Diese Bücher empfehlen wir für die Ferien
Die Sommerferien stehen vor der Tür und Sie wissen noch nicht, was Sie lesen sollen? Kein Problem! Wir empfehlen neun Bücher für den Urlaub.
Holger Hettinger, Abteilungsleiter Musik, empfiehlt "Neuntöter" von Ule Hansen:
Nachdem nun auch der südöstliche Westerwald seinen Regionalkrimi hat, kann man dieses Genre erleichtert zu Grabe tragen – und nun wieder den Blick richten auf tolle Kriminalromane, die viel erzählen über unsere Zeit und die Menschen, die darin vom Leben durchgeschüttelt werden. Dem Autorenduo "Ule Hansen" – das sind Astrid Ule und Eric T. Hansen – ist mit "Neuntöter" eine präzise gewebte Gegenwartsstudie gelungen, im Gewand eines Hardboiled-Berlin-Krimis. Die Fallanalystin Emma Carow muss den Mord an drei Menschen aufklären, die wie in einem Kokon hoch über dem Potsdamer Platz hängen, in Panzertape gewickelt. Ule Hansen machen aus der Lösung des Falles eine schwindelerregende Schussfahrt durch ein pulsierendes Berlin, in dem staubige Amtsstuben neben Matcha-Eis, verwegene Abgründe neben Großstadt-Tristesse koexistieren. Wirklich groß!
Felicitas Boeselager, Volontärin, empfiehlt "Komm, gehen wir" von Arnold Stadler:
Seit ich "Komm, gehen wir" das erste Mal aufgeschlagen habe, sitzt es überall in mir rum. Ich war im ICE von Berlin nach Hamburg und wir hatten über zwei Stunden Verspätung. Während die anderen Reisenden der miesen Deutschen-Bahn-Laune verfielen und sich in Rohrspatzen verwandelten, saß ich neben Stadlers Helden auf einem Handtuch am Meer, in der Sonne auf Capri. Diese Liebesgeschichte ist so aufregend, nachdenklich, melancholisch und dabei unheimlich witzig, dass ich als einzige in unserem Abteil schallend gelacht habe und endlich in Hamburg am liebsten sitzen geblieben wäre.
Torben Waleczek, Audience Development, empfiehlt "Schnelles Denken, Langsames Denken" von Daniel Kahneman:
Fast 600 Seiten Kognitionswissenschaft? Klingt erstmal staubig - ist es aber ganz und gar nicht. Der Psychologe und Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman nimmt uns in seinem Buch "Schnelles Denken, langsames Denken" mit auf eine faszinierende Reise in die Welt des menschlichen Geistes. Wir erfahren, warum unser Verstand so tickt, wie er es tut. Warum unser Gehirn manchmal so träge ist, dass es Vorurteile und Fehlschlüsse produziert (und was wir dagegen unternehmen können). Was es mit Priming-, Anker- und Halo-Effekten auf sich hat. Das alles beschreibt Kahneman auf einer soliden empirischen Grundlage - und dabei extrem kurzweilig.
Jenny Genzmer, Redakteurin, empfiehlt "Wer regiert die Welt?" von Ian Morris:
In einer Zeit, in der wir uns aus guten Gründen Gedanken über die Zukunft Europas machen, hilft vielleicht ein kleiner Perspektivwechsel. "Wer regiert die Welt?" von Ian Morris könnte das leisten. Seine Frage: Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass der Westen den fernen Osten fast die gesamte Geschichte hindurch abgehängt hat - und zwar seit die Nachfahren der ostafrikanischen Menschenaffen nach Europa und Asien ausgewandert sind? Morris geht es nicht um einzelne Persönlichkeiten, er sagt, die Zivilisationsgeschichte werde sowieso von faulen, gierigen und furchtsamen Menschen geschrieben. Größere Gruppen von Menschen verhielten sich immer ähnlich und den Vorteil hätten die, die geographisch die besseren Voraussetzungen besäßen. Aber im 21. Jahrhundert sei genau das nicht mehr der Fall. Die hochtechnologisierte Welt macht Morris pessimistisch. Nicht weil der Westen seine Vormachtstellung verlieren könnte, sondern weil er befürchtet, die Menschen könnten an ihrer neuen Verantwortung scheitern. Streitbare Thesen und schöne Denkanstöße!
Timo Grampes, Redakteur und Moderator, empfiehlt "Das Farbenmonster" von Anna Llenas:
Gestatten: Das Farbenmonster. Hier: wütend. Es kann aber auch anders: freudig, traurig, ängstlich, entspannt und verliebt. Das muss erstmal sortiert werden. Kennen wir, oder? Ein erfrischend lebensnaher Pop-Up-Spaß, auch für die Kleinen. Liebevoll illustriert von Anna Llenas, aus der mir liebsten Stadt - Barcelona. Macht zusammen: Ziemlich viel Laune!
Gesa Ufer, Redakteurin und Moderatorin, empfiehlt "Die hohen Berge Portugals" von Yann Martel:
Der kanadische Autor Yann Martel hat nach seinem Bestseller "Life of Pie - Schiffbruch mit Tiger" einen tollen neuen Schmöker mit philosophischem Tiefgang geschrieben: "Die hohen Berge Portugals" beginnt als tragikomischer Roadtrip eines miserablen Autofahrers, der sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf die Suche nach einem rätselhaften Schatz macht und endet Jahrzehnte später am gleichen Ort mit der berührerenden Freundschaft zwischen einem alten Mann und seinem Affen. Ein modernes Märchen über Freundschaft, Liebe und den Tod.
Vladimir Balzer, Redakteur und Moderator, empfiehlt "Wir sind Europa" von Evelyn Roll:
Es gibt gerade verdammt viele Gründe, sich um Europa Sorgen zu machen. Nationalismus und Rechtspopulismus greifen um sich und drohen den europäischen Gedanken zu vergiften. Vielleicht sogar auf lange Zeit. Das hat Evelyn Roll, eine der renommiertesten Reporterinnen Deutschlands, offenbar nicht mehr ausgehalten. Dabei ist es ja selten, dass Reporter politische Pamphlete schreiben. Sie beobachten meistens nur. Aber hier ist es anders. Evelyn Roll will Demokratie, Freiheit und freundliche Kooperation bewahren, also den europäischen Gedanken retten. Dabei appelliert sie an uns, an die Bürger. Wir sind es, die wir den Politikern unseren Kontinent wegnehmen sollten. Sie machen ihn nur kaputt. Evelyn Roll will, dass wir uns vernetzen, uns besser kennenlernen. Sie glaubt an das, was gerne Zivilgesellschaft genannt wird. Denn Europa, das sind nicht die Institutionen. Europa, das sind wir.
Cornelia Sachse, Online-Redakteurin, empfiehlt "Lettipark" von Judith Hermann
In den Erzählungen von Judith Hermann gibt es silbrig aufwirbelnden Kohlestaub, Kaffee mit einer Prise Muskat oder eine Schale mit grünen Äpfeln. Mit wenigen Strichen skizziert die Berlinerin in "Lettipark" die Lebenssituation ihrer Figuren. Oft ist es nur ein Blick, eine Geste, ein Geruch, in der die ganze Geschichte liegt. Sie erzählt nicht vom Glamour der Großstadt oder von der Coolheit der Clubs, sondern von der Suche, der Einsamkeit oder Erschöpfung ihrer Protagonisten. Von Paaren, die auseinander gehen oder gar nicht erst zueinander finden. Manchmal sehe ich Judith Hermann am Bahnhof aus der S-Bahn steigen. Dann möchte ich sie fragen, wann ihr nächstes Buch erscheint. Sie lässt sich immer Zeit damit. Jetzt beginnt wieder das Warten.
Sven Crefeld, Online-Redakteur, empfiehlt "Hans-Ulrich Wehler" von Paul Nolte:
Dieser Professor trug Turnschuhe und Rucksack, war extrem streitfreudig und widerlegte die Behauptung, dass es Bielefeld gar nicht gebe. Der Historiker Hans-Ulrich Wehler starb 2014 – sein Schüler Paul Nolte, heute selber einer der Großen des Fachs, porträtiert ihn aus der Nähe im Schnelldurchlauf. Wehler war demnach ein leistungsbesessener Außenseiter, begabter Netzwerker und asketischer Vielschreiber. Zugleich erzählt Nolte als Insider aus dem Wissenschaftsbetrieb – über die Bielefelder "Schule", den Methodenstreit, die politischen Kämpfe der Kohl-Ära und warum Wehler die Langstrecke liebte, auch bei seiner berühmten "Gesellschaftsgeschichte" in fünf Bänden. Noltes gewitzter Spurt ist hingegen ideal für ein lockeres Seminar in der Sonne.