Den Forschern ging ein Licht auf
Eigentlich sollten Forscher an der TU Darmstadt über die Technisierung des Alltags diskutieren. Doch dann kam die Sonnenfinsternis - und mit ihr die Erinnerung daran, dass Naturereignisse größer sind als menschliche Technologie.
"Man sieht halt, wie sich der Mond so langsam vor die Sonne schiebt."
"Wie der Mond."
"Die Sonne sieht wie der Mond aus."
"Ja!"
Der Darmstädter Karolinenplatz, gleich gegenüber der Technischen Universität. Der örtliche Fotoclub hat große Teleskope aufgebaut. Club-Mitglied Michael Gerdon ist begeistert über den ziemlich blauen Himmel über Südhessen:
"Optimal. Ist zwar ein bisschen diesig, aber für die Sonne reicht es allemal."
Es ist zehn Uhr. Langsam schiebt sich der Mond vor die Sonne. Die Studierenden, die trotz der Semesterferien in Darmstadt sind, kommen aus den Institutsgebäuden auf den Platz:
"Jetzt ist hier so ein netter Menschenpult mit Brillen, da habe ich mich gerne dazu gesellt. Es fehlt halt ein Stück von der Sonne und sieht aus wie ein Riesen-Apple-Zeichen ..."
... sagt ein Informatik-Student. Nebenan verlässt ein ganzer Kongress ein Tagungszentrum, um die Sonnenfinsternis zu genießen. Sonnenbrillen gehörten bereits zu den Tagungsunterlagen. Eine spezielle "Sonnenfinsternis-Pause" heute um 10:25 Uhr war bereits von Beginn eingeplant, als sich die rund 120 jungen Sozialforscher versammelten. Obwohl ihre Tagung "Technospaces" heißt und sich mit durch und durch technisierten Lebenswelten beschäftigt, reißt dann das Naturereignis heute Morgen alle mit.
Der Mensch ist nicht der Mittelpunkt der Welt
"Natur ist ja allgegenwärtig und natürlich auch total interessant, vor allem natürlich so ein Phänomen. Das Faszinierende für mich ist, dass das ja wenig oft passiert. Das nächste Mal erlebe ich noch, danach wird es schon eng. Und letztendlich zeigt es uns doch, dass wir vielleicht doch nicht der Mittelpunkt sind."
Michael Gerdon vom Fotoclub lässt Studierende durch sein beeindruckendes Teleskop blicken. Dann beginnt er, über die Endlichkeit des Menschen zu philosophieren:
"Insofern habe ich da sowieso eine etwas andere Sicht, wie der Mensch hier auf diesem Erdtrabanten sich austobt. Wir sind wirklich nur zeitlich begrenzt hier und die Erde wird uns verschmerzen können, wenn wir dann ausgestorben sind."
Für die Technikforscher nebenan endet der Blick in den Himmel schneller als für den Fotoclub. Der Kongress geht weiter. Heute noch wird in Darmstadt ein sogenanntes "Topologisches Manifest" verabschiedet. Die Kernaussage: Wir leben in durch und durch technisierten Räumen.
Doch die Sonnenfinsternis erinnert alle für einen Moment lang daran, das die menschengemachte Welt nicht alles ist.
"Da ist eigentlich das Wesentliche: dass wir nicht der Mittelpunkt sind."