Somalia

Im blauen Mondlicht der Stadt

Die somalische Hauptstadt Hargeisa. Die Ein Mann sitzt auf einem Esel und reitet durch eine befahrene Straße.
Die somalische Hauptstadt Hargeisa © picture alliance / dpa / Foto: Maxppp
Von Sigrid Löffler |
Nach "Black Mamba Boy" verarbeitet die in Somalia geborene Autorin Nadifa Mohamed auch in ihrem neuem Roman "Der Garten der verlorenen Seelen" ihre Vergangenheit. Erzählt wird die Überlebensgeschichte dreier starker Heldinnen in dem von Bürgerkrieg zerrütten Land.
Nadifa Mohamed, geboren 1981 in Hargeisa im Norden Somalias, floh als Kind 1986 mit ihren Eltern vor dem drohenden Bürgerkrieg ins Exil nach London und studierte in Oxford Geschichte und Politik. Bereits mit ihrem Erstlingsroman "Black Mamba Boy" (2010), der auf der Kindheitsgeschichte ihres Vaters in den 1930er Jahren beruht und dessen Odyssee durch Afrika zur Zeit von Mussolinis Herrschaft in Somalia erzählt, sicherte sie sich viel Aufmerksamkeit und Lob und gewann den Betty Trask Award, der an Debüts vergeben wird.
Auch in ihrem zweiten Roman "Der Garten der verlorenen Seelen" greift Nadifa Mohamed auf die Vergangenheit ihres Geburtslandes zurück, denn sie möchte "ein breiteres Publikum über die Geschichte Somalias aufklären". Schauplatz des Romans ist Mohameds Geburtsstadt Hargeisa. Geschildert werden die zunehmend blutigeren Konflikte in Somalia in den Jahren 1987/88 am Vorabend des Bürgerkriegs aus der Sicht dreier Frauen, die drei Generationen repräsentieren: das zehnjährige Flüchtlingsmädchen Deqo, die junge Soldatin Filsan und die Witwe Kawsar.
War der Debütroman eine Vater-Sohn-Geschichte, so erzählt der Zweitling drei schmerzliche Mutter-Tochter-Geschichten. Das Straßenkind Deqo wurde von der Mutter nach der Geburt verlassen; Filsan verlor ihre Mutter durch die Scheidung der Eltern und wurde von ihrem grausamen Soldatenvater aufgezogen; und Kawsar trauert immer noch um ihre einzige Tochter, die als Teenager einen schrecklichen Tod starb.
Begegnung mit existenzieller Folge
Im Eingangskapitel des Romans führt die Autorin ihre drei unglücklichen Protagonistinnen im Stadion von Hargeisa zusammen, wo der 18. Jahrestag des Militärputsches des Diktators Siad Barre gefeiert wird (der im Roman nur "Oodweyne", Großmaul, genannt wird). Dass diese zufällige Begegnung existenzielle Folgen für alle drei hat, wird erst im Schlusskapitel ganz deutlich, in dem die Heldinnen abermals schicksalhaft aufeinander treffen.
In den Kapiteln dazwischen werden die Lebensgeschichten der Heldinnen jeweils separat erzählt. Hier kann Nadifa Mohamed in vielen sprechenden Alltagsdetails die Biografien ihrer Heldinnen entfalten. Die drei werden in die blutigen Kämpfe zwischen Regierung und Aufständischen hineingezogen, die das Leben in Hargeisa zunehmend barbarisieren, bis es nur noch um Flucht oder Tod geht.
Letztlich erzählt der Roman die Überlebensgeschichte dreier starker und differenziert gezeichneter Heldinnen. Nadifa Mohamed kontrastiert die quälend präzise beschriebenen brutalen Geschehnisse mit poetischen Naturschilderungen der im blauen Mondlicht schimmernden Stadt. Dem Gestank der verrottenden Leichen in den Straßen werden die Düfte von Tamarinde und Jasmin in Kawsars Garten entgegengesetzt. Dass die Autorin etwas abrupt einen versöhnlichen Schluss für ihr tapferes Trio herbeizwingen will, fällt gegen ihre so illusionslose wie kraftvolle Erzählung nicht sehr ins Gewicht.

Nadifa Mohamed: "Der Garten der verlorenen Seelen"
Aus dem Englischen von Susann Urban
Verlag C. H. Beck, München 2014
270 Seiten, 19,95 Euro