"Sonst werden die Verhandlungen scheitern"
Der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Fritz Kuhn, hat von Union und FDP verlangt, sich bei den Hartz IV-Gesprächen zu bewegen und mit einem Scheitern der Verhandlungen gedroht.
Marietta Schwarz: Die letzte Spitzenrunde zur Verhandlung der Hartz-IV-Regelsätze ist vergangene Woche fast ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Koalition und Opposition konnten sich lediglich darauf einigen, das Bildungspaket für Kinder, das auch verhandelt wird, in den Kommunen anzusiedeln. Es geht in diesem Streit ja um ein Sammelsurium von Themen: Mindestlöhne für Leiharbeiter und Sondererstattung für Langzeitarbeitslose gehören auch dazu. Am 11. Februar soll das neue Hartz-IV-Gesetz den Bundesrat passieren, nächsten Sonntag tagen die Verhandlungsführer erneut. Und Fritz Kuhn, für die Grünen am Verhandlungstisch und deren stellvertretender Fraktionsvorsitzender, sagt, wenn sich dann nichts ändert, scheitern die Verhandlungen durch die Bockigkeit von Schwarz-Gelb. Herr Kuhn, was soll sich denn jetzt schnell konkret ändern?
Fritz Kuhn: Nun, bereits bei der letzten Verhandlung hat uns ja die FDP und die CDU erklärt, dass sie ihre Position noch abstimmen müssen. Das heißt im Klartext, sie haben bei der Mindestlohnfrage, insbesondere bei der Zeitarbeit, noch keine gemeinsame Position, und sie haben bislang bei den Regelsätzen nichts vorgelegt, was einen Kompromisscharakter in unsere Richtung haben könnte. Man muss ja wissen: Vermittlungsausschuss bedeutet, Schwarz-Gelb hat im Bundesrat einfach keine Mehrheit und muss jetzt durch Kompromisse versuchen, aus dem rot-grünen Bereich Stimmen zu bekommen, also eine Mehrheit zu erzeugen. Das haben sie bisher nicht gemacht, sie haben lausig verhandelt, bei der FDP weiß man übrigens gar nicht, ob jemand die Hosen anhat, manchmal redet der Herr Lindner – zur Erinnerung, der ist Geschäftsführer der Partei –, manchmal redet der Herr Kolb, der am Tisch sitzt, aber letzten Endes hat die FDP keine einheitliche Position. Und das muss sich ändern, sonst werden die Verhandlungen scheitern.
Schwarz: Immerhin haben sich aber FDP und Union bewegt, die FDP in der Frage der Mindestlöhne, die Union in der Frage des Bildungspakets. Nur die Opposition blockt. Wollen Sie mal ein bisschen die Muskeln spielen lassen?
Kuhn: Also ich sehe nicht, wo sich die FDP beim Mindestlohn bewegt hätte. Sie haben absurde Forderungen aufgestellt, nämlich bei der Leiharbeit, gleicher Lohn für gleiche Arbeit nach zwölf Monaten. So lange geht das Gros der Leiharbeitsverhältnisse gar nicht, also das ist kein Kompromiss. Sie haben in der Beschreibung Ihrer Frage einen Punkt, den ich nicht teile, nämlich: Rot-Grün hat sich dauernd bewegt. Wir haben ja viel weiter gehende Positionen, Beispiel: Beim Mindestlohn wollen wir einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn; wir haben diese Position nicht inhaltlich aufgegeben, aber glauben nicht daran, dass wir die in dem Vermittlungskompromissverfahren durchkriegen können. Wir haben andere, viel weiter gehende Forderungen bei den Regelsätzen und verhandeln unterhalb dieser Forderungen, weil wir wissen, was Kompromisse sind. Also Rot und Grün einen Maximalismus in diesen Verhandlungen vorzuwerfen, das ginge völlig vorbei. Entscheidend ist, dass die CDU und die FDP jetzt mal was auf den Tisch legen müssen und nicht nur sagen, der Gesetzentwurf ist unser Vorschlag. Denn der hat ja keine Mehrheit.
Schwarz: Sie, die Opposition, also SPD und Grüne, haben ja die Hartz-Reform durch das Thema Mindestlöhne künstlich aufgebläht. Jetzt drohen die Regelsätze für Langzeitarbeitslose auf der Strecke zu bleiben. Vielleicht hätte man sich dann doch lieber auf das Wesentliche konzentrieren sollen, um dann beim Wesentlichen auch etwas zu erreichen?
Kuhn: Dass das Thema Mindestlohn auf der Tagesordnung steht, hat nichts Künstliches, da muss ich Ihnen widersprechen. Das Verfassungsgerichtsurteil sagt ja, man kann den Lohnabstand nicht mehr über das Senken der Grundsicherung, also des Hartz-IV-Geldes erreichen. Und deswegen bleibt nur die Möglichkeit Mindestlöhne zu schaffen, sodass man nicht, weil es so viele Schmutzlöhne in Deutschland noch gibt und man den Lohnabstand halten will, die Grundsicherung des Hartz-IV-Geldes senken muss. Man verhandelt also nicht künstlich, sondern es gibt einen inneren logischen Zusammenhang zwischen der Frage, wie hoch soll in Deutschland das Existenzminimum sein, das ja Karlsruhe eingefordert hat, und was folgt daraus für das Lohnabstandsgebot? Und da ist die logische Folge: Wir brauchen jetzt endlich vernünftige Mindestlöhne. Wir sagen in diesem Verfahren, wenigstens bei der Zeitarbeit, weil eine Million Menschen da betroffen sind und das schon einen Fortschritt bringen würde, wenn wir hier zu einer Einigung kämen.
Schwarz: Ich höre jetzt dauernd das Wort Mindestlöhne. Von den Regelsätzen, das, um das es eigentlich geht, wird mir ein bisschen zu wenig gesprochen.
Kuhn: Nein, wir können gern über die Regelsätze reden. Da geht es darum, dass Karlsruhe gesagt hat, das muss ein transparentes Verfahren sein und es muss ein Verfahren sein, das zu einem menschenwürdigen Existenzminimum für alle, die in der Grundsicherung leben und Arbeitslosengeld II beziehen, führt. Und wir sind der Überzeugung, dass dieses Verfahren nicht auf dem Tisch liegt, die Bundesregierung, die Frau von der Leyen hat eher nach Kassenlage gerechnet, das heißt, wie viel legt Schäuble auf den Tisch. So rechnet sie die Regelsätze aus. Und deswegen sagen wir, auch in diesem Feld, und das ist nicht nachrangig, sondern gleichrangig, muss es substanzielle Verbesserung geben.
Schwarz: Aber am Ende kann doch nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden über Transparenz?
Kuhn: Nein, so läuft es ja nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat ja klare Vorgaben gemacht, was sie sich darunter vorstellen, zum Beispiel dass sie die Statistikmethode, wie man das ausrechnet, akzeptieren. Aber dann muss die Regierung dem auch nachkommen. Das Verfassungsgericht entscheidet ja nicht über die Regelsätze, sondern nur darüber, ob die, die dann am Schluss Gesetz werden, mit der Verfassung übereinstimmen. Und das ist unsere Sorge, dass das der bestehende Gesetzentwurf noch nicht tut. Deswegen stehen die Regelsätze. Und wie sie zustande kommen und, was zum Existenzminimum gerechnet wird und was nicht, für uns gleichrangig wie Mindestlohn und Bildungspaket auf der Tagesordnung der Verhandlungen nächsten Sonntag. Und da darf man nicht, wie Schwarz-Gelb es bislang getan hat, blockieren, sondern muss sich bewegen. Das ist der entscheidende Punkt. Frau von der Leyen muss aus der Blockadeecke jetzt raus und was auf den Tisch legen. Kann sie schon in der Woche machen, kann sie am Sonntagabend machen, aber wenn sie ein Ja der Opposition und von Rot-Grün will, dann muss wirklich Bewegung rein.
Schwarz: Die Opposition, die stellt sich jetzt so ein bisschen als die wahren Helden dar. Wir erinnern uns, seinerzeit wurde das Gesetz ja von SPD und Grünen so verkorkst erst ins Leben gerufen. Was ist denn damals eigentlich falsch gemacht worden?
Kuhn: Also wahren Helden gibt es in einem Vermittlungsverfahren nicht. Das Vermittlungsverfahren ist ein Kompromissverfahren, das zum Heldentum als solchem nicht geeignet ist. Damals sind die Regelsätze zu pauschal berechnet worden und meines Erachtens in der Höhe auch falsch. Das hat Karlsruhe kassiert, da hat Rot-Grün eins auf die Mütze bekommen, auch Schwarz und Gelb, weil die ja damals im Bundesrat zugestimmt haben im Vermittlungsverfahren. Und das ist ja gerade der Punkt unserer Sorge. Ich meine, Sie können zur Not einmal in Karlsruhe verlieren, aber zweimal hintereinander beim gleichen Gegenstand, das ist ja wohl absurd. Das würde in der Tat Karlsruhe dann zum Oberschiedsrichter aller politischen Entscheidungen machen. Und deswegen muss der Gesetzentwurf diesmal verfassungskonform sein, und da kann man es plausibler machen oder weniger plausibel.
Schwarz: Fritz Kuhn, stellvertretender Grünen-Fraktionsvorsitzender, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Kuhn: Ich danke Ihnen.
Fritz Kuhn: Nun, bereits bei der letzten Verhandlung hat uns ja die FDP und die CDU erklärt, dass sie ihre Position noch abstimmen müssen. Das heißt im Klartext, sie haben bei der Mindestlohnfrage, insbesondere bei der Zeitarbeit, noch keine gemeinsame Position, und sie haben bislang bei den Regelsätzen nichts vorgelegt, was einen Kompromisscharakter in unsere Richtung haben könnte. Man muss ja wissen: Vermittlungsausschuss bedeutet, Schwarz-Gelb hat im Bundesrat einfach keine Mehrheit und muss jetzt durch Kompromisse versuchen, aus dem rot-grünen Bereich Stimmen zu bekommen, also eine Mehrheit zu erzeugen. Das haben sie bisher nicht gemacht, sie haben lausig verhandelt, bei der FDP weiß man übrigens gar nicht, ob jemand die Hosen anhat, manchmal redet der Herr Lindner – zur Erinnerung, der ist Geschäftsführer der Partei –, manchmal redet der Herr Kolb, der am Tisch sitzt, aber letzten Endes hat die FDP keine einheitliche Position. Und das muss sich ändern, sonst werden die Verhandlungen scheitern.
Schwarz: Immerhin haben sich aber FDP und Union bewegt, die FDP in der Frage der Mindestlöhne, die Union in der Frage des Bildungspakets. Nur die Opposition blockt. Wollen Sie mal ein bisschen die Muskeln spielen lassen?
Kuhn: Also ich sehe nicht, wo sich die FDP beim Mindestlohn bewegt hätte. Sie haben absurde Forderungen aufgestellt, nämlich bei der Leiharbeit, gleicher Lohn für gleiche Arbeit nach zwölf Monaten. So lange geht das Gros der Leiharbeitsverhältnisse gar nicht, also das ist kein Kompromiss. Sie haben in der Beschreibung Ihrer Frage einen Punkt, den ich nicht teile, nämlich: Rot-Grün hat sich dauernd bewegt. Wir haben ja viel weiter gehende Positionen, Beispiel: Beim Mindestlohn wollen wir einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn; wir haben diese Position nicht inhaltlich aufgegeben, aber glauben nicht daran, dass wir die in dem Vermittlungskompromissverfahren durchkriegen können. Wir haben andere, viel weiter gehende Forderungen bei den Regelsätzen und verhandeln unterhalb dieser Forderungen, weil wir wissen, was Kompromisse sind. Also Rot und Grün einen Maximalismus in diesen Verhandlungen vorzuwerfen, das ginge völlig vorbei. Entscheidend ist, dass die CDU und die FDP jetzt mal was auf den Tisch legen müssen und nicht nur sagen, der Gesetzentwurf ist unser Vorschlag. Denn der hat ja keine Mehrheit.
Schwarz: Sie, die Opposition, also SPD und Grüne, haben ja die Hartz-Reform durch das Thema Mindestlöhne künstlich aufgebläht. Jetzt drohen die Regelsätze für Langzeitarbeitslose auf der Strecke zu bleiben. Vielleicht hätte man sich dann doch lieber auf das Wesentliche konzentrieren sollen, um dann beim Wesentlichen auch etwas zu erreichen?
Kuhn: Dass das Thema Mindestlohn auf der Tagesordnung steht, hat nichts Künstliches, da muss ich Ihnen widersprechen. Das Verfassungsgerichtsurteil sagt ja, man kann den Lohnabstand nicht mehr über das Senken der Grundsicherung, also des Hartz-IV-Geldes erreichen. Und deswegen bleibt nur die Möglichkeit Mindestlöhne zu schaffen, sodass man nicht, weil es so viele Schmutzlöhne in Deutschland noch gibt und man den Lohnabstand halten will, die Grundsicherung des Hartz-IV-Geldes senken muss. Man verhandelt also nicht künstlich, sondern es gibt einen inneren logischen Zusammenhang zwischen der Frage, wie hoch soll in Deutschland das Existenzminimum sein, das ja Karlsruhe eingefordert hat, und was folgt daraus für das Lohnabstandsgebot? Und da ist die logische Folge: Wir brauchen jetzt endlich vernünftige Mindestlöhne. Wir sagen in diesem Verfahren, wenigstens bei der Zeitarbeit, weil eine Million Menschen da betroffen sind und das schon einen Fortschritt bringen würde, wenn wir hier zu einer Einigung kämen.
Schwarz: Ich höre jetzt dauernd das Wort Mindestlöhne. Von den Regelsätzen, das, um das es eigentlich geht, wird mir ein bisschen zu wenig gesprochen.
Kuhn: Nein, wir können gern über die Regelsätze reden. Da geht es darum, dass Karlsruhe gesagt hat, das muss ein transparentes Verfahren sein und es muss ein Verfahren sein, das zu einem menschenwürdigen Existenzminimum für alle, die in der Grundsicherung leben und Arbeitslosengeld II beziehen, führt. Und wir sind der Überzeugung, dass dieses Verfahren nicht auf dem Tisch liegt, die Bundesregierung, die Frau von der Leyen hat eher nach Kassenlage gerechnet, das heißt, wie viel legt Schäuble auf den Tisch. So rechnet sie die Regelsätze aus. Und deswegen sagen wir, auch in diesem Feld, und das ist nicht nachrangig, sondern gleichrangig, muss es substanzielle Verbesserung geben.
Schwarz: Aber am Ende kann doch nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden über Transparenz?
Kuhn: Nein, so läuft es ja nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat ja klare Vorgaben gemacht, was sie sich darunter vorstellen, zum Beispiel dass sie die Statistikmethode, wie man das ausrechnet, akzeptieren. Aber dann muss die Regierung dem auch nachkommen. Das Verfassungsgericht entscheidet ja nicht über die Regelsätze, sondern nur darüber, ob die, die dann am Schluss Gesetz werden, mit der Verfassung übereinstimmen. Und das ist unsere Sorge, dass das der bestehende Gesetzentwurf noch nicht tut. Deswegen stehen die Regelsätze. Und wie sie zustande kommen und, was zum Existenzminimum gerechnet wird und was nicht, für uns gleichrangig wie Mindestlohn und Bildungspaket auf der Tagesordnung der Verhandlungen nächsten Sonntag. Und da darf man nicht, wie Schwarz-Gelb es bislang getan hat, blockieren, sondern muss sich bewegen. Das ist der entscheidende Punkt. Frau von der Leyen muss aus der Blockadeecke jetzt raus und was auf den Tisch legen. Kann sie schon in der Woche machen, kann sie am Sonntagabend machen, aber wenn sie ein Ja der Opposition und von Rot-Grün will, dann muss wirklich Bewegung rein.
Schwarz: Die Opposition, die stellt sich jetzt so ein bisschen als die wahren Helden dar. Wir erinnern uns, seinerzeit wurde das Gesetz ja von SPD und Grünen so verkorkst erst ins Leben gerufen. Was ist denn damals eigentlich falsch gemacht worden?
Kuhn: Also wahren Helden gibt es in einem Vermittlungsverfahren nicht. Das Vermittlungsverfahren ist ein Kompromissverfahren, das zum Heldentum als solchem nicht geeignet ist. Damals sind die Regelsätze zu pauschal berechnet worden und meines Erachtens in der Höhe auch falsch. Das hat Karlsruhe kassiert, da hat Rot-Grün eins auf die Mütze bekommen, auch Schwarz und Gelb, weil die ja damals im Bundesrat zugestimmt haben im Vermittlungsverfahren. Und das ist ja gerade der Punkt unserer Sorge. Ich meine, Sie können zur Not einmal in Karlsruhe verlieren, aber zweimal hintereinander beim gleichen Gegenstand, das ist ja wohl absurd. Das würde in der Tat Karlsruhe dann zum Oberschiedsrichter aller politischen Entscheidungen machen. Und deswegen muss der Gesetzentwurf diesmal verfassungskonform sein, und da kann man es plausibler machen oder weniger plausibel.
Schwarz: Fritz Kuhn, stellvertretender Grünen-Fraktionsvorsitzender, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Kuhn: Ich danke Ihnen.