Soundscout: Leon Bridges

Vom Tellerwäscher zum Soulstar

Retro und doch ganz vorne. Der Soulkünstler Leon Bridges Anfang 2015 in New York.
© picture alliance /dpa /Justin Lane
Von Martin Risel |
In der Soulmusik guckt man gern zurück in die Goldenen Zeiten des Genres. Auch der 25-jährige Texaner Leon Bridges orientiert sich an früheren Zeiten, und zwar erfolgreich: Er wird schon mit Größen wie Otis Redding und Sam Cooke verglichen.
Musik: "Twistin' & Groovin'"
Nach Aufnahmen von heute klingt dieser Song nun wirklich nicht, eher nach 1960. Dass man mit altem analogem Equipment den Sound vergangener Zeiten ziemlich originalgetreu nachspielen kann, das hat man schon oft hören können, seit die Retro-Soul-Welle immer wieder neue Interpreten an die Oberfläche spült.
Neu ist aber, dass jetzt ein 25-Jähriger sich der Musik seiner Großeltern verschrieben hat. Diesem frühen süßen Gospel-Soul, der damals als anständige Alternative zum wilden Rock’n’Roll ebenfalls weiße Zuhörerschichten eroberte.
Dabei war Leon Bridges ein musikalischer Spätstarter, hat zunächst Choreografie studiert - und sich zur Musik dann erst anregen lassen:
"Ich hab am College einen Typen getroffen, in der Mittagspause haben wir zusammen Songs gesungen, Leute kamen dazu und haben mitgesungen. Und dabei habe ich die Lust am Gesang und Songschreiben entwickelt."
Manchmal hört der junge Mann aus Fort Worth, Texas auch aktuelle Musik - James Blake, Lianne Le Havas, eher ruhige Klänge. Aber er blüht erst richtig auf beim Soulsound, der seit Ende der Fünfziger die Welt eroberte mit Interpreten wie Jackie Wilson, Ben E. King und Percy Sledge.
Sam Cooke als Vorbild
Und am liebsten mag Leon Bridges tatsächlich den Mann, den er jetzt schon mühelos im Film verkörpern könnte: Sam Cooke, den schmachtenden Soul-Crooner, der 1964 im Alter von nur 33 Jahren erschossen wurde.
Wie der macht auch Leon Bridges zunächst langsame Balladen. Sein allererster Song war einer über den Baptismus seiner Mutter.
Es sind solche leisen Töne, die "Coming Home" zu einem großartigen Debüt machen. Die getragenen Balladen, eine Gospel-Hymne, die unter die Haut geht. Nicht alle Songs sind von gleicher Qualität. Gerade wenn Leon Bridges versucht das Tempo anzuziehen, verliert er an Substanz.
Im authentischen Gesamtsound geht fast unter, dass ihn da eine Menge authentisch spielender Leute begleiten. Nach seiner College-Zeit hat er die ersten Aufnahmen mit lokalen Musikern aus Texas gemacht, während er noch in einer Restaurantküche arbeitete.
"Das war schon verrückt, dieser Übergang. Ich war Tellerwäscher und hab dann gleichzeitig angefangen, die Aufnahmen zu machen. Von dieser Küche ins Studio, merkwürdig. Mit der Single-Veröffentlichung im Oktober ging’s bei mir dann erst richtig los."
Labels standen Schlange
Seine ersten Songs hat Leon Bridges auf der Musikplattform Soundcloud veröffentlicht, da war noch keine Plattenfirma in Sicht. Als er sein Debutalbum dann fertig eingespielt hatte, sollen sie Schlange gestanden haben, über 40 Labels. Columbia war als erstes da und hat es nun ohne Veränderungen oder Neu-Aufnahmen herausgebracht.
"Soulmusik kannst du keinem beibringen. Das war irgendwie in mir, ich hab es mir erschlossen und es ging immer leichter. Der Weg bis zum Studio war also ganz natürlich."
Leon Bridges kleidet sich auch stilecht nach frühen 60ern: Mit überhüfthohen Hochwasser-Chinos und übergroßen Hemdkragen. Alles ziemlich aus der Zeit gefallen. Und gerade deswegen insgesamt so stimmig.
Marketingmäßig muss sich die Plattenfirma da nicht mehr bemühen. Nachdem Leon Bridges gerade die USA erobert hat, ist er auch schon für einige der größten europäischen Festivals gebucht: Glastonbury, Rock Werchter, Montreux. Und wird auch in Deutschland ganz unterschiedliche Lager begeistern: Die ganz alten Soul-Fans – und die jungen schicken Soul-Hipster.
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