Sorgloser Umgang mit Biowaffen
Im sibirischen Forschungszentrum "Vektor" befindet sich die Biowaffenschmiede der untergegangenen Sowjetunion. Heute gibt es dort Produktionsstätten für Impfstoffe und Pharmazeutika, aber auch Labors zur Herstellung von Pockenviren. Die Betreiber sprechen von höchsten Sicherheitsvorkehrungen, doch weder Videoüberwachung noch bewaffnete Wachmänner sind dort zu sehen.
Um auf das Forschungsgelände von "Vektor" im sibirischen Koltsovo bei Novosibirsk zu gelangen, sind einige Hürden zu nehmen: Sondergenehmigung vom Gesundheitsministerium in Moskau, striktes Handy- und Fotoverbot, penible Reisepasskontrolle. Denn: Es ist nicht gerade üblich, dass westliche Journalisten die ehemalige Biowaffenschmiede der untergegangenen Sowjetunion besichtigen dürfen.
Vor der Perestroika war das Areal sowieso topsecret. Damals soll sich auf diesem Gelände eine mächtige Forschungs- und Produktionsstätte für biologische Waffen befunden haben – auf der Liste ganz oben: Pocken, Ebola, Lassa – sicher auch HIV und Anthrax.
Der erste Wermutstropfen gleich zu Beginn: Moskau hat uns in letzter Minute die eigentlich genehmigte Innenbesichtigung von Forschungseinrichtungen verboten. Aus Sicherheitsgründen, heißt es.
Auf dem mehrere Hektar umfassenden Gelände gibt es neben den diversen Forschungskomplexen auch kleinere Produktionsstätten für Impfstoffe und Pharmazeutika, ein Hospital, eine Müllverbrennungsanlage. Umgeben ist das alles von einer Mauer und doppelreihigem Stacheldraht – das scheinbar Neueste. der baulichen Maßnahmen. Doch Videoüberwachung, Bewegungsmelder oder mit Kalaschnikow patrouillierende Wachmänner – Fehlanzeige.
Im Eingangsgebäude werden die Pässe kontrolliert, einen Stempel bekommen wir aber nicht, schade eigentlich. Einige Vektor-Mitarbeiter, vorwiegend Frauen, betreten oder verlassen derweil das Gelände. Langsam passieren wir das Drehkreuz
Inzwischen versichert uns Sergej Netesow, Direktor des Vektorinstituts für Molekularbiologie, dass Sicherheit im Komplex ganz groß geschrieben wird:
Netesow: " In den gefährlichen Bereichen werden die Mitarbeiter täglich von einer Krankenschwester untersucht. Sie wechseln dann komplett ihre Sachen gegen einen hermetisch geschlossenen Sicherheitsanzug, z.B. bei der Arbeit mit infizierten Tieren. Spezielle Filter reinigen die Atemluft. Im gesamten Forschungsgebäude herrscht leichter Unterdruck, so dass keine kontaminierte Luft nach außen dringen kann. Nach Dienstschluss werden die Anzüge desinfiziert und die Mitarbeiter duschen sich vor Verlassen des Gebäudes. Neue Kollegen werden erst drei Jahre in unsensiblen Bereichen eingesetzt, bevor sie in die rote Zone dürfen."
Mit einem Bus werden wir herumgefahren, andere Fahrzeuge sind nicht zu sehen, auch Menschen sind weder draußen noch hinter den Fenstern auszumachen. Die Frage eines Journalisten nach Todesfällen bejaht Sergej Netesow. Im vorigen Jahr starben zwei Wissenschaftler, die sich bei infizierten Tieren angesteckt haben. Wie es dazu kam, wird nicht erläutert.
Wir fahren an den maroden Gebäuden vorbei – mehrgeschossige Klinkerhäuser, manche Fenster sind zersplittert, Das Gelände ist von überirdischen Rohrleitungen durchzogen. Sie werden von Stützen getragen, die Isolierung lässt arg zu wünschen übrig. Es sieht aus wie Leuna nach der Wende – nur etwas kleiner. Wie das im Winter bei minus 40 grad alles funktioniert, bleibt ein Rätsel.
Vor dem sechsgeschossigen Haus Nr.1, das auch noch eine Etage unter der Erde haben soll, dürfen wir aussteigen. Dahinter sind sie – hoffentlich sicher – aufbewahrt: die Erreger für Pocken, HIV, Hepatitis, SARS, Tuberkulose und Influenza:
" Hier arbeiten wir mit all den Viren, die in unserer Broschüre aufgeführt sind, mit einer Ausnahme: das sind die Pocken. Wie sie ja wissen, sind wir eines von zwei Zentren, die noch Pockenviren lagern. Mit diesen arbeiten wir aber in einem Gebäude, das noch höhere Sicherheit garantiert. Es ist ein Gebäude innerhalb eines Gebäudes."
Manchmal, so scherzt Sergej Netesow, bereiten ihnen die Computerviren mehr Sorgen als all die anderen – und beschließt unseren kurzen Rundgang.
Auf einer anschließenden Pressekonferenz - nun wieder außerhalb des Forschungsgeländes - werden die Aufgaben der Vektor-Institute dargelegt. Dazu gehören die Untersuchung neuartiger Krankheitserreger, die Entwicklung von Impfstoffen und Diagnoseverfahren sowie auch die Teilnahme an internationalen Projekten zur biologischen Sicherheit. Doch gerade von letzterer sind die anwesenden Journalisten nicht völlig überzeugt.
Vor der Perestroika war das Areal sowieso topsecret. Damals soll sich auf diesem Gelände eine mächtige Forschungs- und Produktionsstätte für biologische Waffen befunden haben – auf der Liste ganz oben: Pocken, Ebola, Lassa – sicher auch HIV und Anthrax.
Der erste Wermutstropfen gleich zu Beginn: Moskau hat uns in letzter Minute die eigentlich genehmigte Innenbesichtigung von Forschungseinrichtungen verboten. Aus Sicherheitsgründen, heißt es.
Auf dem mehrere Hektar umfassenden Gelände gibt es neben den diversen Forschungskomplexen auch kleinere Produktionsstätten für Impfstoffe und Pharmazeutika, ein Hospital, eine Müllverbrennungsanlage. Umgeben ist das alles von einer Mauer und doppelreihigem Stacheldraht – das scheinbar Neueste. der baulichen Maßnahmen. Doch Videoüberwachung, Bewegungsmelder oder mit Kalaschnikow patrouillierende Wachmänner – Fehlanzeige.
Im Eingangsgebäude werden die Pässe kontrolliert, einen Stempel bekommen wir aber nicht, schade eigentlich. Einige Vektor-Mitarbeiter, vorwiegend Frauen, betreten oder verlassen derweil das Gelände. Langsam passieren wir das Drehkreuz
Inzwischen versichert uns Sergej Netesow, Direktor des Vektorinstituts für Molekularbiologie, dass Sicherheit im Komplex ganz groß geschrieben wird:
Netesow: " In den gefährlichen Bereichen werden die Mitarbeiter täglich von einer Krankenschwester untersucht. Sie wechseln dann komplett ihre Sachen gegen einen hermetisch geschlossenen Sicherheitsanzug, z.B. bei der Arbeit mit infizierten Tieren. Spezielle Filter reinigen die Atemluft. Im gesamten Forschungsgebäude herrscht leichter Unterdruck, so dass keine kontaminierte Luft nach außen dringen kann. Nach Dienstschluss werden die Anzüge desinfiziert und die Mitarbeiter duschen sich vor Verlassen des Gebäudes. Neue Kollegen werden erst drei Jahre in unsensiblen Bereichen eingesetzt, bevor sie in die rote Zone dürfen."
Mit einem Bus werden wir herumgefahren, andere Fahrzeuge sind nicht zu sehen, auch Menschen sind weder draußen noch hinter den Fenstern auszumachen. Die Frage eines Journalisten nach Todesfällen bejaht Sergej Netesow. Im vorigen Jahr starben zwei Wissenschaftler, die sich bei infizierten Tieren angesteckt haben. Wie es dazu kam, wird nicht erläutert.
Wir fahren an den maroden Gebäuden vorbei – mehrgeschossige Klinkerhäuser, manche Fenster sind zersplittert, Das Gelände ist von überirdischen Rohrleitungen durchzogen. Sie werden von Stützen getragen, die Isolierung lässt arg zu wünschen übrig. Es sieht aus wie Leuna nach der Wende – nur etwas kleiner. Wie das im Winter bei minus 40 grad alles funktioniert, bleibt ein Rätsel.
Vor dem sechsgeschossigen Haus Nr.1, das auch noch eine Etage unter der Erde haben soll, dürfen wir aussteigen. Dahinter sind sie – hoffentlich sicher – aufbewahrt: die Erreger für Pocken, HIV, Hepatitis, SARS, Tuberkulose und Influenza:
" Hier arbeiten wir mit all den Viren, die in unserer Broschüre aufgeführt sind, mit einer Ausnahme: das sind die Pocken. Wie sie ja wissen, sind wir eines von zwei Zentren, die noch Pockenviren lagern. Mit diesen arbeiten wir aber in einem Gebäude, das noch höhere Sicherheit garantiert. Es ist ein Gebäude innerhalb eines Gebäudes."
Manchmal, so scherzt Sergej Netesow, bereiten ihnen die Computerviren mehr Sorgen als all die anderen – und beschließt unseren kurzen Rundgang.
Auf einer anschließenden Pressekonferenz - nun wieder außerhalb des Forschungsgeländes - werden die Aufgaben der Vektor-Institute dargelegt. Dazu gehören die Untersuchung neuartiger Krankheitserreger, die Entwicklung von Impfstoffen und Diagnoseverfahren sowie auch die Teilnahme an internationalen Projekten zur biologischen Sicherheit. Doch gerade von letzterer sind die anwesenden Journalisten nicht völlig überzeugt.