Soziologe

Wie Max Weber die Agenda 2010 sehen würde

Der Historiker Hans-Ulrich Wehler
Der Historiker Hans-Ulrich Wehler © picture alliance / dpa / Matthias Benirschke
Der Historiker Hans-Ulrich Wehler beschreibt Max Weber als "außerordentlich anregenden Mann" und bewundert ihn vor allem für seine Sozialökonomie. Wehler vermutet, der große Soziologe hätte die Agenda 2010 unterstützt. Kritik an Hartz IV hätte er vielleicht trotzdem geübt.
Vor 150 Jahren wurde der Begründer der modernen Soziologie, Max Weber, am 21. April 1864 in Erfurt geboren. Eine seiner bekanntesten Veröffentlichungen ist "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus". Über die wichtigsten Thesen dieses Buches und über Webers Einfluss auf die Gegenwart spricht der Historiker Hans-Ulrich Wehler im Deutschlandradio Kultur.
In seiner eigenen Essay-Sammlung "Die Deutschen und der Kapitalismus" lobt Wehler Max Weber für seine Sozialökonomie als "Theoretiker mit einem scharfen Realitätssinn und einem ungleich weiteren Horizont als ihn etwa die Markt-Dogmatiker seinerzeit besaßen". Weber habe sehr genau gesehen, "was die liberale Schule in den letzten Jahren verdrängt hat", erklärt Wehler im Gespräch, "dass man immer zusammensehen muss - den staatlichen Herrschaftsapparat und das Wirtschaftssystem." Der Staat stelle das wichtige Rahmenwerk zur Verfügung, in dessen Rahmen sich der Kapitalismus entfalte.
Weber habe als Mensch seinen Zeitgenossen zahlreiche Ansatzpunkte gegeben, um eigene Ideen weiterzuentwickeln, erläutert Wehler. Nicht nur für die Soziologe sondern auch für die Geschichtswissenschaft sei Weber wichtig gewesen, "aber Webers Einfluss auf die Geschichtswissenschaft ist immer noch nicht hinreichend und weit genug, so dass man nicht sagen könnte: Endlich kommt dieser außerordentlich anregende Mann zum Zuge".
Auf die Frage, ob Max Weber heutzutage die SPD unterstützen würde, antwortet Wehler: "Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Weber die Agenda 2010 - das ist in meinen Augen die größte sozialpolitische Leistung in Deutschland in den letzten 100 Jahren -, dass er so ein großartiges Werk unterstützt hätte, dass er aber am nächsten Tag, wenn er kritisch gefragt worden wäre - da das ja schließlich auch nur Menschenwerk ist und kein ideales Gesetz -, dass er über Hartz IV scharfe Kritik geäußert hätte und eine Veränderung gefordert hätte. Ob er sich mit der derzeitigen SPD-Führung wirklich angefreundet hätte, das will ich mal ganz offen lassen."