Sorgfaltspflicht in Lieferketten

So wird Weltwirtschaft nachhaltiger

29:36 Minuten
Illustration: Ein Cargoschiff mit übergrossem Obst und Gemüse auf Deck.
Sorgfaltspflicht in Lieferketten © Getty Images / Chris Madden
Moderation: Annette Riedel |
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Verantwortung für Menschenrechte, Klima- und Umweltschutz - dazu sollen große Unternehmen gesetzlich verpflichtet werden. Das gilt auch für ihre Zulieferer. Bei Verstößen drohen dann erhebliche Strafen. Die Richtung stimmt, findet Friedel Hütz-Adams.
Viele im globalen Süden produzierende Unternehmen übernähmen keinerlei Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz von Klima und Umwelt enlang ihrer Lieferketten. Das kritisiert der Experte beim Institut Südwind, das sich für eine faire Weltwirtschaft engagiert. Hütz-Adams verweist auf den harten Konkurrenzkampf, der dazu führe, dass entsprechende Sorgfaltspflichten missachtet oder vernachlässigt würden, weil so billiger produziert werden könne.
Ein besonders einschlägiges Beispiel sei der Kakao-Sektor. Seit 20 Jahren sei bekannt, dass etwa in Westafrika Hunderttausende Kinder bei der Ernte arbeiteteten. "Die Armut der Familien ist eine der Hauptursachen dafür, dass Kinder mitarbeiten müssen." Um Löhne zahlen zu können, von denen die Familien auch ohne ihre Kinder arbeiten zu lassen, leben könnten, "müsste man eigentlich die Preise erhöhen." Der Wettbewerbsdruck in diesem und anderen Märkten führe dazu, dass Unternehmen bisher oft beispielsweise das Recht von Menschen auf eine angemessene Entlohnung missachteten.

Die ganze Zulieferkette unter die Lupe nehmen

Zwar hätten die Anstrengungen der Unternehmen in den letzten Jahren "massiv zugenommen". Aber es sei oft erst der Druck drohender gesetzlicher Vorgaben gewesen, der zu einem Umdenken geführt habe. Ein große Hürde für die Übernahme von Verantwortung, wie sie auch ein entsprechender Leitfaden der Vereinten Nationen seit einem Jahrzehnt vorgibt, sei, dass die Zulieferer oft das eigentliche Problem seien. Die gesamte Kette "muss jetzt erst mal unter die Lupe genommen werden."
Viele Firmen - darunter Philipps, Ikea, BMW - forderten inzwischen von sich aus eine umfassende Gesetzgebung, die verbindlich die Sorgfaltspflichten entlang der Lieferketten vorschreibt. Sie zögen ein entsprechendes europäisches Gesetz nationalen Vorschriften vor, weil es immer auch gilt, Wettbewerbsfragen im Blick zu behalten. Er sehe nicht, so Hütz-Adams, dass die Firmen überfordert würden oder gar Aufgaben der Politik auf sie abgewälzt würden, sich um Menschenrechte und Kima- bzw. Umweltschutz zu kümmern, wie manche Kritiker sagen. Sie seien ja nicht dafür verantwortlich, was eine Regierung in einem Land oder einer Region mache. "Sie sind für das verantwortlich, was bei ihren Lieferanten in der Fabrik passiert."

Weiter in Russland produzieren

Angesichts des Krieges in der Ukraine haben mehrere multinationale Firmen ihre Geschäftsbeziehungen mit Russland aktuell auf Eis gelegt. Darunter sind Firmen wie beispielsweise SAP, VW, Toyota, H&M. Das seien unternehmenspolitische Entscheidungen, zu denen aber aber ein einmal umgesetztes Lieferkettengesetz niemanden verpflichten würde. "Wenn Sie nach dem Gesetz vorgehen und wollen weiterhin in Russland produzieren und dafür zu sorgen, dass in ihrem Betrieb keine Menschenrechte verletzt werden, schreibt das Gesetz nicht vor, dass sie da rausgehen."
Ein europäisches Lieferkettenhesetz ist von der EU-Kommission gerade auf den Weg gebracht worden. Das deutsche Lieferkettengesetz wurde bereits im vergangenen Jahr verabschiedet und tritt ab dem kommenden Jahr schrittweise in Kraft. Es betrifft zunächst Firmen mit mehr als 3000 MitarbeiterInnen. Wenn sich Unternehmen wegen der Sorgfaltspflichten, die damit auf sie zukämen, ganz aus manchen Ländern des globalen Südens zurückzögen, gingen zwar womöglich dort Arbeitsplätze verloren. Wenn diese aber nur im Zusammenhang von Menschenrechtsverletzungen und Hungerlöhnen entstanden seien, dann müsse man ohnehin die Frage stellen, ob solche Jobs etwas seien, "wovon ein Land profitiert."

Lieferkettengesetze gehen in die richtige Richtung

Das EU-Lieferkettengesetz würde nach dem vorliegenden Entwurf schärfer sein als das bereits verabschiedete deutsche. Es hätte zum einen eine größere Reichweite. Und das EU-Gesetz würde die Sorgfaltspflichten zudem direkt auf Klima- und Umweltschutz erweitern. Zu den bei Verstößen möglichen Sanktionen drohten nicht nur hohe Bußgelder sondern dem Management könnten auch Boni gekürzt werden. Die Unternehmensstrategie müsste sich am 1,5-Grad-Ziel orientieren und entsprechend zwingend die CO2-Emissionen zurückführen.
Das große Risiko, das Friedel Hütz-Adams sieht, ist, "dass eventuell Unternehmen hingehen und ihre Geschäfte in kleine Unterfirmen stückeln", um nominell die Zahl der MitarbeiterInnen so zu verringern, dass sie unterhalb der Schwelle lägen, bei der das Gesetz greifen würde. Insgesamt sei er aber "sehr zufrieden", dass sich die Dinge aus seiner Sicht in die richtige Richtung bewegen. "Noch vor 10, 15 Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten verantwortlich gemacht wurden."

Friedel Hütz-Adams hat in Köln Geschichte, Philosophie und Volkswirtschaftslehre studiert.  Er ist seit 1993 wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Südwind, dem Institut für Ökonomie und Ökomene. Sein Spezialgebiet ist das Thema Lieferketten. Er hat zahlreiche Studien über ökologische und soziale Probleme in Wertschöpfungsketten verfasst. Seit 2009 liegt ein Fokus seiner Arbeit auf den verschiedenen Aspekten des Handels mit Kakao. Darüber hinaus beschäftigt er sich in mehreren Gremien mit der Frage, wie Nachhaltigkeitsaspekte durch Unternehmen umgesetzt werden können.

(AnRi)
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