Sonntagspredigt über Baseball
John Grisham ist bekannt geworden durch seine spannenden Justiz-Thriller. Jetzt widmet der amerikanische Autor seiner Lieblingssportart einen Roman: dem Baseball. Die Sportart wird diesseits des Atlantiks nur schwer verstanden, das Buch ist moraldurchtränkt und hat Längen.
Das Unverständlichste an der amerikanischen Kultur ist das Baseballspiel. Nicht das Baseballspiel an sich, das ja durchaus begreifbaren Grundmustern folgt, sondern die Tatsache, dass es möglich ist, Baseball spannend zu finden. Umgekehrt geht es den Amerikanern mit Fußball ja ganz ähnlich. Folglich müsste die Übersetzung eines Baseball-Romans nicht nur die Sprache, sondern auch die Kultur und mit ihr die Sportart wechseln, um angemessen rezipiert werden zu können. Zum aktuellen Geschehen gehört eben auch das Wissen um die Geschichte mit ihren Traditionen, Rekorden, Statistiken, mit all den Höhen und Tiefen der einzelnen Vereine und ihren Stars, Durchschnittsspielern und tragischen Helden.
Vielleicht ist John Grishams "Home Run" also für amerikanische Leser eine Lektüre, die ihnen erlaubt, in Erinnerungen zu schwelgen und die Fiktion des Romangeschehens mit der Wirklichkeit zu vergleichen. Grisham ist ein großer Baseballfan, der in seiner Kindheit davon träumte, ein großer Baseball-Star zu werden. Stattdessen wurde er Anwalt und schließlich Bestsellerautor, der seine juristischen Erfahrungen für erstklassige Justiz-Thriller nutzte und mit Romanen wie "Die Firma" oder "Die Akte" zum meistverkauften US-Autor der 90er-Jahre wurde.
Good guy versus bad guy
Baseball aber ist ein anderes Genre. Spannung und "Suspense" sind nicht so leicht herstellbar, wenn es um ein fiktives Spiel aus dem Jahr 1973 geht. Wie im Showdown eines Western stehen sich da auf dem Feld der good guy und der bad guy gegenüber. Der Gute heißt Joe Castle, ein Jung-Star, der in seinen ersten Spielen einen Home Run nach dem anderen erzielte und sämtliche Rekorde der Major League gebrochen hat. Der Finstere heißt Warren Tracey, ist ein mittelbegabter Werfer, dafür bekannt, auf Körper und Kopf des Schlagmanns zu zielen, um ihn "out" zu machen. So geschieht es auch hier; doch Joe Castle erholt sich vom Kopftreffer nicht mehr. Wochenlang liegt er im Koma und bleibt halbseitig gelähmt. Seine Karriere ist zu Ende. Den Rest seines Lebens verbringt er damit, tagtäglich den Baseballplatz in seiner Heimatstadt irgendwo in Arkansas zu mähen.
Die Geschichte wird erzählt von Warren Traceys Sohn Paul, 30 Jahre danach, in ausführlichen Rückblenden, während Paul sich aufmacht, eine späte Versöhnung zwischen den damaligen Kontrahenten in die Wege zu leiten. Dabei verbindet ihn nichts mit dem Vater, an den er nur schreckliche Erinnerungen hat. Doch jetzt, wo der Vater an Krebs erkrankt ist und nicht mehr lange zu leben hat, reist er zu ihm, um ihm ein Gespräch mit Joe Castle nebst Entschuldigung nahezubringen. Die Frage, ob ihm das gelingt, erzeugt ein kleines bisschen Spannung, auch wenn dann doch alles so abläuft, wie das erwartbare Drehbuch es vorschreibt. Paul ist ansonsten ein ziemlicher Langweiler ohne Fehl und Tadel, ein Softwarespezialist mit blitzsauberer Familie.
Sentimentaler Quatsch
Da der Roman von Moral durchtränkt ist, hält sich der Handlungsspielraum in erwartbaren Grenzen. Als bekennender Baptist hat John Grisham eine klare Botschaft: Vergebung ist möglich. Auch nach einem ganz und gar verfehlten Leben darf man nach einer Geste des Bedauerns vielleicht doch auf so etwas wie Gnade hoffen. Das ist natürlich sentimentaler Quatsch, jedenfalls eher Stoff für eine Sonntagspredigt als für ambitionierte Literatur. Vielleicht ist die schlichte Moral mit ihrem unbedarften Versöhnungsglück und ihrer Mittelstandszufriedenheit aber auch bloß so amerikanisch wie das Baseballspiel selbst.
Besprochen von Jörg Magenau
Vielleicht ist John Grishams "Home Run" also für amerikanische Leser eine Lektüre, die ihnen erlaubt, in Erinnerungen zu schwelgen und die Fiktion des Romangeschehens mit der Wirklichkeit zu vergleichen. Grisham ist ein großer Baseballfan, der in seiner Kindheit davon träumte, ein großer Baseball-Star zu werden. Stattdessen wurde er Anwalt und schließlich Bestsellerautor, der seine juristischen Erfahrungen für erstklassige Justiz-Thriller nutzte und mit Romanen wie "Die Firma" oder "Die Akte" zum meistverkauften US-Autor der 90er-Jahre wurde.
Good guy versus bad guy
Baseball aber ist ein anderes Genre. Spannung und "Suspense" sind nicht so leicht herstellbar, wenn es um ein fiktives Spiel aus dem Jahr 1973 geht. Wie im Showdown eines Western stehen sich da auf dem Feld der good guy und der bad guy gegenüber. Der Gute heißt Joe Castle, ein Jung-Star, der in seinen ersten Spielen einen Home Run nach dem anderen erzielte und sämtliche Rekorde der Major League gebrochen hat. Der Finstere heißt Warren Tracey, ist ein mittelbegabter Werfer, dafür bekannt, auf Körper und Kopf des Schlagmanns zu zielen, um ihn "out" zu machen. So geschieht es auch hier; doch Joe Castle erholt sich vom Kopftreffer nicht mehr. Wochenlang liegt er im Koma und bleibt halbseitig gelähmt. Seine Karriere ist zu Ende. Den Rest seines Lebens verbringt er damit, tagtäglich den Baseballplatz in seiner Heimatstadt irgendwo in Arkansas zu mähen.
Die Geschichte wird erzählt von Warren Traceys Sohn Paul, 30 Jahre danach, in ausführlichen Rückblenden, während Paul sich aufmacht, eine späte Versöhnung zwischen den damaligen Kontrahenten in die Wege zu leiten. Dabei verbindet ihn nichts mit dem Vater, an den er nur schreckliche Erinnerungen hat. Doch jetzt, wo der Vater an Krebs erkrankt ist und nicht mehr lange zu leben hat, reist er zu ihm, um ihm ein Gespräch mit Joe Castle nebst Entschuldigung nahezubringen. Die Frage, ob ihm das gelingt, erzeugt ein kleines bisschen Spannung, auch wenn dann doch alles so abläuft, wie das erwartbare Drehbuch es vorschreibt. Paul ist ansonsten ein ziemlicher Langweiler ohne Fehl und Tadel, ein Softwarespezialist mit blitzsauberer Familie.
Sentimentaler Quatsch
Da der Roman von Moral durchtränkt ist, hält sich der Handlungsspielraum in erwartbaren Grenzen. Als bekennender Baptist hat John Grisham eine klare Botschaft: Vergebung ist möglich. Auch nach einem ganz und gar verfehlten Leben darf man nach einer Geste des Bedauerns vielleicht doch auf so etwas wie Gnade hoffen. Das ist natürlich sentimentaler Quatsch, jedenfalls eher Stoff für eine Sonntagspredigt als für ambitionierte Literatur. Vielleicht ist die schlichte Moral mit ihrem unbedarften Versöhnungsglück und ihrer Mittelstandszufriedenheit aber auch bloß so amerikanisch wie das Baseballspiel selbst.
Besprochen von Jörg Magenau
John Grisham: Home Run
Roman. Aus dem Amerikanischen von Bea Reiter.
Heyne, München 2013
270 Seiten, 17,99 Euro
Roman. Aus dem Amerikanischen von Bea Reiter.
Heyne, München 2013
270 Seiten, 17,99 Euro