Sondierungsgespräche

Von Sabine Adler |
Pokern, Bluffen, Tricksen, Täuschen, Ablenken - es sind freundlich ausgedrückt - schauspielerische Qualitäten, auf die es jetzt zu Beginn der Sondierungsgespräche ankommt. Der, der sich zuerst bewegt, zuerst seine wahre Absicht preisgibt, hat verloren. Edmund Stoiber zum Beispiel, der nach seinem gestrigen Vorpreschen in Richtung Grüne heute schon wieder einen Rückzieher macht. Die Gegensätze zwischen CSU und Bündnis 90 seien so groß, dass sich die Grünen neu erfinden müssten.
Ja mei, Herr Stoiber. Was soll denn das? Gerade noch stärkt die Unionsfraktion der Kanzlerkandidatin den Rücken, da stellt ihr Stoiber schon wieder ein Bein und entzieht damit den Sondierungsgesprächen mit den Grünen am Freitag schon im Vorfeld den Boden. Wer solche Freunde hat, braucht wahrlich keine Feinde.

Das ist nicht mehr nur politisch ungeschickt zu nennen, das ist böse Absicht. Eine Merkel-Kanzlerschaft soll es anscheinend nicht geben, entgegen aller Beteuerungen.
Wen wundert's, dass die Grünen da über ein Gesprächsangebot von der Union nur noch schmunzeln, sich zu keinem Augenblick wirklich ernsthaft darauf eingelassen haben.

Die Union setzt fort, was sie im Wahlkampf begonnen hat: einen Fehler nach dem anderen zu begehen. Gerade hatten sich die Reihen hinter Angela Merkel gestern bei ihrer Wahl zur Fraktionsvorsitzenden geschlossen, da reißt Stoiber schon wieder Scheunentor große Löcher auf.

Der SPD kann es nur recht sein, ihr spielt es in die Hände. Sie ist derzeit ohnehin anscheinend mit der Brechstange unterwegs, macht Merkel den wenn auch knappen Wahlsieg streitig, obwohl Rot-Grün, die abgewählt wurden, unterlagen.

Im allgemeinen Realitätsverlust laden die Sozialdemokraten zu Sondierungsgesprächen ein und die Grünen gehen auch noch hin als könne man da weitermachen, wo man vor der Wahl aufgehört hatte. In Wahrheit sind beide, Rot und Grün, geschwächt. Auch wenn die Grünen sich noch so über ihr Wahlergebnis freuen, sollten sie allmählich der Tatsache ins Auge sehen, dass sie die kleinste Partei im neuen Bundestag sind.

Welchen Grund sollte es für die Liberalen geben, ausgerechnet zu diesen beiden Verlierern ins Boot zu steigen? Aus dem Verlangen heraus, endlich an einer Regierung beteiligt zu sein? Täten die Liberalen das jetzt, verbauten sie sich wohl für viele Legislaturperioden die Aussichten darauf.

Machen wir uns nichts vor: alles Geampel und Geschwampel ist ohnehin nichts weiter als eine Aufwärmübung für die eigentlichen Gespräche zwischen SPD und Union.

Die Kleinen tun recht, sich dafür nicht verbiegen und verheizen zu lassen, sondern sich selbst treu zu bleiben. Und die Großen müssen früher oder später aus ihrer Deckung heraus. Stoibers Nase ist schon sichtbar und auch, dass die Union bereits dabei ist, der SPD auf den Leim zu gehen, nämlich der Union die Führung einer große Koalition nur dann zu überlassen, wenn sich die Schwarzen von Merkel trennen. Dann geht auch Schröder und das Land erhält, was es braucht, eine stabile Regierungsmehrheit. Die trägt die Farben schwarz-rot und damit bekommen die unentschlossenen Bürger, was sie letztlich gewählt haben, ein bisschen Wechsel, aber nicht zuviel. Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass. Mehr ist zunächst nicht drin.