Sounddesigner

Zwischen Wagner, Theater und den Beatles

Der Musiker und Komponist Knut Jensen.
Der Musiker und Komponist Knut Jensen. © Andi Hörmann
Von Andi Hörmann |
Knut Jensen komponiert Musik für Schauspielhäuser in Deutschland und der Schweiz. Mit seiner Band "Knut & Silvy" produziert er experimentelle Popmusik. Als Sounddesigner vertont er Industrie-, und Werbefilme und komponiert Klänge für Ausstellungen und Museen, für Kunstvideos und Dokumentarfilme. Im Moment arbeitet er in Zürich an seiner Version von Wagners Wesendonck-Liedern.
Knut Jensen spielt Klavier:
"Im Treibhaus. Original: Im Treibhause. Richard Wagner. Text von Mathilde Wesendonck. Bekannt und berühmt geworden als Vorspiel zum 3. Akt Tristan & Isolde."
Konzentriert blickt Knut Jensen auf die Notenblätter, seine Finger tänzeln über die Klaviertasten.
Knut Jensen singt zum Klavier: "Schweigend neiget ihr die Zweige..." (verspielt sich)
"Ich kann es nicht singen und spielen gleichzeitig ..."
Hinter einem Paravent schlüpfen Schauspieler kaum hörbar in ihre Kostüme: Hemd und Frack für die Herren, Bluse und Schürze für die Damen - schwarz und weiß. Eine Kostümbildnerin kümmert sich um letzte Änderungen, ein Tänzer macht Dehnübungen, die Sänger singen sich ein.
Eine Stunde vor der Premiere verbreitet sich unter den Akteuren Nervosität, Anspannung und Lampenfieber. Knut Jensen schlendert ruhig und gelassen durch die Garderobengänge: Die Absätze seiner Lederschuhe klicken und klacken auf den gefliesten Treppen.
"Das erste, was ich wusste für dieses Projekt, ist, dass ich eine Sängerin möchte, die das wie Lieder singt und nicht wie Opern, um diesen Liedcharakter oder auch Saloncharakter zu unterstreichen."
Für das Theater am Neumarkt hat Knut Jensen den "Wesendonck"-Liederzyklus von Richard Wagner bearbeitet. "Elegante Nichtigkeit" von Barbara Weber spielt am Originalschauplatz: dem Pavillon der Villa Wesendonck im Rieterpark, einer Parkanlage aus dem 19. Jahrhundert auf einem Stadthügel in Zürich.
Mit 13 das erste eigene "Heimstudio"
Aufgewachsen ist Knut Jensen als zweiter von drei Brüdern in Basel: der eine Theatermanager, der andere Kulturbeauftragter. Die Eltern: Heilpädagogen in einem Heim für behinderte Kinder.
"Ich habe mir so mit 13 im Keller eine Art Hörspielstudio eingerichtet: Wir hatten ein altes Spulentonbandgerät und ich hatte einen Kassettenrecorder geerbt und dann konnte ich so Ping-Pong-Aufnahmen machen. Das hat mich schon immer sehr fasziniert, dieses Cockpitgefühl: Ich sitze irgendwo, habe viele Regler und kann damit ganz abgefahrene Sachen machen."
In der achten Klasse Waldorfschule hat Knut Jensen sein erstes Theaterstück vertont: "Dr. Faustus" nach Christopher Marlowe. Während des Studiums der Kammermusik, Komposition und Querflöte an der Musikakademie in Basel bedient er zum ersten Mal im Theater die Regler am Mischpult und untermalt Schauspiel-Szenen mit Musik.
"Dann kam irgendwann der Moment: Wir brauchen jetzt hier so ein Musikstück für die Szene, wir finden nichts passendes, schreib doch selber eins. Ja, kann ich, mache ich. Und so bin ich eigentlich zum Komponieren gekommen. Und letztendlich ist es dass, was ich jetzt immer noch mache. Es gibt sozusagen einen Grund, etwas zu komponiere, der mir einleuchtet und dann mache ich das. Ich habe glaube ich noch nie etwas für die Schublade geschrieben."
Theatermusik und Breitwand-Pop
Seit 1990 ist Knut Jensen selbständiger Musiker, ein "Allrounder" im Umgang mit Tönen und Klängen: Er komponiert Sounddesigns für Theater und Museen, Industrie und Werbung, Film und Fernsehen. Da ist zum Beispiel das volkstümliche "Salon Arosa" für einen mehrteilige Fernsehdoku:
Für die Schweizer Musikerin Erika Stucky komponiert er mit "Goldigi Öigä" Breitwand-Pop mit orchestralem Bombast. Mit dem Stück "Supermarkt Walzer" beschallt Knut Jensen den Schweizer Pavillon der Expo 2002 mit schmachtendem Pathos.
Und immer wieder Theatermusik. Das Lied "Ich will mein Glück zurück" schreibt er 2009 für das Deutsche Theater Berlin: ein Popsong mit Ohrwurmcharakter im Stil der 30er-Jahre.
Am Theater Basel hat Knut Jensen dann auch in den 90er-Jahren die Sängerin Silvia Buonvicini kennengelernt, mit der er bis heute experimentelle Popmusik veröffentlicht: Als "Knut & Silvy" zitieren sie aus der Musikgeschichte: Im Stück "Killer Bee" tauchen zum Beispiel Beatles-Harmonien auf.
"Die Idee war: Wir machen jetzt eine Band, Silvia singt und Knut spielt Gitarre. Wir spielen jetzt Songs, die jeder kennt und dadurch, dass sie jeder kennt, müssen wir sie auch nicht komplett spielen. Also wenn ich einen Beatles-Song antriggere, dadurch dass ich den richtigen Akkord oder den richtigen Sound oder die richtige Melodie oder den richtigen Text singe, läuft sozusagen beim Zuhörer eh schon der ganze Soundtrack ab und ich kann mich da drauf setzen."
Andeuten und zitieren: Wie ein musikalischer Schleier legen sich die Töne von Knut Jensen über Bühnenschauspiel, Museumsinstallation und Filmszene. Schauspieler werden zu Musikinstrumenten:
"Das habe ich in der klassischen Musik relativ früh gelernt, dass ich eine Glenn-Gould-Goldberg-Variation hören kann und denke: Ja, genau so muss man es spielen, man kann es auf keine andere Art spielen! Dann höre ich jemanden anderes und denke: Ja, genau so muss man es spielen, man kann es auf keine andere Art spielen! Das finde ich schon faszinierend. Und mit guten Musikern passiert eben genau das. Ich gebe die Richtung vor und sage, was ich mir gedacht habe und dann kann es aber auch ein kleines Eigenleben entwickeln, wo ich dann denke: Ah, ja, genau, da wäre ich nie drauf gekommen."
Bei der Premiere von "Elegante Nichtigkeit" in Zürich verfolgt Knut Jensen konzentriert vom Bühnenrand wie die Schauspieler und Musiker die von ihm arrangierten Wesendonck-Lieder interpretieren. Mal kaut er auf einem Bügel seiner Pilotensonnenbrille, mal verschränkt er seine Arme, doch meistens lächelt er - vielleicht auch schon im Gedanken beim nächsten Musikprojekt.
"Ich lerne bei jedem Museumsprojekt wieder etwas für ein Theaterprojekt. Und das Theaterprojekt profitiert davon, dass ich Filmmusik-Erfahrung habe."