"Ich musste stets mit mir selbst zufrieden sein"
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Er gehörte als Pionier des "Modern Jazz" über Jahrzehnte zu den stilbildenden Saxofonisten: Sonny Rollins. Gesundheitlich angeschlagen zog er sich vor einigen Jahren zurück. Nun feiert er seinen 90. Geburtstag.
Konzerte von Sonny Rollins waren immer ein großes Ereignis. Natürlich auch, weil sie zumindest im Spätwerk so selten stattfanden. Vor allem aber, weil der Saxofonist auf der Bühne viele Dinge vereinte, die erstklassigen Jazz ausmachen: einen satten kräftigen Ton auf dem Instrument zum Beispiel sowie eine unglaubliche Fantasie in der Herangehensweise an die gespielten Stücke und an die ausgedehnten Soli.
"Bei einem einzigen Konzert", sagte Rollins einmal, "lernst du mehr, als wenn du sechs Monate zu Hause übst. Dort ist alles sehr kondensiert. Es ist die perfekte Erfahrung. Dabei habe ich nie etwas von meinem Publikum erwartet, ich musste stets mit mir selbst zufrieden sein."
Förderer und Freund: Miles Davis
Wichtige Starthilfe für seine Karriere bekam Rollins in jungen Jahren immer wieder von Miles Davis, der ihn schon Anfang der 50er-Jahre in seine Bands holte und auch noch später eine hohe Meinung von ihm hatte. In seiner Autobiografie schrieb Davis:
"Sonny Rollins war bei den jüngeren Musikern in Harlem wahnsinnig beliebt. Jeder mochte ihn. Er war eine Legende, für die jüngeren Musiker fast schon ein Gott. Manche sagten sogar, dass er genauso gut Saxofon spielte, wie Bird (also wie Charlie Parker). Ich weiß nur eines: Er spielte fast so gut. Er war ein aggressiver, kreativer Bläser mit ungewöhnlichen musikalischen Ideen."
Die "Freedom Suite" als politisches Statement
Ende der 50er-Jahre, als die Bürgerrechtsbewegung in den USA sich erst noch formieren musste, legte Rollins bereits ein Album vor, das ein deutliches Statement gegen Unterdrückung und Rassismus war: die "Freedom Suite".
Im Text zum Album schrieb er: "Die USA haben sehr viel von der Kultur der Schwarzen übernommen. Die Umgangssprache, den Humor, die Musik. Umso ironischer ist es, dass die Afroamerikaner noch immer verfolgt und unterdrückt werden."
Weiterbildung auf der Brücke
Nachdem Rollins schon ganz oben in der Spitze des US-Jazz angekommen war, unterbrach er, für Außenstehende sehr überraschend, seine Karriere. Drei Jahre lang trat er nicht mehr auf, ging nicht mehr ins Studio und war auch nicht mehr telefonisch zu erreichen.
Wer ihn in dieser Zeit suchte, fand ihn auf der Williamsburg Bridge in New York. Dort übte er täglich 15 bis 16 Stunden, egal ob es Sommer oder Winter war.
Rollins wollte seine Nachbarn nicht stören, deswegen stellte er sich auf diese Brücke. Aber der Hauptgrund für seine Auszeit war ein anderer. Der einstige Autodidakt wollte noch einmal systematischer an seinem Saxofonspiel arbeiten. Er hatte das Gefühl, dass er noch mehr lernen müsse. Er hatte immer wieder die Sehnsucht nach einer richtigen Ausbildung, deswegen nahm er diese Auszeit. Dann meldete er sich zurück mit einem neuen Quartettalbum: "The Bridge".
International erfolgreich
Die Jazzrevolution mag an dieser Stelle ausgeblieben sein, aber Rollins war nun wieder einer der wichtigsten Saxofonisten weltweit. Sein mächtiger Sound war unüberhörbar. Er gastierte auf den wichtigsten Festivals und begeisterte ein immer größer werdendes Publikum, vor allem auch in Europa und in Japan.
Jahrzehntelang, bis weit in die 2010er-Jahre, war Rollins eine der großen Konstanten des internationalen Jazz. In den letzten Jahren allerdings machte ihm seine Lunge immer mehr zu schaffen. Voller Verzweiflung stellte er fest: Er kann sein Instrument nicht mehr spielen, schon gar nicht auf seinem hohen Niveau.
Krankheitsbedingter Rückzug
Mit großer Dankbarkeit blickt Rollins dennoch auf ein erfülltes Leben zurück und findet zugleich Halt in der Spiritualität, die er jahrzehntelang verinnerlicht hat:
"Wenn ein Mensch an sein kreatives Ende kommt, geht es im nächsten Leben weiter. Es ist das Ende eines Kapitels, aber alles, was Du gemacht hast, bereitet Dich nur auf das nächste Kapitel vor. So einfach ist das."