Kinderwunsch? Das geht auch ohne Partner!
Was ist, wenn man sich nach einem Kind sehnt, aber keinen Partner hat? Die Antwort für immer mehr Frauen: Sie entscheiden sich bewusst dafür, das Kind ohne Partner zu bekommen. Wie das genau aussehen kann.
„Ich werde das Kind alleine bekommen“ – eine Entscheidung, die Sabrina Mondini vergangenes Jahr getroffen hat. „Das war einerseits die Entscheidung: Ich brauche keinen Partner oder eine Partnerin, um eine Familie zu gründen. Das war aber auch eine Entscheidung für: Ich trau mir das selber zu.“
Die promovierte Kulturwissenschaftlerin, die eigentlich anders heißt, ist eine von immer mehr Solomüttern in Deutschland, die sich den Kinderwunsch ohne Partner erfüllen.
Den Kinderwunsch ohne Partner erfüllen
Solomutterschaft bezieht sich dabei nur auf den Weg der Familiengründung, also die Entscheidung, ein Kind ohne Partnerin oder Partner zu bekommen. „Solomutterschaft heißt aber nicht, dass ich mein Leben lang solo bleibe“, heißt es auf der Seite des Vereins Solomütter Deutschland e.V.
Dass sie Teil einer Familie sein möchte, wusste Sabrina Mondini bereits mit Mitte zwanzig. Sie lebt bisexuell und war immer offen für ganz verschiedene Familienmodelle. Vor fünf Jahren ging sie den Kinderwunsch aktiver an. Doch ihr damaliger Partner wollte keine Kinder - sie trennte sich von ihm.
Im vergangenen Jahr merkte Sabrina, dass es ihr zu kompliziert war, mit Mitte Dreißig und mit einem Kinderwunsch in neue Beziehungen reinzugehen. Sie sagte sich: „Ich möchte das jetzt erstmal für mich angehen und dann können romantische Beziehungen auch wieder mehr Platz haben, wenn dieses Thema für mich geklärt ist.“
Die Voraussetzung, sich dieses Familienmodell der alleinerziehenden Mutter zuzutrauen, war ihr unterstützendes Umfeld, erzählt sie. Sabrina lebt in einer großen Wohngemeinschaft mit fünf Erwachsenen und drei Kindern zusammen. Ihre elf Monate alte Tochter ist nun das neueste Mitglied der WG.
Immer mehr alleinstehende Frauen wünschen sich Kinder
Es gibt keine genauen Zahlen darüber, wie viele Frauen in Deutschland sich bewusst dafür entscheiden, ein Kind ohne Partner zu bekommen. In Statistiken sind sie ein unbekannter Teil der etwa 2,4 Millionen alleinerziehenden Mütter. Fachleute aus der Kinderwunschbehandlung bemerken jedoch, dass in den vergangenen Jahren immer mehr alleinstehende Frauen den Wunsch nach einem Kind haben.
Rebecca Wiczorek, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie, ist eine dieser Frauen. Die 41-Jährige hat ihren Sohn allein bekommen, per Samenspende – ein absolutes Wunschkind. Er ist mittlerweile vier Jahre alt.
Wie Sabrina verspürte auch Rebecca vor einigen Jahren den starken Wunsch nach Kindern. Sie begann mit dem Online-Dating und dachte sich bereits nach einem halben Jahr: „Das hat keinen Sinn. Ich suche eigentlich keinen Mann.“ In einem Online-Forum für Single-Frauen mit Kinderwunsch fand Rebecca erste Informationen zur Solomutterschaft und konnte sich mit anderen Frauen austauschen. Sie begann, sich mit Samenspenden zu beschäftigen.
Hürden für Solomütter
Es gibt viele Wege zum Wunschkind. Einige Single-Frauen suchen im eigenen Umfeld oder im Internet nach einem Samenspender. Es gibt auch das Modell der Co-Elternschaft, in der sich Erwachsene, die nicht in einer partnerschaftlichen Beziehung leben, zusammentun, um Kinder großzuziehen.
Die meisten Solomütter kaufen Spermien bei Samenbanken. Die Behandlung erfolgt in Kinderwunschzentren oder -kliniken. Meistens wird eine sogenannte Insemination durchgeführt. Dabei werden die Spermien des Spenders durch ein einfaches medizinisches Verfahren in die Gebärmutter der Frau eingeführt.
Doch nicht alle Kinderwunschzentren behandeln alleinstehende Frauen, und hinzukommt: Sie müssen die Kosten der Behandlung komplett selbst tragen. Denn die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen nur für verheiratete, heterosexuelle Paare einen Teil der Kosten. Einige Bundesländer unterstützen auch lesbische und unverheiratete heterosexuelle Paare mit einem kleinen Teil der Behandlungskosten - Singles gehen leer aus. Und nur zu oft sind mehrere Behandlungen nötig, bis es klappt. Das kann teuer werden.
Auch deshalb sind es bisher vor allem gutverdienende Frauen, wie Sabrina und Rebecca, die Solomütter werden. Sie können sich zudem auch Babysitter, Au-pairs und andere private Betreuungsangebote leisten, um Entlastung im Alltag zu erhalten.
Die aktuelle Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag zwar versprochen, alle ungewollt Kinderlosen künftig mit einer Kostenbeteiligung von 25 Prozent zu unterstützen, auch Single-Frauen. Wann und ob dieses Vorhaben umgesetzt wird, ist jedoch noch unklar.
Neue Regelungen erleichtern Samenspenden für Solomütter in Deutschland
Vor einer Samenspende erhalte man zum Teil eine Stimmprobe des Spenders, Informationen zur Familie, zur Ausbildung und zum Teil auch Kinderfotos, erklärt Gynäkologin Claudia Ehlert vom "Kinderwunschzentrum an der Gedächtniskirche" in Berlin.
2018 trat außerdem das sogenannte Samenspender-Registergesetz in Deutschland in Kraft. Das Gesetz entbindet die Spender von der rechtlichen Vaterschaft und von Unterhaltspflichten gegenüber den Spenderkindern. Seitdem behandeln mehr Zentren auch alleinstehende Frauen.
Kinder können außerdem mit 16 Jahren die Kontaktdaten des Samenspenders anfragen. Der Spender entscheidet dann, ob er das Kind kennenlernen möchte oder nicht. Das ist aber freiwillig, der Spender kann den Kontakt also auch verweigern.
Vernetzungstreffen und Gesprächsgruppen
Damit sich die Single-Frauen bei ihrer Entscheidung nicht allein fühlen, bietet Sozialarbeiterin Katharina Horn im Kinderwunschzentrum an der Gedächtniskirche in Berlin einmal pro Woche eine Kinderwunschberatung an. Horn, selbst Solomutter, hat den Verein „Solomütter e.V.“ gegründet, der Frauen in allen Phasen der Solomutterschaft zusammenbringt.
Sie organisiert Kurse, Gesprächsgruppen und Vernetzungstreffen, verschickt Newsletter und betreibt WhatsApp- sowie Facebook-Gruppen. Auch Sabrina Mondini und Rebecca Wiczorek sind Teil dieses Netzwerks. Gerade der Austausch mit anderen Solomüttern hilft vielen Frauen enorm.
Und: Immer mehr Frauen berichten öffentlich über ihre Erfahrungen als Solomutter, zum Beispiel die Bloggerin Hanna Schiller, die ihr Buch „Warum nicht solo?! Mama-Werden geht auch ohne Märchenprinz“, herausgebracht hat. Sie bestärkt Singles mit Kinderwunsch auf verschiedenen sozialen Plattformen, redet offen über die Kosten einer Samenbank, über Hürden und mehr. Die zentrale Message: Ja, es geht auch ohne Partner!
Es bleiben Vorurteile
Zwar gibt es immer mehr Solomütter, doch es herrschen auch viele Vorurteile gegenüber Solomutterschaft. Den Frauen wird etwa unterstellt, egozentrisch zu handeln oder feministische Selbstverwirklichung zu betreiben. Solomüttern werde auch vorgeworfen, leichtsinnig und unverantwortlich zu handeln. Dabei ist das Gegenteil der Fall, betont Horn.
Die meisten Frauen überlegen mehrere Jahre, bevor sie sich für eine Solomutterschaft entscheiden. „Was mir auffällt ist, dass es oft Menschen sind, die viel mit Menschen arbeiten. Ich habe viele Lehrerinnen, Erzieherinnen, Sozialarbeiterinnen, Ärztinnen“, so Horn.
Viele Frauen hörten auch, ihr Weg schwanger zu werden, sei "gegen die Natur" oder "nicht von Gott gewollt". So betont etwa Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken: „Das entspricht nicht unserem Familienbild. Wir glauben, dass ein Kind auch ein Recht auf seinen Vater hat. Wir verstehen dies als unvollständige Familie. Die vollständige Familie ist die Familie, bei der Vater und Mutter sich um das Kind kümmern. Das wird ausgehebelt, wenn man glaubt, man könne ein Kind produzieren, allein von einer Frau, ohne dass man einen Mann kennt."
Der Alltag als Solomutter
Sabrina Mondini hat ihre Entscheidung jedenfalls nicht bereut. Sie genießt die Zeit mit ihrer elf Monate alten Tochter. Die beiden seien bereits ein eingespieltes Team. „Sie macht Grimassen, sie guckt, sie lacht. Sie schaut sich mich an. Und jetzt geht es los, dass sie so Dinge greift. Immer wenn ich merke, jetzt kommt etwas Neues dazu, das ist wirklich besonders und das ist so schnell, dass es ganz viel Spaß macht, das zu begleiten“, sagt Sabrina.
Auch Rebecca Wiczorek ist zufrieden als Solomutter. Sie arbeitet Vollzeit. Einmal pro Woche holt eine Babysitterin ihren vierjährigen Sohn von der Kita ab, ein weiteres Mal ihre Mutter, die dann mit ihm auf dem Spielplatz spielt oder zu Hause bleibt, während Rebecca im Home-Office arbeitet. Am Wochenende übernachtet ihr Sohn regelmäßig bei seiner Großmutter, die ein Haus mit großem Garten hat. Rebecca ist sich ihrer finanziellen und organisatorischen Privilegien bewusst.
Ihr Rat an Frauen, die überlegen, Solomütter zu werden: Man müsse ehrlich zu sein und sich fragen, ob man das leisten kann, sagt Rebecca. „Ich glaube, je mehr man mit sich im Reinen ist, mit diesem Lebensweg, für den man sich entschieden hat, desto besser kann man es dem eigenen Kind erklären, desto besser kann man mit anderen Leuten sprechen, desto normaler finden es auch andere Leute.“
ema