"Sorbe ist der, der sich dazu bekennt"

Von Joachim Hildebrandt |
Über die Jahrhunderte waren die Sorben als Minderheit immer wieder Diskriminierungen ausgesetzt. Vor 100 Jahren wurde in Hoyerswerda der Bund Lausitzer Sorben "Domowina" gegründet. In der NS-Zeit wurde er verboten und in der DDR ideologisch bevormundet. Die "Domowina" gehört der Gesellschaft für bedrohte Völker an, hat etwa 7000 Mitglieder und muss auch heute noch um ihre Rechte kämpfen.
Seit dem 6. Jahrhundert zogen Slawen im Zuge der damaligen Völkerwanderung über Schlesien und Böhmen in westliche Richtung und besiedelten die Gebiete entlang der Elbe und unteren Saale, die heutige Ober- und Niederlausitz. Diese Regionen waren seit der Abwanderung germanischer Stämme nahezu unbewohnt. In der so genannten "Fredegar-Chronik" werden die Sorben, ein westslawisches Volk, erstmals 631 erwähnt. Über die Jahrhunderte waren sie als Minderheit immer wieder Diskriminierungen ausgesetzt. 1910 wurde die sorbische Sprache an den Schulen verboten, man versuchte eine Zwangsgermanisierung durchzusetzen. Daraufhin entstand eine breite Volksbewegung. In Hoyerswerda gründeten am 13. Oktober 1912 Vertreter aus 31 sorbischen Vereinen die Domowina, den Bund Lausitzer Sorben. Domowina ist ein poetischer Ausdruck für Heimat.

Der Erste Sekretär des Bundesvorstandes, Juri Groß, erklärte in den 80er-Jahren die Bedeutung der Domowina:

"Und den Gründern der Domowina ging es um das Fortbestehen des sorbischen Volkes, um den Erhalt und die Pflege der reichen Güter der sorbischen Sprache und Kultur, um die Liebe zur Heimat und die Bildung des Volkes. Und es ging ihnen auch darum, um soziale Rechte der Sorben zu kämpfen."

Während des Nationalsozialismus durften die Sorben ihre Sprache und ihr Volkstum zunächst weiter pflegen. Als im Frühjahr 1937 die Domowina in den "Bund Deutscher Osten" eingegliedert und für machtpolitische Zwecke missbraucht werden sollte, widersetzte sich der Vorsitzende Pawo Nedo und lehnte die von den Behörden ausgearbeitete Satzung ab. Die Antwort darauf folgte umgehend.

"Am 18. März wurden von den faschistischen Behörden alle Veranstaltungen und Versammlungen der Domowina verboten, die Gestapo besetzte das Haus der Sorben, das gesamte Vermögen der Organisation wurde beschlagnahmt und das sorbische Nationalmuseum ausgeraubt."

Sorbische Lehrer und Geistliche wurden aus der Lausitz ausgewiesen, ihre Sprache durfte in der Öffentlichkeit nicht mehr gesprochen werden.

In der DDR bezeichnete sich die Domowina als sozialistische nationale Organisation und zog sich damit den Unmut in Teilen der sorbischen Bevölkerung zu. In der Verfassung der DDR als nationale Minderheit anerkannt, war die Politik den Sorben gegenüber jedoch von ideologischer Bevormundung und Kontrolle geprägt.

Nach 1989 erklärt sich die Domowina zur politisch unabhängigen und selbstständigen Organisation des sorbischen Volkes. Für den Vorsitzenden des Rates für sorbische Angelegenheiten, Harald Konzak, steht jetzt auf der Tagesordnung:

"… Alles was mit Sprache zusammenhängt, was mit sorbischer Kultur zusammenhängt, alles was mit Sorbenbeauftragten in den Kommunen zusammenhängt. Bekenntnis zum sorbischen Volk. Sorbe ist der, der sich dazu bekennt. Das ist sehr umstritten. Dort gibt es wieder heftige Auseinandersetzungen. Erfahrungsaustausch mit dem Sorbenrat in Sachsen."

Erst kürzlich sorgte Brandenburgs Bildungsministerium für viel Ärger, weil es ab dem neuen Schuljahr nur jahrgangsübergreifend zweisprachigen Unterricht in der Lausitz fördern wollte.

Der Rat für sorbische Angelegenheiten und auch die Domowina empörten sich über geplante Kürzungen in den Lehrangeboten. Seit 1998 schon läuft die Betreuung und Ausbildung an Kindergärten und Schulen unter dem Namen "Witaj-Projekt". Das sorbische Wort Witaj bedeutet Willkommen. Der Ministeriumssprecher Stephan Breiding:

"Wir haben aber vor dem Hintergrund der Unruhe, die es gab, und vor dem Hintergrund, dass wir deutlich machen wollten, wir wollen bei Witaj nicht kürzen, gesagt, wir werden die Schulen entsprechend ihres Bedarfs ausstatten, das heißt, sie bekommen das, was sie brauchen, um Witaj anbieten zu können."

Im Alltag wird Sorbisch heute nur von einem Viertel der 40.000 Sorben in Sachsen und 20.000 in Brandenburg gesprochen.

Neben der sorbischen Volksmusik haben sich viele Bräuche erhalten, vor allem das Osterreiten und die sogenannte Vogelhochzeit am 26. Januar, bei der sich die "Vögel" mit Süßigkeiten, aufs Fensterbrett oder vor die Tür gelegt, für die Winterfütterung bei den Kindern bedanken.

Die Domowina gehört der Gesellschaft für bedrohte Völker an. Heute sind etwa 7000 Mitglieder im Bund Lausitzer Sorben registriert.