Johannes Brahms: "Sinfonia á due"
Anders als ihre beiden Vorgängerinnen - die liedgeprägten Sonaten in G-Dur und A-Dur - offenbart die d-Moll-Violinsonate von Johannes Brahms eine Steigerung ins Konzertante, ja sogar ins Sinfonische, soweit das bei einer kammermusikalischen Besetzung möglich ist.
Das macht die Sonate für viele Interpreten besonders attraktiv, und so behauptet sie in deren Repertoire auch eine gewisse Vorrangstellung. "Virtuosen-Futter" im gewöhnlichen Sinne bietet sie dennoch nicht, auch wenn sie spieltechnisch anspruchsvoller ist als die beiden anderen Werke.
Im Lichte dieser Besonderheiten - der sinfonischen Züge und der interpretatorischen Herausforderungen - ist womöglich die Dedikation der Sonate zu sehen. Zwar hat Brahms sie "Seinem Freunde Hans von Bülow gewidmet" (so der Vermerk auf dem Titelblatt), doch ehrte er damit zugleich den Exponenten eines Konzertwesens, in dem sein Schaffen wachsen und gedeihen konnte. Mithin war die Widmung mehr offizieller als privater Natur.
Hans von Bülow zeigte sich über die Zueignung höchst erfreut, sah darin für sich eine "Standeserhöhung". Doch wurde durch die d-Moll-Sonate, wie auch durch die Vorgängerwerke, nicht ebenso die Gattung der Violinsonate nobilitiert?
Eine Bejahung dieser Frage liegt nahe, weil diese Gattung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts mit nicht allzu vielen Meisterwerken bedacht worden ist. Das sollte sich im 20. Jahrhundert ändern, wohl nicht zuletzt, weil Brahms (neben den Franzosen Franck und Fauré) Maßstäbe dafür gesetzt hatte.