"Es geht um das Leben unserer Leute"
Folter, Misshandlungen, willkürliche Festnahmen - Tamila Tasheva dokumentiert solche systematischen Repressionen Russlands auf der Krim. Die ukrainische Aktivistin kämpft mit ihrer Organisation "SOS Krim" für internationale Aufmerksamkeit.
"Krym SOS", "SOS Krim" – so heißt Tamila Tashevas Organisation, und dabei geht es tatsächlich um Menschenleben, denn die Lage auf der von Russland annektierten Halbinsel ist ernst.
"Auf der Krim beobachten wir systematische Repressionen von Seiten Russlands, und sie werden so schnell nicht aufhören. Die Leute, die nicht loyal zum Kreml sind, werden verfolgt. Es sind vor allem Krimtataren."
Das bestätigt auch der Menschenrechtsbericht der Vereinten Nationen zur Krim vom Herbst 2017. Er dokumentiert Fälle von Folter, Misshandlungen und willkürlichen Festnahmen, sogar eine Hinrichtung ohne Gerichtsverfahren.
Zehntausende haben die Krim schon verlassen
Tasheva hat 76 politisch motivierte Strafverfahren auf der Krim gezählt, mehr als 50 Menschen sitzen deshalb im Gefängnis. Erst vor wenigen Wochen wurde ein Ukrainer zu gut dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, nachdem er auf seinem Haus in einem Dorf auf der Krim eine ukrainische Flagge gehisst hatte. Tasheva:
"Politisch motivierte Strafprozesse, Einschüchterung, gewaltsames Verschwindenlassen, ständige Hausdurchsuchungen bei Krimtataren und die permanente Gefahr, mit hohen Geldstrafen belegt zu werden – all das zwingt die Menschen gleichsam, die Halbinsel zu verlassen."
Tasheva schätzt, dass seit 2014 rund 50.000 Menschen von der Krim auf das ukrainische Festland gezogen sind. "SOS Krim" hilft ihnen in juristischen Fragen und mit Spenden.
Tamila Tasheva fürchtet eigene Verhaftung
Auch Tasheva selbst war seit dem Winter 2013/2014 nicht mehr auf der Krim. Damals schloss sie sich den Demonstranten auf dem Maidan in Kiew an. Auf der Krim würde sie sofort festgenommen, davon ist die 32-Jährige überzeugt. Tasheva erzählt von dem Regisseur Oleg Senzov. Auch er engagierte sich auf dem Maidan. 2014 wurde er auf der Krim festgenommen, ein Jahr später in Russland zu 20 Jahren Haft verurteilt. Das Gericht befand, er habe eine Terrororganisation geleitet. Es war ein Unrechtsverfahren. Senzow selbst wandte sich aus dem Gerichtssaal an die russische Öffentlichkeit.
"Wir hatten in der Ukraine auch eine verbrecherische Regierung, aber wir sind gegen sie auf die Straße gegangen. Am Ende haben wir gesiegt. Das Gleiche wird auch bei Ihnen früher oder später passieren. Ich weiß nicht, in welcher Form, ich möchte nicht, dass jemand zu Schaden kommt, ich will nur, dass Sie nicht mehr von Verbrechern regiert werden."
Oleg Senzows Unbeugsamkeit hat Tasheva tief beeindruckt. "SOS Krim" versucht, Kontakt zu ihm zu halten, aber das ist schwer. Der 41-Jährige wurde im Herbst in ein Lager am nördlichen Polarkreis verlegt.
"Seit der Verlegung hat er gesundheitliche Probleme. Wir fordern, dass unabhängige Ärzte zu ihm gelassen werden. Und wir fordern, dass er dichter an die Krim verlegt wird. Man darf einen Menschen nicht so weit von seiner Familie entfernt verwahren, seine Verwandten können ihn dann nicht besuchen."
Senzow hat zwei Kinder, sie leben bei der Großmutter auf der Krim.
Bei einem Austausch ukrainischer und pro-russischer Gefangener Ende des Jahres blieb Senzow außen vor. Tasheva hofft trotzdem, dass er die 20 Jahre nicht absitzen muss.
"Entweder, weil das Putin-Regime vorher zusammenbricht, oder dank diplomatischer Bemühungen."
Tasheva wirbt für Aufrechterhaltung der Sanktionen gegen Russland
Für Tasheva steht fest: Russland muss die Krim der Ukraine zurückgeben. Leider aber werde international zu wenig über das Thema geredet. Deshalb reist sie durch Europa, tritt bei Veranstaltungen zur Ukraine auf, auch in Deutschland. Erst kürzlich war sie in Berlin, Frankfurt/Oder und Oldenburg. Und Tasheva wirbt dafür, die aufgrund der Annexion der Krim gegen Russland verhängten Sanktionen unbedingt aufrecht zu erhalten. Gerade haben ostdeutsche Ministerpräsidenten gefordert, diese aufzuweichen.
"Vor dem Hintergrund der russischen Propaganda, die sehr viel Geld hat, mag unsere Kraft nicht ausreichen. Aber wir müssen trotzdem weitermachen. Denn wenn wir das nicht tun, verschwinden wir komplett vom Radar. Und dann wird in ein paar Jahren überhaupt niemand mehr an Oleg Senzow denken und an all die anderen Gefangenen. Es geht um das Leben unserer Leute."