Urheberrechtsklage von Sony gegen Internetdienst Quad9

„Totale globale Zensur"

07:28 Minuten
Illustration mit Richterhammer
Sony zieht gegen Quad9 vor Gericht © picture alliance / Zoonar
Adrienne Fichter im Gespräch mit Vera Linß und Martin Böttcher |
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Weil er auf eine Website mit urheberrechtlich illegalen Inhalten weiterleitet, wird der Dienst Quad9 verklagt. Es ist ein Kampf mit ungleichen Mitteln – zwischen dem Musikriesen Sony und einer Stiftung. Auf dem Spiel stehe auch das freie Internet.
Quad9 ist ein sogenannter DNS-Resolver. Diese Programme leisten quasi Vermittlungsdienste: Gibt man den Namen einer Website in den Browser ein, dann hilft der DNS-Resolver dabei, den Nutzer mit dieser Website zu verbinden.
Normalerweise werden solche DNS-Dienste von großen Tech-Unternehmen angeboten, zum Beispiel von Google oder dem Unternehmen Cloudflare.
Quad9 ist eine Ausnahmeerscheinung mit nur einem Prozent Marktanteil. Die Stiftung bietet ihren Dienst kostenlos in neunzig Ländern an und hat das Ziel, den datenschutzfreundlichsten und sichersten DNS-Resolver zur Verfügung zu stellen.  

Sony klagt wegen Urheberrechtsverletzung

Grundsätzlich fragen DNS-Resolver nicht, ob Inhalte auf Websites stehen dürfen oder nicht – sie leiten einfach weiter.
So war es auch in dem Fall, der vor dem Landgericht Hamburg gelandet ist: Zwei Userinnen haben auf einer Piraterie-Plattform ein Album der Alternative-Rockband Evanescence hochgeladen – das Label Sony Music vertritt die Band. Diese Plattform und damit auch die illegale Datei sind unter anderem über den DNS-Resolver von Quad9 abrufbar.
Das Label klagt nun wegen einer Urheberrechtsverletzung gegen die Schweizer Stiftung. Es stellt sich die Frage, warum Sony Music nicht gegen die Personen vorgeht, die das Album online gestellt haben?
Quad9 habe als ein Infrastrukturanbieter, der weit am Ende der Lieferkette stehe, mit der Urheberrechtsverletzung nicht direkt zu tun, sagt Adrienne Fichter.

Mitverantwortlich für die Rechtsverletzung

„Es ist natürlich naheliegender, dass man zuerst Druckversuche macht gegenüber den anderen Anlaufstellen, die die Urheberrechtsverletzung schlussendlich begangen haben", sagt Fichter. "Also, die Betreiberin der Piraterieplattform, der Domain-Registrar oder der Hosting-Anbieter, der den Speicherplatz zur Verfügung stellt. Das sind die Akteure, die nahe bei der Urheberrechtsverletzung sind“, stellt die Journalistin fest.
Trotzdem hat das Hamburger Landgericht Sony Music recht gegeben. Quad9 sei eigentlich keine Täterin, aber eine Störerin und damit mitverantwortlich für die Rechtsverletzung, urteilte das Gericht.
In Deutschland gilt das Prinzip der Störerhaftung: dass also auch indirekt beteiligte Unternehmen bei einer Rechtsverletzung belangt werden können. Deswegen hat Sony den Fall in Deutschland vor Gericht gebracht.
Die Tech-Journalistin sagt, das Vorgehen "ist schon etwas fragwürdig.“

"Die Stiftung ist ein leichtes Opfer"

Doch warum wird eine Stiftung verklagt und nicht auch andere Betreiber von DNS-Resolvern? „Quad9 ist das leichteste Opfer als Stiftung“, erklärt Adrienne Fichtner.
Es sei wahrscheinlich, dass in Zukunft auch andere Anbieter wie Google oder Cloudflare verklagt werden. Die großen Konzerne hätten zwar „gefüllte Kriegskassen“, doch mit diesem Urteil könne Sony nun auch die großen Player angreifen.
Für die Nutzer ist das Urteil bisher so gut wie irrelevant. Denn wenn Quad9 die Piraterie-Plattform blockiert, kann sie immer noch über andere Dienste angesteuert werden. Doch in Zukunft vielleicht nicht mehr, wenn diese dann ebenfalls verklagt werden.

Gefahr von Overblocking

Damit entsteht auch die Gefahr von Overblocking. „Wenn stets das Damoklesschwert der Störerhaftung über diesen Diensten schwebt, sperren sie im Zweifelsfall lieber zu viel als zu wenig“, schreibt die Organisation "Gesellschaft für Freiheitsrechte" über den Fall.

„Es geht hier wirklich um das freie Internet.“

Adrienne Fichter

Zumal es für Quad9 einfacher sei, solche Seiten weltweit zu blockieren und nicht nur in Deutschland. „Nur: Das würde halt in totale globale Zensur ausarten“, gibt die Tech-Journalistin Fichter zu bedenken.
(nog)
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