Hajo Schumacher, geboren 1964 in Münster, arbeitete von 1990 bis 2000 beim "Spiegel". Später leitete er die Redaktion des Lifestyle-Magazins "Max", heute arbeitet er als freier Journalist und Autor für Tageszeitungen, Magazine, Hörfunk, Online und Fernsehen in Berlin. Bekannt wurde der passionierte Läufer Schumacher außerdem als "Achim Achilles" mit einer regelmäßigen Laufkolumne.
"Der Versuch einer Entschröderung"
Die Debatte um ein "solidarisches Grundeinkommen" verfolgt unser Studiogast, der Journalist Hajo Schumacher, mit großer Skepsis. Er fände es wichtiger, wenn sich ausreichend viele Sozialarbeiter um Langzeitarbeitslose individuell kümmern würden.
Führende SPD-Politiker wollen Hartz IV durch ein "solidarisches Grundeinkommen" ersetzen. Der Berliner Bürgermeister Michael Müller brachte den Begriff in die Diskussion. Der SPD-Mann wirbt dafür, dass Arbeitslosen künftig ein steuerfinanzierter Vollzeit-Job auf Mindestlohnniveau angeboten werden soll - auf freiwilliger Basis. Die Tätigkeit soll möglichst gemeinnützig sein.
Abschied von Schröder
"Es ist natürlich der Versuch einer Entschröderung", sagte unser Studiogast, der Journalist Hajo Schumacher im Deutschlandfunk Kultur über diesen Vorstoß aus der SPD. "Hartz IV ist ein Stigma", sagte er. Wer in Deutschland Hartz IV bezieht, der gelte als "Looser".
Es handle sich um einen sehr toxischen Begriff. Dabei sei Hatz IV einmal genau dafür gedacht gewesen, um den Abstand zu Niedriglohn-Beziehern zu vergrößern und um abschreckende Wirkung zu erzielen. "Die Leute sollten angetrieben werden, um irgendwelche Jobs anzunehmen, damit sie nicht in Hartz IV fallen."
Skepsis gegenüber Vertragslyrik
Die Abschreckung sei Teil des Konzepts gewesen. "Das jetzt abschaffen zu wollen durch die SPD selbst, ist schon so ein bisschen an der eigenen Geschichte rumzufummeln.
Es handele sich um "Große-Koalition-Vertragslyrik", die seit Jahren in jeden Koalitionsvertrag übernommen werde, sagte Schumacher. "Das heißt noch lange nicht, dass wirklich etwas getan wird."
Schwierige Integration
Der Journalist zeigte sich bei dieser Idee sehr skeptisch: "Das ist eine sehr romantische Vorstellung"; sagte Schumacher. Schon vor 15 Jahre, als die Agenda-Politik des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder aufkam, habe er sich lange mit einem hessischen Sozialdezernenten ausgetauscht. Dabei sei es um die Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsprozess gegangen.
"Ergebnis ist, dass viele Langzeitarbeitslose einfach nicht in der Lage sind, einen halbwegs normalen Arbeitsplatz zu erfüllen." Es gebe Suchtprobleme, psychische Schwierigkeiten und andere Hindernisse. "Jeder dieser Menschen ist ein einzelner Betreuungsfall", sagte Schumacher. "Nur weil Sie Dinge anders benennen, kriegen sie diese Menschen noch lange nicht in einen normalen Job."
Mehr Sozialarbeiter nötig
Aus seiner Sicht sei das vor allem eine kommunale Angelegenheit. Die Berliner Gartenbaubetriebe könnten beispielsweise selbst entscheiden, wen sie anheuern könnten. Wichtig seien dafür aber Strukturen, die nicht normale Arbeitsplätze gefährdeten und nicht zu Privatfirmen in Konkurrenz träten.
Wenn man mit Arbeitsmarktexperten spreche, könne man allerdings feststellen, dass es eher eine Suche nach Fachkräften gebe, sei es Kitas oder in den Schulen. "Alle die, die halbwegs arbeitsfähig sind, die in der Lage sind diesen durchaus stressigen Arbeitstag zu bewältigen, die sind das bereits." Wer dann noch arbeitslos sei, benötige vor allem Sozialarbeiter, die sich um diese Leute kümmerten. "Das ist ein sehr individuelles Geschäft und das macht man nicht mal eben mit einem Gesetz."
Hören Sie die ganze Sendung mit Hajo Schumacher hier: