Thomas Ammann: "Die Machtprobe"
Edition Körber
352 Seiten, 18 Euro
Aus 2016 wenig gelernt
15:43 Minuten
Die Rolle, die Facebook, Twitter und Co. im letzten US-Wahlkampf gespielt haben, war keine rühmliche. Seitdem gab es viele Entschuldigungen und noch mehr Versprechungen. Doch wirklich gerüstet sind die Plattformen für die Wahl im November nicht.
Anfang November ist es soweit: Dann wird sich entscheiden, ob Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten bleibt oder ob er von Herausforderer Joe Biden geschlagen wird. Wie schon bei der letzten Wahl richten auch dieses Jahr alle ihren Blick auf die Sozialen Medien und welchen Einfluss Facebook, Twitter und Co. auf die Entscheidung über den nächsten Präsidenten der USA haben werden.
Schließlich gab es 2016 viel Desinformation und politische Einflussnahme – auch aus dem Ausland – auf den Plattformen. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass sich das auch im Wahlergebnis niedergeschlagen hat.
Nun haben die sozialen Netzwerke Maßnahmen eingeleitet, damit es dieses Jahr anders läuft. Einer, der zumindest skeptisch ist, ob diese Änderungen reichen, ist Thomas Ammann. Der Journalist ist ehemaliger stellvertretender Chefredakteur des "Stern" und widmet sich in seinem neuen Buch "Die Machtprobe – Wie Social Media unsere Demokratie verändern" dem Einfluss, den die Plattformen auf unserem Alltag und auch auf die Wahlen haben.
Ein hausgemachtes Problem
Ammann findet die Schritte von Facebook und Twitter überfällig und im Hinblick auf die US-Wahl als zu spät implementiert, da sich die Wählerinnen und Wähler entweder gerade festlegen würden oder sogar schon gewählt hätten. Die wirkliche Crux sei ohnehin eine andere:
"Eines der großen Probleme, die im Zusammenhang mit politischer Einflussnahme und und politischer Desinformationen eine Rolle spielen, sind die Algorithmen, die diese Unternehmen sich selbst verordnet haben. Mit denen sie selber auch ihre traumhafte Gewinne erwirtschaften und die eigentlich dazu führen, dass insbesondere Fake-News und Tweets am meisten Resonanz finden, die provozieren oder die extreme politische Positionen vertreten."
Die große Gefahr geht vom Microtargeting aus
Eine große Gefahr, die Ammann in der Macht der Sozialen Medien sieht, ist das sogenannte Microtargeting. Dort werden so spezifisch Daten gesammelt und personalisiert, dass extrem spezifische Botschaften an die jeweiligen Empfängerinnen und Empfänger gesendet werden. So würden einerseits bestimmte Leute zur Wahl eines bestimmten Kandidaten motiviert oder andere sogar von der Partizipation abgehalten werden:
"Es werden ja Meldungen gezielt an Leute verteilt, mit dem Ziel, sie von der Wahl abzuhalten, weil sie möglicherweise den Konkurrenten wählen könnten. Und dieses wird durch das Microtargeting natürlich massiv unterstützt, weil die Parteien und die Leute, die die Kampagnen konstruieren, natürlich ein Bild von ihren Wählerinnen und Wählern bekommen, wie sie es vorher nie bekommen konnten."
Das US-Problem ist nicht auf Europa übertragbar
Mit Blick auf die Bundestagswahl 2021 sagt Ammann, dass die Politik in Europa das massive Problem mit den Sozialen Medien und ihrem Einfluss auf den demokratischen Diskurs erkannt habe und dagegen ansteuere.
So sei es gelungen die Plattformen im Vorfeld der letzten Europawahl zu einer Selbstverpflichtung zu bewegen, auf die man sie im Zweifel auch festnageln könne. Neben diesem Regelwerk gäbe es in der EU jedoch auch einen weiteren Vorteil gegenüber den USA:
"Der europäische Datenschutz, vor allem der in Deutschland, ist deutlich stärker. Von daher sind bestimmte Methoden des Microtargeting oder der gezielten Ansprache mit Fake News schwieriger geworden. Aber das Problem wird bleiben."
Keine guten Aussichten
Ammann sieht außerdem nicht, dass Nutzerinnen und Nutzer der Plattformen ihrer eigenen Verantwortung bewusst geworden sind. Zu oft würden noch teils offensichtliche Falschmeldungen auf WhatsApp und anderen Messenger verbreitet werden:
"Also man ist schon sehr anfällig geworden für diese Form von Beeinflussung. Das hat auch mit der Schnelllebigkeit zu tun. Und natürlich auch mit der Tatsache, dass Quellen in aller Regel überhaupt nicht zurückzuverfolgen sind. Insofern bin ich eigentlich eher pessimistisch."
(hte)