Bittere Niederlage für die Freiheit der Kunst
Man wünschte sich, es sei Satire, Pegida aber ist bitter ernst gemeint - die WELT versucht sich an einer Polemik. Das andere ist Satire, wurde nur leider völlig falsch verstanden: Wegen des Hack-Angriffs legt Sony den Kinostart von "The Interview" komplett auf Eis. Dabei ist der Film "smart", wie in der SZ zu lesen ist - und bietet die beste Slapstick-Szene des gesamten Kinojahres.
"Nein, ich bin kein besonderer 'Freund der arabischen Kultur' ebenso wenig wie jenes ostdeuschen Brauchtums, dessen sächsische und erzgebirglerische 'Räuchermänneln" inzwischen jeden Montag herumschimpfend die Straßen der Dresdner Innenstadt füllen", schickt Marko Martin in der WELT seiner folgenden Polemik "Sachsen und Araber" voraus.
Aus Minderwertigkeitskomplexen geborener Kulturalismus
Die "Pegida"-Anhänger und die "unflätigen", "nicht integrierten" "arabischen Jugendlichen" hätten einiges gemeinsam: "Mit Nazismus versus Islamismus hat das meistens weniger zu tun als mit einem verschwitzten, aus Minderwertigkeitskomplexen geborenen Kulturalismus, einem selbstzufriedenen Hocken in selbstgebastelter Parallelwelt", schreibt Martin. Und weiter: "Da schwingen eben die einen zu den Songs der Nichtstimme Helene Fischer ihre Wampen, die anderen fahren sich mit hochgefeiltem kleinen Fingernagel ins Ohr und intonieren bei reichlich Baklava-Kohlenhydrat-Zufuhr ihre aus Lautsprechern krähenden Habibi-ya-Habibi-Gesänge."
Von den selbsternannten Wächtern des Abendlandes zu den selbsternannten "Wächtern des Friedens". "Guardians of Peace" nennen sie sich, die Hacker, die vor allem Zerstörung angerichtet und Angst verbreitet haben. Allem Anschein nach im Auftrag der Führung Nordkoreas haben sie die Computer des Filmkonzerns Sony Pictures angegriffen, um die Veröffentlichung der US-amerikanischen Kino-Komödie "The Interview" zu verhindern, in der der Staatschef Kim Jong-Un ermordet werden soll.
Vielleicht wird "The Interview" nie öffentlich gezeigt
Die Hacker stellten die erbeuteten internen Daten einfach ins Internet, darunter Informationen zum neuen James-Bond-Film und Gehaltsabrechnungen von Mitarbeitern des Filmstudios. Doch damit nicht genug, wie Dietmar Dath in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG berichtet: "Die hackenden 'Guardians', die von Satire offenkundig weniger verstehen als Till Eulenspiegel von Computerkryptographie, haben den Urhebern der gewiss nicht besonders gefährlichen Klamotte und allen, die sie irgendwie unterstützen, mit Mord gedroht." Nun hat Sony, kurz vor dem Kinostart in den USA und eineinhalb Monate vor dem in Deutschland, den Film komplett auf Eis gelegt. Die Kinobetreiber in den USA hatten Angst, ihn zu zeigen. Vielleicht wird der Film niemals öffentlich zu sehen sein.
Es ist das beherrschende Thema der Feuilletons vom Freitag. Hanns-Georg Rodek zitiert in der WELT Michael Moore mit den an die Hacker gerichteten Worten: "Nun, da ihr Hollywood regiert, hätte ich auch gern weniger romantische Komödien, Michael-Bay-Filme und keine weiteren 'Transformer'." Daniel Haufler spricht in der BERLINER ZEITUNG von einer "bitteren Niederlage für die Freiheit der Kunst" und empfiehlt den US-amerikanischen Kinobetreibern, in Anspielung auf den bekennenden Marihuana-Konsumenten Seth Rogen, Regisseur und Schauspieler des Films, "ein bisschen mehr [zu] kiffen, um die Realität entspannter zu sehen".
Eine smarte Selbstparodie des Showbusiness
David Steinitz gehört zu den glücklichen Kritikern, die den Film noch in einer Pressevorführung sehen konnten. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG schreibt er: "Was also ist das für ein Monster von einem Film, den Menschen mit Hacker-Angriffen und Terrordrohungen verhindern wollen? Zunächst einmal: Es ist ein sehr lustiger Film – und vor allem viel mehr eine smarte Selbstparodie des US-Showbusiness als eine Herabwürdigung Nordkoreas."
Ein von James Franco gespielter koksender Talkmaster und der Produzent der Sendung haben ein Exklusivinterview mit Kim Jong-Un bekommen und werden daraufhin von der CIA beauftragt, den Diktator zu ermorden. Allerdings empfindet der Talkmaster den Diktator zunächst als grandiosen Kumpel. In den Worten von SZ-Autor Steinitz: "Wie James Franco und der famose Kim-Darsteller Randall Park dann in herzlichster Männerfreundschaft vereint Arm in Arm im Panzer durchs nordkoreanische Hinterland brettern und brüllend laut [Katy] Perrys 'Firework' hören, ist definitiv die beste Slapstick-Szene des ganzen Kinojahres."