Sozialer Arbeitsmarkt

Bremen schafft Jobs für Flüchtlinge und Langzeitsarbeitlose

Zwei PASS-Teilnehmer reinigen in Bremen eine Treppe. Im Rahmen eines Kooperationsprojektes zwischen der Förderwerk Bremen GmbH und der Gewoba erbringen sie Concierge-Dienste.
Zwei PASS-Teilnehmer reinigen in Bremen eine Treppe. © Erik Zoellner / Senatorische Behörde für Wirtschaft, Arbeit und Häfen
Von Felicitas Boeselager |
16.000 Langzeitarbeitslose gibt es in Bremen, viele haben auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum Chancen. Für sie hat Bremen das Projekt "Perspektive Arbeit Saubere Stadt" gegründet: Reinigungsjobs in der Stadt zu Tariflohn und mit Sozialversicherung.
Halb Acht an einem Donnerstagmorgen, in einem Konferenzraum in der Geschäftsstelle der Jugendhilfe Soziale Arbeit Bremen, kurz JUS. Die Spielplatzpfleger planen ihre heutige Route und die Aufgaben des Tages.
"Guten Morgen, erstmal an Alle. Ich weiß nicht, ob ich jetzt alle schon gesehen habe. Ja, fangen wir doch direkt mal mit den Spielplatzpflegern an."

"Ich bin total begeistert von dem Projekt"

Seit knapp drei Monaten arbeiten hier acht Männer und Frauen, räumen täglich Bremer Spielplätze auf. Finanziert wird das Ganze durch ein Langzeitarbeitslosen-Programm der Stadt. Die Initiative – "Perspektive Arbeit Saubere Stadt" – PASS richtet sich speziell an Alleinerziehende, Geflüchtete und Langzeitarbeitslose über 50 Jahre. Sozialpädagoge Christian Poppe ist Abteilungsleiter bei JUS:
"Es ist erstmal, finde ich, total schön zu sehen, dass die neuen Kollegen, dass die sich freuen über die Arbeit, dass die sich dieser Aufgabe schnell angenommen haben, dass sie Verantwortung für ihre Spielplätze übernommen haben und diese Wertschätzung, die sie erfahren, dadurch, dass sie eine sinnvolle Aufgabe haben. Es ist für uns ein Gewinn zu sehen, dass die Spielplätze sauberer werden. Es ist für die Kinder und Anwohner deutlich spürbar, dass da mehr passiert, also ich glaub mehr positive Effekte sind fast gar nicht möglich. Also ich bin total begeistert von dem Projekt."

Ein Job mit Tariflohn und Sozialversicherung

Samir und Seham Abou Assi, Abou Assi, Seham, Heiko Gracz, und Shaher Khezam radeln los. Die Fahrräder haben Anhänger, voll mit Besen, Rechen, Müllbeuteln und Werkzeug. Seham kommt aus Syrien und hat erst für diese Stelle Fahrradfahren gelernt, erzählt sie stolz: "Ich habe zwei Hobbys: Fahrradfahren, erstes Hobby." Ihr zweites Hobby ist Deutschlernen, auch wenn sie sagt, dass das Sprechen ihr noch sehr schwerfällt.
Am ersten Spielplatz ist noch weit und breit kein Kind zu sehen. Die Gruppe recht den Boden, sammelt Müll auf, leert die Mülleimer und rupft Unkraut. Für diese Arbeit werden die Männer und Frauen nach Tariflohn bezahlt und sind sozialversichert. Samer, Souads Mann, ist in derselben Gruppe wie sie:
"Arbeit gut, nicht Geld von Jobcenter, ich nicht gerne nehme Geld von Jobcenter. Ich bezahlen wohnen, ich bezahlen essen, ich bezahlen alles. Ich habe gesagt zu meiner Firma, gerne machen Vertrag unbefristet."

Das Projekt ist befristet

Das Projekt geht aber erstmal nur bis 2019, in dieser Zeit soll die Maßnahme beobachtet und bewertet werden, sagt Tim Cordßen, Sprecher des Bremer Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen.
"Aber es zeichnet sich für uns sehr deutlich ab, dass es die richtige Entscheidung war, diese Programme einzuführen und wenn man sich die Effekte anguckt, kommen wir auch jetzt schon zu dem Eindruck, dass eine Verstetigung durchaus gerechtfertigt ist."

16.000 Menschen sind in Bremen langzeitarbeitslos

Das Projekt zu entfristen hieße dauerhaft einen sozialen Arbeitsmarkt in Bremen zu schaffen. In Bremen gelten etwa 16.000 Menschen als langzeitarbeitslos – während die Arbeitslosenzahl in der Hansestadt insgesamt sinkt, bleibt die Zahl der Langzeitarbeitslosen konstant. Es sei nicht das primäre Ziel des Programms die Teilnehmer in den ersten Arbeitsmarkt zu überführen, betont Cordßen.
"Das kann man nicht über ein solches Programm abbilden oder erreichen, so ein Ziel. Damit würden wir, glaube ich, alle, sowohl programmseitig, als auch teilnehmendenseitig letztlich überfordern. Das Ziel ist Leute wirklich rauszuholen, aus ihrer Situation. Das heißt, es ist erstmal Programmziel überhaupt Menschen zurückzuführen in eine sozialpflichtige Beschäftigung."

Manche Langzeitarbeitslose bräuchten erstmal ein Coaching

Rene Böhme forscht am Institut für Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen zur Armutspolitik der Stadt. Er sieht viele positive Aspekte an den Maßnahmen, aber nicht nur:
"Das ist natürlich das Problem, dass wir jetzt beginnen, wo wir zum Teil schon eine verhärtete Langzeitarbeitslosigkeit von zehn bis zum Teil ja 20 Jahren haben. Und jetzt zu kommen und zu sagen, jetzt müssen die Leute bereit sein in unsere Projekt zu kommen, denn jetzt haben wir uns als Politik entschlossen beim sozialen Arbeitsmarkt wieder eine Schippe drauf zu legen, das ist einfach dann zu kurz gedacht. Die Menschen sind nicht in der Situation, die sind sozusagen so weit weg vom Arbeitsmarkt, dass sie auch von einem zweiten Arbeitsmarkt zu weit weg sind, dass man da entsprechend auch mit Coaching-Ansätzen, die Menschen erst ranholen muss."

Kritik an den Plänen des Bundesministers

Die Hürden, um an den Maßnahmen teilnehmen zu können, seien für viele Langzeitarbeitslose noch zu hoch, sagt auch Cordßen. Für viele sei es keine Selbstverständlichkeit jeden Morgen zur selben Zeit beim selben Arbeitgeber zu stehen. Aus dieser Erfahrung heraus kritisiert er die Pläne des Bundesministers Hubertus Heil.
Dessen Gesetzentwurf sieht vor, staatlich finanzierte Stellen für Langzeitarbeitslose zu schaffen, die mehrere Jahre nicht gearbeitet haben. Diese Menschen hätten sich aber, laut Cordßen, schon weit von einer Beschäftigungsfähigkeit entfernt, für sie bräuchte es andere Maßnahmen: Coaching und Betreuung zum Beispiel.

Keine Konkurrenz zum ersten Arbeitsmarkt

Die Kritik, dass ein sozialer Arbeitsmarkt reguläre Arbeitsplätze verdränge, hält Sozialwissenschaftler Böhme für unbegründet. Die meisten Maßnahmen konkurrierten nicht mit Berufen im ersten Arbeitsmarkt. Böhme sieht andere Schwachstellen, er spricht von einer "Doppelzüngigkeit der öffentlichen Hand".
"Das ist ja auch der Vorstoß von Michael Müller, des Berliner Bürgermeisters, gewesen, der gesagt hat, er könnte in Berlin so viele Stellen benennen, wo er Menschen auch im sozialen Arbeitsmarkt einsetzen könnte, sei es in Schulen, sei es in Pflegeheimen, sei es im Bereich der öffentlichen Grünpflege. Das sind natürlich alles originäre Funktionen der öffentlichen Daseinsvorsorge, wo ich mir sagen könnte: Wenn es da diese Defizite gibt und da Bedarfe da sind, warum versetzt man dann Kommunen nicht in die finanzielle Lage, diese Aufgaben dann tatsächlich auch zu bewältigen?"

Die Spielplatzpfleger sind stolz auf ihre Arbeit

Die Spielplatzpfleger sind inzwischen an ihrem vierten Spielplatz angekommen. Sorgfältig listen sie auf, was sie erledigt haben. Sie sind sich alle darin einig, einen guten Job zu haben.
"Man kommt mit verschiedenen Leuten in Kontakt, mit kleinen Kindern, mit den Eltern kann man reden teilweise, die kommen dann auch an und so. Hat schon was, der Job ist richtig gut, ich bin froh, dass ich ihn hab."
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