Soziale Diversität an Unis
Wie viele Studierende aus Arbeiterfamilien sitzen wohl in dieser wirtschaftswissenschaflichen Vorlesung in Hannover? © picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte
Wer sich durchbeißen muss, entwickelt jede Menge Kompetenzen
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So manches begabte "Arbeiterkind" könnte studieren, tut es aber nicht. Und wer es dennoch tut, wird von den Unternehmen später nicht unbedingt mit Kusshand genommen. Warum das ein großer Fehler ist, begründet die Mentorin Katja Urbatsch.
Warum studieren so wenige Menschen aus Nichtakademiker-Familien? Unter anderem dieses Thema beschäftigt die Diversity Conference am 11. und 12. November. Katja Urbatsch, die Gründerin der Initiative ArbeiterKind.de, hat mehrere Erklärungen. Junge Menschen aus Arbeiterfamilien wüssten nicht, was sie an der Universität erwartet, da sie niemanden aus ihrem direkten Umfeld fragen könnten. Ein anderes wichtiges Thema sei die Finanzierung des Studiums: Vielen sei nicht klar, wie sie Bafög beantragen können. Und über allem stünden die Fragen: Wie kann ich das schaffen? Bin ich gut genug?
Kinder in Schubladen
"Wir stecken leider Kinder oft in Schubladen", kritisiert Urbatsch, das sehe man schon am Übergang von der Grundschule zum Gymnasium. Allzu oft würden – manchmal sogar unabhängig von ihrer Leistung – Kinder aus Nichtakademikerhaushalten auf Real- oder Hauptschule geschickt. Laut einer Erhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) nähmen von 100 Akademikerkindern 77 ein Studium auf. Dagegen studierten von 100 Nicht-Akademikerkindern lediglich 23.
Bildungsaufsteiger haben Frustrationstoleranz
Die auf Bildungsthemen spezialisierte Autorin nimmt aber auch die Unternehmen bei Neueinstellungen in die Pflicht. Bildungsaufsteiger brächten in der Regel viele Fähigkeiten mit, zum Beispiel Frustrationstoleranz: "Sie mussten sich durchbeißen."
Den Unternehmen gehe viel Potenzial verloren, wenn sie nur auf tolle Auslandsaufenthalte und Praktika im Lebenslauf schauten – Stationen, die Bildungsaufsteiger oft nicht vorweisen könnten, da sie andere Pflichten hatten, zum Beispiel während des Studiums arbeiten mussten, sagt Urbatsch.
Wenn sie Firmen berate, komme es erst mal zu einem großen Aha-Erlebnis: "Bewerbungsprozesse sind standardisiert, da fallen viele unserer Leute durchs Raster", sagt die Gründerin des Mentorenprogramms ArbeiterKind.de.
Durchsetzungsstark und lösungsorientiert
Die Gründerin des Netzwerks Chancen
Natalya Nepomnyashcha [AUDIO]
spricht von der "siebten Dimension" soziale Herkunft. Sie habe Einfluss darauf, "wie wir denken, wie wir an Herausforderungen herantreten". Es sei nachgewiesen, dass Teams bessere Ergebnisse lieferten, wenn deren Mitglieder aus unterschiedlichen sozialen Schichten stammten.
Soziale Aufsteigerinnen seien sehr durchsetzungsstark und lösungsorientiert, sagt Nepomnyashcha – Eigenschaften, die Arbeitgeber heute suchten. Denn die Aufsteigerinnen und Aufsteiger hätten sich gegen Widerstände behauptet, sie seien einen nicht vorgegebenen Weg gegangen.