Wenn bereits die Mittelschicht weggentrifiziert wird
Manche Mieter müssen inzwischen die Hälfte des im Monat verfügbaren Geldes für die Miete ausgeben. Zu diesem Ergebnis einer Studie sagt der Stadtsoziologe Dieter Rink, in manchen Städten verdränge bereits eine zweite Gentrifizierungswelle die Mittelschicht. Die Politik müsse wieder Verantwortung übernehmen.
Bei der Wohnungssuche im Internet stößt man auf Angebote wie: 1,5-Zimmer-Wohnung in Köln, 40 Quadratmeter für 600 Euro kalt; 37 Quadratmeter in Frankfurt am Main für 980 Euro kalt; oder drei Zimmer in München, 80 Quadratmeter: 2250 Euro kalt.
Angesichts solcher Preise stellt sich schnell die Frage: Wer kann das bezahlen - und was passiert mit jenen, die es nicht können? In vielen Städten müssten die Beschäftigten 40 oder sogar bis zu 50 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für die Warmmiete aufbringen, hieß es vom Deutschen Gewerkschaftsbund, der am heutigen Montag in Berlin eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung vorgestellt hat. Die Kaltmiete betrage häufig ein Drittel dessen, was Menschen im Monat zur Verfügung haben.
Das bedeute, dass Menschen sich in anderen Bereichen einschränken müssten, sagt Dieter Rink, Stadtsoziologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, im Deutschlandfunk Kultur. In Großstädten mit angespanntem oder sehr angespanntem Wohnungsmarkt werde so gut wie nicht mehr umgezogen. Eine weitere Folge sei Gentrifizierung: "Haushalte mit niedrigeren Einkommen werden verdrängt."
Das führe dazu, dass die soziale Mischung zurückgeht, und damit zur sogenannten Gentrifizierung. "Dass sich im Prinzip nur noch Mittelschichthaushalte, Besserverdienende diese Quartiere leisten können." In Städten wie München habe sich diese Spirale bereits weiter gedreht. "Dort wird in einer zweiten Gentrifizierungs-Welle dann schon die Mittelschicht aus den entsprechenden Quartieren verdrängt. Da spricht man dann von Hypergentrifizierung."
Kommunen brauchen die nötigen Mittel
Zwar gebe es, vor allem bei besonders extremen Beispielen von Gentrifizierung, immer mal wieder lautstarke Proteste. Die Gefahr sozialen Unfriedens sieht Rink in Folge der sozialen Entmischung vieler Stadtviertel nicht. "Das ist eher ein stiller Prozess, wo eben Haushalte dann einfach in andere Lagen ziehen oder auch ins Umland ziehen, weil sie in der Stadt nichts mehr finden. Das merkt man vielfach gar nicht."
Verantwortlich für die Entwicklung sei besonders die Politik, die sich in den vergangenen 20 bis 30 Jahren immer weiter aus der Verantwortung im Bereich Wohnen zurückgezogen habe.
Bei Lösungsansätzen müsse man sich auf die Kommunen konzentrieren, die besonders betroffen seien, erklärt der Stadtsoziologe: bestimmte Metropolen, Großstädte, einige Universitätsstädte. Es sei kein flächendeckendes Phänomen wie etwa die Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg.
"Was gebraucht wird ist, eine Programmatik für soziale Wohnungsbauförderung und auch eine dauerhafte große Ausstattung mit Mitteln, die beispielsweise vom Bund und den Ländern den Kommunen, wo diese Frage am stärksten brennt, zur Verfügung gestellt werden."
(abr)