Sommerfrische im Wandel

Sylt boomt - doch die Einheimischen kehren der Insel den Rücken. Sie leben auf dem Festland und pendeln täglich, um ihren Jobs nachzugehen. - Ganz anders die Situation im Westharz: Die Touristen bleiben aus und machen nun im Ostharz Urlaub.
Sylt
Von Anja Schrum

"Sehr geehrte Fahrgäste, in wenigen Minuten erreichen wir Westerland auf Sylt, unsere Zugfahrt endet dort, bitte alle aussteigen ... kommt ihr mit? Nee, ich komm mit dir, damit du nicht so allein stehst ..."

Sabine Kart greift nach ihrer Tasche. Jutta Borg faltet die Zeitung zusammen. Gleich sind sie am Ziel: auf der Ferieninsel Sylt. Doch die Frauen fahren nicht in den Urlaub. Sie arbeiten auf der Insel.

"Die Insel ist voll, man kann da nicht leben. Man kann da Urlaub machen, aber leben kann man da nicht."

Jutta Borg arbeitet in einem Geschäft in der Westerländer Friedrichsstraße, der Haupteinkaufsmeile. Und fährt mit der Regionalbahn jeden morgen gegen acht Uhr ab Niebüll. Und abends, um 19.20 Uhr wieder zurück.

"Ich geh arbeiten und fahr abends nach Hause und ich bin froh, wenn ich abends wieder zu Hause bin. Aber leben kann man da nicht als normaler Mensch. Sylt selber hat kaum noch Einwohner, die gehen da alle weg, weil die Insel einfach vom Tourismus total geschädigt wurde, näh."

Jutta Borg ist nicht die einzige, die so denkt. Auch wenn nicht alle so offen darüber sprechen. Die Regionalzüge, die frühmorgens über den Hindenburgdamm rollen sind voll. Nicht voller Touristen – die kommen später - sondern voller Berufspendler: Taxifahrer, Hotelangestellte, Verkäuferinnen. Schätzungsweise 3000 bis 4000 Beschäftigte pendeln täglich zwischen dem Festland und der Insel.

"Wie heißt das immer: Dass muss doch schön sein, da zu wohnen, wo andere Leute Urlaub machen. Ich liebe diesen Spruch ..."

Sabine Kart, die von ihren Mitreisenden kurz "Bine" genannt wird, lacht. Sie hat der Insel den Rücken gekehrt:

"Es ist eine reifliche Überlegung, würde ich mal sagen, die man also nicht von heute auf morgen trifft ..."

Trotzdem bereut sie ihren Wegzug nicht. Sylt ist einfach zu teuer geworden, sagt sie.

"Ich kann das mal in Zahlen fassen, also ich habe jetzt auf dem Festland eine Zweizimmer-Wohnung, für die ich so 450 Euro zahle, möchte ich das gleiche auf Sylt, weil ein bisschen Komfort braucht man ja, dann zahle ich 300 Euro mehr."

Wenn sie denn überhaupt eine Wohnung finden würde. Denn bezahlbare Dauermietwohnungen sind auf der Insel Mangelware.

"Die Lebenshaltungskosten insgesamt sind zu teuer auf Sylt, ganz klar, sprich mal Essen gehen, kaum noch möglich, oder auch nur mal ein Eis, ich möchte ein Eis und muss dann für eine Kugel 1,50 bis zwei Euro bezahlen, alles zu teuer, ja."

Aber verdient man nicht entsprechend mehr auf Sylt? Doch, etwas schon, nickt Sabine Kart, die bei einer Westerländern Appartment-Vermietungt arbeitet. Jutta Borg dagegen schüttelt den Kopf: Sie wird nach Tarif bezahlt. Auch der Einzelhandel hat zu kämpfen. Drei Geschäfte schließen zum Jahresende, erzählt sie. Darunter alteingesessene Westerländer Unternehmen.

"Die Pachtverträge werden einfach gekündigt, weil sie die Mieten nicht mehr bezahlen können."

Auch der Deutsche Wetterdienst hat beschlossen, seine Lister Station zu schließen. Immerhin die nördlichste Wetterwarte Deutschlands. Ein Grund: Es gibt keinen bezahlbaren Wohnraum für die Angestellten. Sabine Kart:

"Die Sylter wandern langsam aber sicher alle aufs Festland. Vielleicht mal nicht nur an die Gäste und Touristen denken, sondern an die Einheimischen. Denn da wird eine Hochburg nach der anderen gebaut, ein Hotel, eine Pension, eine Appartment-Anlage, noch und nöcher, luxoriöser bis zum geht-nicht-mehr, aber eben für Sylter: Null. Gar nichts."

Die Sonne scheint von einem knall-blauen Himmel. Die Wellen rollen langsam an den Strand. Kinder budeln im Sand. Viele Urlauber kommen seit Jahrzehnten auf die Insel. Die meisten wegen des Klimas und der Landschaft. Auch ihnen fallen die Veränderungen auf.

"Es wird immer touristischer, das ist so ... Sylt war schon immer touristisch, die leben auch hiervon, keine Frage, aber ich sag mal so: Dieser Hauruck-Tourismus ist größer geworden ..."

Eine Familie aus Bad Oeynhausen – seit 15 Jahren Sylt-Fans - sorgt sich ebenfalls um ihr Urlaubsparadies: In Rantum ist ein "Dorf-Hotel" mit 159 Wohneinheiten eröffnet worden. In List wird gerade eine "Ressort" mit 180 Einheiten gebaut, in Hörnum eine Anlage mit 140 Appartements und ein Golfhotel mit 80 Zimmern.

"Sylt muss aufpassen, dass es nicht den typischen Charakter so ein bisschen verliert. (...) Das kleine Beschauliche – ich meine Westerland ist immer so ein Kapitel für sich gewesen – aber das kleine Beschauliche, was so die Dörfer drumrum gehabt haben, das sollte man nicht mit so vielen Hotelburgen kaputt machen."

Gebaut wird aller Orten. Feriendomizile. Nur für die Einheimischen – so scheint’s – ist kaum Platz. In vielen Orten beträgt das Verhältnis von Einwohnern zu Zweitwohnungsbesitzern schon fast 50 zu 50. Selbst Sylter, die Eigentum auf der Insel besitzen, gehen.

"Viele sind ja auch Sylter, die abhauen mussten, wie gesagt, wenn Oma stirbt, dann können sie ausziehen, weil das Geld kann keiner aufbringen, also müssen sie abhauen."

Sagt Manfred Schmidt, der seit Anfang der 70er Jahre auf der Insel lebt. Er weiß: Ein altes Friesenhaus ist heute Millionen wert. Und die Miterben wollen ausbezahlt werden.

"Weil Grund und Boden ist ja so teuer geworden, so einem alten Friesenhaus, also die müssen das verkaufen, weil einer den anderen gar nicht auszahlen kann und dann kommt Herr Bogner, oder weiß der Teufel, und macht eine Dependance - alle Häuser wenn man in Keitum guckt, in diesem Gurtsteg: Investor, entkernt, dann ist da eine Boutique drinn – da wohnt denn auch keiner mehr ..."

Oder das Haus wird abgerissen. Um einem zwar stilgerechten, aber weit größerem Neubau Platz zu machen. Platz, um Kapital anzulegen. Platz für Urlauber, nicht für die Einheimischen. Die versuchen sich mit Zweit- und Drittjobs über Wasser zu halten. Oder verlassen gleich die Insel. Mit ihnen aber verschwindet auch das, was Sylt einst ausmachte: die Toleranz, wie Schmidt findet:

"Sachs ist mit seiner Münch so oft ums Cafe Ohrt gefahren, bis er einen Parkplatz bekommen hat, da hat sich nie einer drüber aufgeregt, das war ebenso. Und das ist Sylt, das macht Sylt aus, dass alle Sylter sagen: Lass ihn man. Das ist jetzt vorbei, jetzt kommt anderes Publikum. (...) Heute ist das so, wenn ich am Deich an die Reusen bin, dann rufen sie: Jesus. Mit ihren Göhren auch noch."

Der Fischer schüttelt den Kopf mit dem langen, grauen Haar.

Von seinem Arbeitsplatz auf blickt Helge Jansen direkt auf das wohl umstrittenste Bauprojekt der Insel, das neue "Dorf-Hotel" in Rantum. Von dem Kritiker sagen, architektonisch ähnele es dem Sozialwohnungsbau der 60er Jahre. Sozialpädagoge Jansen leitet im Hauptberuf das Schullandheim in Rantum. Im Ehrenamt ist er bislang Amtsvorsteher der Insel und Bürgermeister von Rantum. Als solcher hat er das "Dorf-Hotel" durchgesetzt. Jansen kennt die Klagen der Einheimischen zur genüge. Doch sind die Sylter selbst nicht schuldlos, findet er:

"Das Selbstregulierungsinstrument, dass es gegeben hätte, vor einigen Jahren, dass die Sylter Bürger sagen, wir verkaufen unsere Häuser – in Klammern – nicht. Das hat es nicht gegeben. Das hat auch keiner gewollt. Jeder schielte nach dem Ertrag, den er erzielen kann."

Und der war und ist gewaltig. Vor Jahren habe man in den Gemeinden günstige Baugebiete für Sylter ausgewiesen, sagt Jansen.

"Und wir haben, bei den Versuchen, die wir gemacht haben, leider feststellen müssen, dass viele Bürger die Chance auf Eigentum dann genutzt haben, dieses Eigentum recht bald zu veräußern."

Nach 15, 20 Jahren - zum zigfachen des ursprünglichen Preises. "Egosimus ist der Motor", sagt Jansen. Deshalb sei man dazu übergegangen, Erbbaurechts-Modelle zu kreieren. Und habe lernen müssen, dass sich auch solche Verträge aushebeln lassen. Auch bei der Beschaffung bezahlbaren Mietwohnungen tun sich die Gemeinden schwer.

"Die Mietwohnungen müssten, wenn sie billig sein sollen, von der Kommune errichtet werden, da gibt es insbesondere in der Kommune Westerland ein Modell, die Stadt Westerland hat eine eigene Wohnungsbaugesellschaft gegründet und betreibt hier ein vernünftiges Modell hier Mieten oder Mietwohnungen für Sylter Bürger anzubieten."

Doch die Wartelisten sind lang. Die bebaubaren Grundstücke knapp und teuer. Gleichzeitig drängen Investoren auf die Insel. Fonds mit entsprechender Kapitalausstattung und Rendite-Erwartung.

"Wir fürchten den anonymen Investor, der die Insel handelt wie an der Börse. Wenn man heute viel Wohnraum herstellt für Gäste, besteht die Gefahr, wenn das nicht ausreichend genutzt wird von dem Gast, dass es umgewandelt wird in Eigentum, sodass das wieder teuer auf den Markt kommt und sich keine Einheimischen ansiedeln, einkaufen können ..."

Faßt Maike Ossenbrüggen, Vorsitzende des Sylter Heimatvereins, das Unbehagen vieler Sylter zusammen. In dem beschaulichen Dorf Keitum wird gerade eine neue Bade-Therme errichtet - mit angeschlossenem 90-Betten-Hotel. Gleichzeitig wurde im vergangenen Jahr die Grundschule geschlossen. Natürlich, sagt Ossenbrüggen, auch die Mahner, die den Ausverkauf der Insel fürchten, hat es schon immer gegeben. Diesmal aber sei es anders:

"Wer schön ist, ist immer gefährdet. Ob das schöne Frauen sind oder eine schöne Insel. Und die Begehrlichkeiten haben sich so verselbstständigt, dass wir die Geschwindigkeit nicht beherrschen können."

Westharz
Von Jan-Uwe Star

Frühkonzert im Kurpark von Braunlage: Ein dreiköpfiges Salon-Orchester aus Ungarn spielt heute auf. Die Sonne lacht, ein weicher Sommerwind streicht über die gepflegten Parkanlagen, über die Freiluftbühne des großzügigen Kurgastzentrums und über die weitläufigen Zuhörer-Terassen. Platz für etwa 500 Konzert-Gäste wäre hier. Doch gekommen sind nur eine handvoll Urlauber, um das entspannende Kultur- und Natur-Angebot zu genießen. Auch im Kurcafé herrscht gähnende Leere.

"Früher waren mehr Leute hier, ja das muss man sagen."
"Da war der Eingang hier noch mit Karte, mit Kurkarte und jetzt kann jeder rein."

Seit Jahrzehnten kommen die betagten Berlinerinnen regelmäßig zum Erholen in den Luftkurort Braunlage. Früher, als ihre Männer noch lebten, kamen sie sogar zweimal pro Jahr: im Sommer und im Winter. Der niedersächsische Westharz war einst ein begehrtes Urlaubsgebiet für die eingemauerten Westberliner. Aber auch für Niedersachen, Schleswig Holsteiner, Hamburger und Bremer. Braunlage mit seinen 5000 Einwohnern galt als mondän. Manche nannten es gar das "St.Moritz" des West-Harzes. Auf jeden Fall war eine Menge los:

"... dass da so Tanzabende waren. Oh Gott da ging man hin und guckte mal. Und so was ist, also so was ist nicht mehr."
"Nee. Also jetzt ist hier eine Kapelle mit drei Mann, wenn die halbe Zeit dann rum ist, dann kommt einer. Der macht auch schöne Musik. So ist das nicht."

Heute schätzen die Gäste im Kurpark vor allem die Ruhe. Es sind vorwiegend Senioren, über 70 Jahre alt zumeist, die ihrem traditionellen Urlaubsgebiet, dem westlichen Harz, treu blieben. Aber sie werden immer weniger. Und das bekommt man in Braunlage zu spüren.

Herzog-Wilhelm-Straße heißt die wenige hundert Meter lange Promenier- und Ausgehmeile von Braunlage. Mondänes Flair kann man hier kaum noch spüren. Es dominieren Billiganbieter aus aller Herren Länder: "Shanghai" und "Goldener Drache" heißen die China-Restaurants, "Akropolis" und "Rhodos" die Griechen, "Rialto" die Pizzeria. Es gibt "Döner-Imbiss", und "Asia-Shop".

Die einheimische Gastronomie scheint hier auf verlorenem Posten. Am Schaufenster einer Konditorei blättert die Farbe, vergilbte Fotos und Preiskarten wellen sich im Aushang. Das gegenüber liegende Hotel mit der harztypischer Holzfassade ist geschlossen. Einst galt der "Braune Hirsch" als erstes Haus am Platze – nun dient es als Ausstellungsraum für einen Resteverkauf. Viele kleine Läden in der Braunlager Hauptstraße haben aufgegeben. "Zu vermieten" oder "zu verkaufen" - auch an zahlreichen privaten Ferienpensionen hängen diese Schilder.

"Wir haben das von Leuten gehört, wo wir mal Silvester hier waren, die auch am Tisch saßen, dass sie hier Ferienwohnungen von den Eltern schon haben und Ferienhäuser haben und das das alles den Bach runtergeht, und dass sie das nicht mehr halten können und auch nicht verkaufen können und so, ja."

Um bis zu 35 Prozent sind die jährlichen Übernachtungszahlen in den Urlaubsorten des westlichen Harzes zurückgegangen in den letzten 10 bis 15 Jahren. Ein Grund dafür: die Ski- und Rodelsaison in dem einst schneesicheren norddeutschen Mittelgebirge fällt aufgrund der Klimaerwärmung immer öfter aus. Aber das alleine erklärt die Misere nicht. Das Angebot auch für die Kurz-Urlauber hat sich enorm vergrößert, der Wettbewerb ist daher viel härter geworden, sagt Tourismusforscher Axel Dreyer von der Fachhochschule Wernigerode.

"Der Harz konkurriert im Grunde genommen mit seinen Angeboten durchaus mit einem Wochenende in Barcelona, genauso wie mit einem Aufenthalt am Meer."

Hinzu kommt: Auch der zu Sachsen-Anhalt gehörende, östliche Teil des Harzes hat sich zu einer scharfen Konkurrenz für den niedersächsischen Westharz entwickelt. Eine Spätfolge der deutschen Wiedervereinigung

"Die Aufhebung der Teilung hat bedeutet, dass zunächst sehr viele Fördergelder notwendiger Weise in den Ostteil des Harzes geflossen sind, um die Infrastruktur dort an das Niveau des Westharzes anzupassen. Inzwischen hat der Ostharz den Westharz überholt."

Während der Ostharz heute mit vielen liebevoll restaurierten historischen Ortskernen und zeitgemäß ausgestatteten Unterkünften punkten kann, leiden die Urlaubsorte im Westen vielfach unter dem hochsubventionierten Bauboom der siebziger und achtziger Jahre: Mit Steuerabschreibungsmodellen wurden damals private Geldanleger in den Harz gelockt. Sie investierten dort in immer mehr Ferienapartmenthäuser und Hochhaus-Hotels, die heute längst nicht mehr ausgelastet sind mit ihrer lieblosen Betonarchitektur die historischen Ortsbilder verschandeln. Zudem wurden mit Steuergeldern in dem damaligen Zonenrandgebiet Anlagen aufgebaut, die sich heute in vielen Kommunen als teuerer Klotz am Bein erweisen, sagt Hans Grasshoff, regionaler Geschäftsführer des Deutschen Hotel und Gaststättenverbandes:

"Ich rede da von den größeren Einrichtungen: Hallenbädern, Eisstadien und sonstige Infrastruktur, die teilweise wetterunabhängig ist, das war auch damals so eine Forderung, die kann man leider nicht mehr wirtschaftlich führen. Das hätte man an wenigen Orten konzentrieren sollen. Aber jeder Ort wollte sein eigenes Hallenbad."

In den ersten Jahren nach der Wende erlebte der Westharz noch einmal einen kräftigen Boom, doch anstatt die Zeichen der neuen Zeit und die Herausforderungen durch einen zunehmenden Wettbewerb zu erkennen, fiel man in einen langen Dornrösschen-Schlaf. Das Erwachen begann erst in den letzen Jahren und war schmerzhaft. Aber nun hat man erkannt, dass etwas passieren muss, räumt Christian Klamt, der Kurdirektor von Braunlage ein:

"Wir befinden uns im Moment in einer Umbruchphase. Das ist ein völlig klarer Fall, das will ich auch gar nicht wegdiskutieren, das ist so – ja- was aber nicht heißt, dass wir die Umbruchphase ohne eigenes Zutun einfach laufen lassen, wir sind aktiv dabei hier neue Strukturen für den Ort zu erreichen."

Braunlage versucht nun, mit aller Kraft wieder nach oben zu kommen. Mit neuen Schneekanonen soll der Wintersport gegen die Klimaerwärmung verteidigt werden. Für die schneelose Zeit setzt man auf modische Touristen-Attraktionen:

"Wir haben – und das ist sicherlich ein Alleinstellungsmerkmal, unserer Monsterroller, die auch von älteren Menschen gern genutzt werden, das heißt ein Roller mit sehr massiven Reifen , sehr sicher mit Scheibenbremsen vorne und hinten, wo sie den Wurmberg herunterrollen können."

Ein neuer, familienfreundlicher Golf-Platz und ein Mountain-Bike-Parcour soll nun auch die jüngere Urlauber-Generation wieder verstärkt nach Braunlage locken. Zudem habe man ein renommiertes Feinschmecker-Restaurant nebst Hotelbetrieb, am Ort ansiedeln können - ein neuer Anlauf für eine gastronomische Qualitätssteigerung.

Auch an einem neuen städtebauliches Konzept, das helfen soll, das angestaubte Stadtbild wieder aufzupolieren, werde gearbeitet, betont man in Braunlage. Das Problem dabei: Die Kommune ist verschuldet, bei vielen privaten Pensionen sind die finanziellen Reserven aufgezehrt. Und die öffentlichen Fördermittel fließen viel spärlicher als früher.

Auch das 1300-Seelen-Nest Hahnenklee am Bocksberg blieb vom drastischen Urlauber-Rückgang der letzten Jahre nicht verschont. Deshalb entschied man sich nach einer Zeit der Ratlosigkeit zu radikalen Schritten. Als erstes wurde das Energie- und Geld verschlingende Hallenbad für immer geschlossen. Dann kamen die Tourismus-Verantwortlichen auf die Idee, einen Teil der Gelder aus dem Werbetat zweckentfremdet einzusetzen. Statt in teure Hochglanzprospekte und Anzeigenkampagnen flossen sie in die optische Auffrischung des Urlaubsortes, sagt Kirsten Appelt, von der kommunalen Marketing-Gesellschaft in Hahnenklee:

"Und haben eigentlich mit einer ganz untypischen Sache für eine Marketing GmbH angefangen. Wir haben Häuser gestrichen und jeder hat uns natürlich gefragt als erstes: Sie sind ne Marketing GmbH - wie können sie denn Häuser streichen? Und wir haben gesagt, wir möchten nicht die Gäste hierherholen und die machen dann ganz, ganz große Augen und nehmen Reißaus. Sondern das Bild, das Ortsbild muss natürlich auch stimmen."

Die Tourismuswerber von Hahnenklee begnügten sich aber nicht damit, den privaten Pensionsbesitzern beim Hausanstrich zu helfen. Sie animierten sie auch dazu, selber wieder aktiv zu werden. Ein neues Punktesystem soll dafür Anreize schaffen:

"Wo wir gesagt haben, wir geben euch einen Punkt, wenn ihr schon eine Übernachtung ab eine Nacht anbietet für den Gast. Oder aber wenn ihr zum Beispiel bei Wanderveranstaltungen bei Wanderungen mit uns mit dran teilnehmt und wisst und lernt, was kann man den Gästen zum Beispiel empfehlen kann."

Insgesamt 21 Punkte hat der Kriterien-Katalog der Hahnenkleer Tourismus-Werber zu vergeben. Wer alle Punkte erreicht, bekommt ein "Q" verliehen für Qualität, darf damit im Katalog werben. Es stellte sich dann schnell heraus: Die "Q"-Pensionen kommen auch einfacher an einen Bankkredit. Die Mehrzahl der Hahnenkleer habe inzwischen begriffen, dass sie sich anstrengen müssen, um ihre Gäste-Betten wieder zu füllen, freuen sich die kommunalen Tourismus-Werber. Ob die örtlichen Mal-Iniativen, die neuen Mountainbike-Parcours, Swing-Golf-Anlagen und Monsterroller tatsächlich wieder mehr Urlauber in den westlichen Harz locken können, bleibt abzuwarten. Die Harzer aus West und Ost müssen beim Wettbewerb mit anderen Urlaubsregionen viel mehr als bisher zusammenarbeiten, sagen Tourismusexperten wie Professor Axel Dreyer. Dabei dürfe man sich von der Konkurrenz durchaus gute Ideen abschauen. Zum Beispiel wie man gemeinsam regionalen Spezialitäten vermarktet:

"So gibt es ja zum Beispiel das Harzer Höhenvieh und wir haben Gastronomen, die explizite Angebote machen mit diesen Produkten, davon haben wir viel mehr und wir müssen diese regionalen Angebote machen, diese regionale Identität muss gestärkt werden, auch damit die Menschen in dieser Region wieder stärker an den Tourismus glauben."

Die Urlaubsregion Harz habe durchaus gute Chancen für die Zukunft, betont Professor Dreyer. Nicht zuletzt wegen des Klimawandels: Je heißer die Sommer werden, desto mehr werden die Urlauber die kühlen Schatten der Harzwälder zu schätzen wissen. Besonders die stark anwachsende Zielgruppe der Senioren.