Sounds vom Mittelmeer

Wie Flüchtlinge die Musikstadt Marseille prägen

Von Martina Zimmermann |
Marseille gilt als Tor zum Mittelmeer. Und so mischen sich dort seit Jahrhunderten afrikanische, arabische und europäische Klänge zu einem eigenen Sound. Auch heute lassen sich zahllose Künstler in der Hafenstadt musikalisch inspirieren.
Rassenga heißt ein Kollektiv mit Sängerinnen und Sängern aus dem ganzen Mittelmeerraum, die alle in Marseille leben. Sie singen in ihrer jeweiligen Sprache zum Beispiel ein Lied aus dem spanischen Bürgerkrieg, das vom Flamenco in algerische Rhythmen übergeht. Bruno Allary spielt Gitarre und ist künstlerischer Leiter des Kollektivs. Es sei repräsentativ für das was in Marseille passiere.
Wenn man sich hier auf einer Caféterrasse trifft, meint Bruno Allary, dann sei da ein Armenier, dort einer, der vor Jahren aus Italien kam, hier ein Algerier und viele andere Leute, die seit jeher zusammenleben. Rassegna bedeute, dieses auf eine Bühne zu bringen mit Musik.
Auch die modernen Mischungen zwischen Elektrojungle und Hip-Hop sind in Marseille mit Gesängen aus anderen Teilen der Welt, besonders häufig aus Afrika, gespickt. Watcha Clan heißt die Speerspitze dieser jungen Szene.
Marseille sei eine super Inspirationsquelle, meint Sängerin Karine, Künstlername Sista K: Marseille ist die Pforte zu Afrika. Wer in der Stadt spazieren geht, hört Oum Kalsoum und dann traditionelle Gesänge aus Senegal - das sei in Marseille Alltag.

Treffpunkt für Musiker aus aller Welt

Auch die fünf A-Capella-Sänger von Radio Babel Marseille begeistern mit ihren Kompositionen auf Spanisch, Arabisch, Okzitanisch, Swaheli, Bambara oder Französisch. Die Marseiller Künstler treten auf den zahlreichen Festivals in ihrer Stadt auf, neben Stars des Jazz oder der Weltmusik. So passt auch die Weltmusikmesse Babelmed, die jährlich in der Hafenstadt stattfindet, perfekt zu Marseille: Babelmed – da darf man an den Turm zu Babel denken, in dem alle Sprachen zu hören sind. Auf Arabisch bedeutet Bab El Med "das Tor zum Mittelmeer".
Auf der Babelmed in Marseille treffen sich Musiker aus aller Welt. Die Rapper von Songhoy Blues aus Mali waren gerade in den USA auf Tournee: Sie waren unter zahlreichen Bands für das Projekt Africa Express von Damon Albarn, Brian Eno u.a. berühmten westlichen Musikern ausgesucht worden. Omar, Aliou und Garba gefällt es in Marseille, aber sie haben es eilig, nach Hause zu kommen – nicht gerade das, was in Europa von jungen Afrikanern erwartet wird!
Sie leben in Bamako, sagt Omar Touré, und sie haben dort viel Arbeit. Nach zweieinhalb Monaten auf Tournee freuen sie sich nicht nur auf einen kleinen Urlaub, sondern sie wollen auch in Bamako Stimmung machen für ihre Freunde, denen die Shows von Songhoy Blues fehlen!
Sie waren in Europa und den USA aber da möchten sie nicht wohnen, pflichtet Aliou Touré bei. Sie wollen in Mali leben. Aber im Ausland haben sie Eindrücke gesammelt und nun wollen sie ihr Land entwickeln, damit Mali eines Tages auch sein wird wie die USA oder wie Frankreich oder England. Zuhause gebe es Leute, die sich nicht vorstellen können, dass es so saubere und entwickelte Großstädte gibt wie sie die drei Rapper nun gesehen haben.
Auch Omar Pène war dieses Jahr in Marseille. Die Legende der senegalesischen Mbalax-Musik warnt seine jungen Landsleute seit 2005 vor einer illegalen Meeresüberfahrt.

Musik ohne Grenzen

"Das ist ein Phänomen, das uns sehr berührt. Wir haben Erfahrung und kommen herum in der Welt, wir wissen wie es woanders aussieht. Und wir brauchen unsere Kinder zum Aufbau unseres Kontinents in Afrika. Aber leider gibt es junge Leute, die das nicht begreifen. Sie glauben, Europa sei ein Eldorado und wollen unter allen Umständen dort Erfolg haben. Wenn sie dann in Europa sind, sind sie enttäuscht. Deshalb haben wir sie sensibilisiert. Wir sagen, man kann auch im eigenen Land Erfolg haben und wir sind ein Beispiel dafür. Ein Sprichwort sagt: Nirgends ist es besser als zuhause."
In Marseille fühlen sich Menschen aus aller Welt zuhause. Hier passiere, was Extremisten am meisten hassen, freut sich Sami Sadeck der musikalische Direktor von Babelmed: Musik und Musiker kennen keine Grenzen.
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