Gepflegtes Wettsingen mit Witz
Die musikalische Variante des sehr populären Poetry-Slams ist der Song-Slam: In Berlin findet er auf der Bühne des Heimathafen Neukölln statt. Dort ist das Kräftemessen der Songwriter ironisch-reißerisch mit "Sängerkrieg" überschrieben.
"Ich bin richtig aufgeregt und ich bin auch als Erste dran, ich hoffe man merkt mir das nicht so an."
"Ich spiele erst seit zwei Jahren Gitarre, aber Musik mache ich schon megalang. Und vor einem Jahr hat mich das so gepackt, dass ich angefangen habe, Songs zu schreiben. Jetzt bin ich hier, einfach ein größeres Publikum und zu sehen, ob sie das mögen."
Die verzagte Nervosität von vorher ist auf der Bühne im Heimathafen Neukölln wie weggeblasen, Nina, 18 Jahre vom Berliner Stadtrand, singt mit voller Stimme. Sie macht gerade Abi und will bald Pharmazie studieren. Dem Publikum und der per Zufall ausgewählten fünfköpfigen Jury gefällt ihr Song "Kartenspiel". Die Juroren haben vorher große Zettel mit Zahlen von eins bis zehn bekommen. Die charmanten und dezent witzigen Moderatoren Sarah Bussoni und Paul Bokowski nehmen ihre Wertung entgegen.
"Eins, zwei, drei: Wertungen hoch bitte, ich sehe eine sieben und noch eine sieben noch eine sieben, eine sechs und eine acht: zusammen 21 Punkte. Einen Applaus für die Künstlerin und nicht für die Wertung."
Die Wettbewerbskultur ist gepflegt
Ein sehr guter Einstand für Nina in diesem sehr freundlichen Sängerkrieg, bei dem dreimal drei Sänger gegeneinander antreten: Aus jeder Gruppe kann nur einer ins Finale einziehen. Auf eine gepflegte Wettbewerbskultur legt der Initiator Tilman Birr trotz des reißerischen Titels Wert. Der Poetry-Slammer, holte den Song-Slam, den er aus Frankfurt und anderen Städten schon kannte, nach Berlin:
"Requisiten sind verboten und wer mit der Lanze kommt, der erhält keinen Einlass."
Es gibt keine strenge Vorauswahl, wer mitmachen möchte, schickt eine Musik von sich. Nur richtige Bands sind beim Song-Slam Tabu. Auf der Bühne des neobarocken Saales steht ein Mikro und man kann sich mit seinem Instrument einstöpseln, das war's. Als Nächstes sind Jan aus Hamburg und Yola aus Berlin dran. In Hildesheim haben sie Musik studiert und das Duo Yola & A Superfluous Man gegründet. Den Song-Slam in der sogenannten Veranstaltungstonne der Moritzbastei in Leipzig haben sie schon mitgemacht, trotzdem: Der Sängerkrieg vor 400 Leuten in Berlin Neukölln ist etwas anderes:
"Leicht beängstigend! Auch mit der Jury, das ist so ein bisschen Terror. Man trifft andere, ist schön aber gleichzeitig, oh Gott, was passiert mir an dem Abend. Eigentlich Nervenkitzel, aber es ist bitter, wenn man nach einem Song weggeschickt wird. Aber es gibt ja Getränkemarken."
Ihr Song "Halfway Through September" über eine Fernbeziehung wird vom Publikum mit üppigem Applaus quittiert, aber was sagt die Jury?
"Ich fange unten an mit einer sieben, eine acht eine neun und ich sehe die erste zehn des heutigen Abends. Gibt zusammen 26 Punkte, damit ist unser erster Finalist des Abends ein Duo namens ... (Applaus)"
Die Konkurrenz ist stark
Die zweite Runde wird eröffnet von der aus Holland stammenden Akkordeonistin Anne. Die 54-Jährige hat schon Bühnenerfahrung, trotzdem muss sie sich überwinden:
"Schrecklich, meistens brauche ich ein bisschen, um reinzukommen. Die Zeit ist einem nicht gegönnt, wenn man nur ein Lied spielen darf. Das ist eine Herausforderung, man kann natürlich ganz viel üben zu Hause und schöne neue Lieder schreiben, aber wenn man die nicht zeigt, dann hat man auch nichts davon."
Ihr schräg-humorvoller Song über die Besessenheit einer Teenager-Liebe kommt gut an, doch die Konkurrenz ist stark. Ebenfalls ins Finale zieht der Brite Brendan Lewes ein, der extra aus Kiel angereist ist.
Der Applaus für Brendan Lewes ist auch bei seinem zweiten Stück enthusiastisch. Im Finale dürfen alle im Saal mitentscheiden, wer den stärksten Applaus bekommt, gewinnt. Dann kommt die Wertung für Yola & A Superfluous Man.
"Wenn ihr aber der Meinung seid: Nein, nein, nur ein Duo kann den 19. Song-Slam im Heimathafen gewinnen und dieses Duo heisst Yola … dann klatscht bitte jetzt."
Das Votum ist eindeutig.
"Also ich fand vor allem der Ausdruck der Yola, das ging alles ineinander über. Auch die Texte, sehr gut gemacht, ein tolles Gesamtpaket, bis zum Schluss. Ich hab mich nicht einmal bewegt, ich war so gespannt." / "Ich fand den ersten Song auch ziemlich stark da hat die Gitarre coole Riffs gespielt und die Stimme war auch super."
Die Getränkemarken nutzen Yola und Jan jetzt nicht zum Runterspülen von Frust, sondern zum Anstoßen:
"Es war superschön, richtig wie weggeblasen werden, von dem Applaus. Also es war richtig schön."