermarktung, also nicht die Natur, das Wetter, sondern die Gesellschaft. Jeder kauft da, wo es ihnen gerade am billigsten erscheint und wenn in Spanien die Tomaten billiger sind, werden sie halt da gekauft."
Landwirtin Maria Bienert könnte auf ihren Tomaten sitzen bleiben, einfach, weil dieses Jahr ein gutes Jahr für Tomaten war. Das geschieht aber nicht, weil Anne, Sarah, Simon und alle anderen Mitglieder der Initiative in so einem Fall einfach mehr Tomaten essen. Alle schultern das Abnahmerisiko der Bäuerin gemeinsam. Solidarische Landwirtschaft eben.
"Wir bekommen auch Zweite-Wahl-Gemüse, was im Supermarkt nie angeboten werden würde, und wir wissen, das schmeckt genauso gut, wie alles andere auch, sieht halt nur bisschen lustiger aus."
Die Möhren, die Simon mit einem Helfer in Kisten füllt, sind im Vergleich zur Ware im Supermarkt originell: Sie haben zwei oder sogar drei Beine, sind verschlungen.
"Manche sind zweite Wahl, andere sehen richtig gut aus. Da kann man richtig Glück haben dabei."
Bereits seit den 1980ern setzen einige wenige Bauernhöfe in Deutschland auf das Prinzip "Solidarische Landwirtschaft". Der Bauern oder die Bäuerin erhalten einen Fixpreis und die Abnehmer bekommen das, was in der jeweiligen Jahreszeit auch wächst. Für Simon Junge schwingt in der ganzen Idee eine wichtige soziale Komponente mit:
"Mein Grundgedanke dabei ist, dass man die Menschen nach ihren wirklich Bedürfnissen fragt, wenn man zusammen wirtschaftet. Und ein Grundbedürfnis der Menschen ist: fairer Umgang."
Wer sich wie Anne und Sarah der Sterngartenodyssee anschließt, bezahlt pro Monat eine Pauschale von 80 Euro für das Obst und Gemüse. Die Abnehmer sind in ständigem Kontakt mit den Bauern, besprechen, was und wie viel angebaut werden soll - und: Die Mitglieder packen selbst mit an. Nicht jede Woche, nur, wenn‘s passt. Anne versucht gar nicht erst, das Prinzip Solidarische Landwirtschaft zu romantisieren.
"Ich muss mir klar über den Zeitaufwand sein, wie viel Energie es bedeutet, das zu machen. Ich muss meine Ernährung umstellen, zu dem was saisonal da ist, der Nachteil ist, ich bin gezwungen, mich wieder mehr mit Ernährung auseinanderzusetzen!"
Während Anne und Sarah noch auf dem Feld sind und Rote Beete ernten, verteilt Simon schon mal Kartoffeln in Kisten. Er ist davon überzeugt, dass das Prinzip Solidarische Landwirtschaft zukunftsweisend ist - alle können sich davon was abgucken.
Ernten, schleppen, verteilen
"Nämlich, das, was menschliche Qualität ist, ins Wirtschaften einfließen zu lassen. Und dass man eben nicht aus egoistischen Motiven wirtschaftet, sondern dass man immer aus gemeinnützigen Motiven wirtschaftet."
Am späten Nachmittag laden Simon, Anne und Sarah fast 80 Kisten voll mit Gemüse in einen Sprinter. Nach dem Ernten geht’s ans Ausliefern an die verschiedenen Abholstationen.
"Es gibt: Zwei Mal Rote Beete mit Grün"
Daneben bekommt jedes Mitglied: 0,7 kg Möhren, 1,5 kg Kartoffeln, Bund Schnittlauch, Gurke.
Sarah und Anne sind müde. Sie spüren jede Faser ihres Körpers. Die Rote Beete, die Bohnen und das Schleppen der vollen Kisten haben Spuren hinterlassen - nicht nur körperlich. Die beiden wissen jetzt, was sie für ihr Gemüse geleistet haben.