Sozialer Wohnungsbau in Berlin

Die selbst produzierte Wohnraumkrise

Plattenbau in Berlin
Plattenbau in Berlin © dpa/picture-alliance/Britta Pedersen
Von Susanne Arlt |
Sozialwohnungen in Berlin sind zu teuer. Schuld daran sind das frühere Fördersystem und ein falsches Immobilienmanagement des Senats: Er hätte viel vorausschauender auf die Entwicklungen am Wohnungsmarkt reagieren müssen. Susanne Arlt hat sich in der Hauptstadt umgeschaut.
Das neue Wohnraumversorgungsgesetz, das die Berliner Abgeordneten vor einer Woche beschlossen haben, liest sich gut. Die hohen Mieten im sozialen Wohnungsbau sollen ab dem kommenden Jahr bezuschusst werden. Wer einen Wohnberechtigungsschein besitzt, muss nur noch maximal 30 Prozent seines Einkommens für die Kaltmiete ausgeben. Liegt die Miete darüber, wird sie staatlich subventioniert. Zumindest bis maximal 2 Euro 50 pro Quadratmeter. Der Senat rechnet damit, dass die neue Mietzuschussregelung das Land etwa 40 Millionen Euro im Jahr kosten wird.
Kritik des Mietervereins
Berlin hätte es deutlich günstiger haben können, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer vom Berliner Mieterverein. Hätten die rot-schwarzen Landesregierungen Jahrzehnte zuvor ihre Hausaufgaben gemacht. Dass die Sozialwohnungen in Berlin heute so teuer sind, liegt an dem früheren Fördersystem, sagt Reiner Wild:.
"Wir haben also eine Absurdität, dass aufgrund der Fördersystematik in Berlin, die im Jahre 1972 eingeführt wurde, Sozialwohnungen im Prinzip zu teuer sind. Deswegen gibt es hier auch die Bestrebungen, die Mieten in den bestehenden Sozialwohnungen zu senken, nach unserer Auffassung nicht ausreichend, weil tatsächlich eine Novelle der Mietenstruktur und eine Reform der Mietenstruktur in bestehende Sozialwohnungen dringend erforderlich wäre in Berlin. Das muss unserer Einschätzung nach auch parallel mit der Neubauförderung geschehen, damit die Fehler der Vergangenheit nicht auch die Fehler der Zukunft werden."
Kredit- statt Baukostenfinanzierung
Anfang der 60er-Jahre waren Wohnungen in Westberlin Mangelware. Das Land vergab darum langfristige Baudarlehen an Privatinvestoren. Da das Geld für den Sozialwohnungsbau nicht reichte, kam man auf die Idee, nicht mehr die Baukosten, sondern die Kredite zu finanzieren. Ein Modell, das zur Selbstbedienung einlud. Privatbanken ließen sich die Kredite sehr lange und sehr gut vom braven Steuerzahler bezahlen. Der Effekt: Die Gebäude wurden doppelt so teuer. Das Programm wurde zwar 2001 endlich gestoppt wurde, danach lag das Thema sozialer Wohnungsbau aber erst einmal brach. Reiner Wilds Einschätzung:
"Es ist in Berlin im Bereich des sozialen Wohnungsneubaus so gut wie gar nichts passiert. Die letzten Sozialwohnungen sind etwa 2001 gefördert worden. Ursache dafür ist, das die Bevölkerungsentwicklung aus Sicht des Senats sich anders als die Prognosen erwartet haben ergeben haben. Es gab weniger Zuwanderung. Das führte zur Einstellung der sozialen Wohnraumförderung, das Land Berlin hat ab 2000 praktisch überhaupt kein Euro mehr in die Wohnungsbauförderung gesteckt."
Verkauf von städtischen Wohnungsunternehmen
Was sich heute rächt. Ein vorausschauendes Immobilienmanagement seitens des Senats wäre hilfreich gewesen, um die jetzt eingetretene Krise am Wohnungsmarkt besser vorzubereiten, meint Reiner Wild. Dass es in Abständen von zehn bis fünfzehn Jahren gerade in Großstädten immer wieder Wellen am Wohnungsmarkt gebe, sei nichts Neues, meint der Geschäftsführer vom Berliner Mieterverein.

"Insofern hätte man etwas vorausschauender agieren können. Und dann hätte man ein paar Dinge in Anbetracht der jetzigen Nachfrage besser bewerkstelligen können."
Und noch ein Fehler rächt sich heute. Angesichts der hohen Verschuldung verkaufte der Berliner Senat Ende der 90er und Anfang 2000 zwei seiner städtischen Wohnungsunternehmen. Von ungefähr 480.000 öffentlichen Wohnungen wurde die Hälfte privatisiert. Teilweise werden genau diese Wohnungen jetzt von Fonds geleitet, von internationalen Investmentgesellschaften, die an der Börse sind.
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