Bomben auf Weltkulturerbe in Syrien?
Die am Freitag vereinbarte Waffenruhe scheint für eine der syrischen Weltkulturerbestätten wieder einmal zu spät gekommen zu sein, Archäologen sind in großer Sorge um das spätantike Bosra. Cornelia Wegerhoff berichtet über den einzigartigen Theaterbau.
Das Theater von Bosra ist bekannt für seine einzigartige Akustik. Bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges fanden in der Römischen Arena regelmäßig Konzerte statt. Es war ein syrischer Musiker-Traum, hier vor dem antiken Halbrund zu stehen, 102 Meter im Durchmesser, vor den steil hinaufragenden steinernen Sitzreihen, die 15.000 Zuschauern Platz bieten. Von außen sei das gar nicht zu erwarten, so der deutsche Archäologe Klaus Freyberger. Da stehe man zunächst vor einer Trutzburg aus dunklem Basaltstein:
"Man geht hier in eine düstere Festung hinein, die Zitadelle der Ayyubiden aus dem 13. Jahrhundert, durchquert dann dunkle Gänge erst und tritt dann plötzlich in das Theater, hell, lichtdurchflutet. Und man ist wirklich überwältigt von der Größe und auch von der Bauart dieses Gebäudes. Es besteht ja aus riesigen feingeschnittenen Quadern und ist fast noch bis zum obersten Rang erhalten."
Klaus Freyberger war lange Jahre Leiter der Außenstelle des Deutschen Archäologischen Institutes in Damaskus. Der 69-Jährige erforschte die antike Römische Baukunst in Syrien und in Italien. Nur selten fand er dabei Monumente, die in einem so guten Zustand waren wie dieses Theater. Es stamme aus dem zweiten und dritten Jahrhundert nach Christus, aus der Zeit, als die heutige Kleinstadt Bosra noch ein bedeutendes Handelszentrum in der römischen Provinz Arabia war.
"Es ist mit das besterhaltene Theater aus römischer Zeit. Vor allem die Zuschauertribüne, die sogenannte Cavea, ist so gut erhalten gewesen, dass das natürlich eine ganz imminente Bedeutung hat, sowohl für die Wissenschaft, dann aber auch für den Tourismus. Und wenn das nun wirklich stark zerstört ist, haben wir ein unschätzbares kulturelles Erbe verloren", so Freyberger weiter.
Arabische Medien berichten von schweren Schäden
Und so sind syrische und internationale Archäologen seit Tagen in Sorge, nachdem "Enab Baladi", ein regierungskritisches Informationsnetzwerk aus Syrien, gemeldet hat, das Theater in Bosra sei bei insgesamt vier Luftangriffen von Bomben getroffen worden. Arabische Medien berichten von "schweren Schäden". Doch die Lage sei sehr schwer einschätzbar, sagt der in Berlin lebende Archäologe Mamoun Fansa. Der gebürtige Syrer ist derzeit täglich in Kontakt mit Kollegen aus der Provinz-Hauptstadt. Aufgewühlt fasst er seine bisherigen Kenntnisse zusammen:
"Meine letzten Informationen stammen direkt aus Daraa - aus unterschiedlichen Quellen. Auch die UNESCO hat sich dazu gemeldet. Es sieht vor Ort so aus, dass sich anscheinend in der Umgebung einige Rebellengruppen versammelt hatten. Und diese Stellungen sind mit russischen und syrischen Flugzeugen bombardiert worden. Die Bilder, die mir zugeschickt worden sind, zeigen, dass es viele Zerstörung im Zuschauerbereich gibt. Und auch in der Bühne liegen Trümmer. Das geht ausschließlich auf Bombardierungen aus der Luft zurück."
Dabei steht das Römische Theater von Bosra bereits seit 1980 auf der Liste der geschützten Weltkulturerbestätten. Just als die Bomben gefallen sein müssen, saß das UNESCO-Komitee in Bahrain zusammen, um über die Aufnahme neuer Kulturschätze in die Welterbeliste zu beraten. Ein Hohn, so Mamoun Fansa bitter. Nicht nur die Terrormiliz IS sei für die Zerstörungen von syrischem Kulturerbe verantwortlich: "Wir sehen, dass syrische Regierung bzw. die Russen auch vor Kultur keinen Halt machen."
Wohl nicht ahnend, dass es gerade zu Luftangriffen auf eine Weltkulturerbestätte gekommen ist, ermahnte das UNESCO-Komitee bei seiner Sitzung in dieser Woche das Assad-Regime in Damaskus, sich mehr um den Wiederaufbau beschädigter Weltkulturerbestätten zu kümmern. "Man sieht auch an den eroberten Gebieten in Palmyra und Aleppo, dass vom Regime aus keine Konzeption für den Wiederaufbau entwickelt worden ist", sagt Fansa weiter.
Assads Inszenierung als Retter heimischen Kulturerbes
Dabei hatte sich der syrische Staatschef Baschar al-Assad 2016 bei der Rückeroberung der antiken Ruinenstadt Palmyra noch als Retter des heimischen Kulturerbes präsentiert. Aus St. Petersburg wurde eigens ein Orchester eingeflogen, der russische Präsident Putin live zugeschaltet. Vor den Kulissen des Amphitheaters von Palmyra wurde mit einem großen Konzertabend die Befreiung des Weltkulturerbes gefeiert. In Bosra wird es wohl vorerst keine Konzerte geben.