„Studio Orange“ mit Sophie Passmann
Gäste der zweiten Folge von "Studio Orange" sind die Autorin und Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal sowie der Autor und Talkmaster Michel Friedman. © rbb / Christiane Pausch
Pseudo-rebellische Pose und verschenktes Potenzial
06:18 Minuten
Das „Studio Orange“ will in lockerem Ton über Literatur sprechen: Moderatorin Sophie Passmann und zwei Gäste, die je ein Buch mitbringen. Doch auch die zweite Folge überzeugt nicht. Dabei birgt das ARD-Onlineformat durchaus Chancen.
Über Literatur im Fernsehen wird diskutiert, seitdem der einflussreiche Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki „Das Literarische Quartett“ zum Unterhaltungsformat ausgebaut hat. Sophie Passmann weiß das. Die Comedian kennt Radio, Fernsehen und Frankfurter Buchmessen. Als Autorin schreibt sie nicht nur populär-feministische Bestseller, sondern auch regelmäßig für „Die Zeit“. Sophie Passmann ist also selbst Teil jenes Feuilletons, das sie so gern als frauenfeindlich und verkrustet kritisiert.
Das neue Literaturformat des Rundfunks Berlin Brandenburg (rbb) und von ARD Kultur moderiert sie vor allem mit pseudo-rebellischer Pose. Wenn einer aus der Runde das Wort „Intertextualität“ sage, „können wir den Laden dichtmachen“, warnt sie in der ersten Folge von „Studio Orange“. Denn Ziel der Sendung sei es, „lustig und entspannt“ über Literatur zu sprechen.
Wo ist die niedrigschwellige Literaturvermittlung?
Dafür lädt sich Passmann in jede Folge zwei Gäste ein. Sie sollen ein Buch mitbringen, das ihr Leben geprägt hat. Nur: Wofür braucht man dann theoretisch angestaubte Fachbegriffe, die – erklärungslos eingestreut – weniger nach niedrigschwelliger Literaturvermittlung klingen als nach einem Signal an jene Feuilletonisten, denen gegenüber sich Passmann gleichzeitig abstrampelt und anbiedert?
In der ersten Folge – zu Gast sind Autorin und Regisseurin Helene Hegemann sowie Schauspieler Dimitrij Schaad – scheitert jedes ansatzweise interessante Gespräch dann auch an Passmanns notorisch eingestreuten Gags („Er hat Erzählmittel gesagt, wir können die Bude abschließen!“).
In der zweiten Folge, nun in der ARD Mediathek zu sehen, kommt der Moderatorin zwar die Literatur- wie Kameraversiertheit ihrer Gäste – die Autorin und Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal sowie Autor und Talkmaster Michel Friedman – entgegen. Aber eine Diskussion darüber, wie wir heute mit Diskriminierung in Kinderbüchern von Enid Blyton umgehen können, bekommt das Format trotzdem nicht recht in den Griff.
Prägendste Leseerfahrung Harry Potter?
Mitgebracht haben alle Gäste ausschließlich Romane, die schon in den literarischen Kanon eingegangen sind. Und darunter sind auch Klassiker, die durchaus zu problematisieren wären – vor allem in einer Literaturshow, die mit Passmann von einer ausgewiesenen Feministin moderiert wird.
Der Zugang zu Literatur über eine intensive Leseerfahrung hätte dabei durchaus Potenzial für eine Literatursendung, die sich abgrenzt von einer Literaturkritik aus akademischer Tradition. Nur: Wären die prägendsten Leseerfahrungen eines Menschen Ende 20 dann nicht eher Harry Potter als Roberto Bolaño? So gestehen es sich Helene Hegemann und Sophie Passmann sogar gegenseitig ein, in der ersten Folge von „Studio Orange“. Ein Talkshow-Gespräch, das hier weitergeht, ohne Lesescham und ohne Feuilleton im Augenwinkel, könnte tatsächlich revolutionär werden.
Das Literaturformat "Studio Orange" von rbb und ARD Kultur ist in der ARD-Mediathek abrufbar.