"Es ist vor allem ein medial aufgebauschtes Thema"
Vegan ernähren oder nicht? Dieser Streit wird auch schon mal hitzig geführt. Es gäbe in der Debatte einige Punkte, die dazu verführen, emotional zu werden, meint der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl - was aber nicht darüber hinwegtäuscht, dass es vor allem ein Thema der gebildeten Mittelschicht sei.
Der "Welt-Vegan-Tag", der heute begangen wird, wurde von der britischen "Vegan Society" ausgerufen, die für pflanzliche Kost gänzlich ohne tierische Produkte wirbt. Wir sprechen über die vegane Ernährung mit dem Ernährungssoziologen Daniel Kofahl vom Büro für Agrarpolitik und Ernährungskultur (APEK).
Auszug aus dem Interview:
Julius Stucke: Für die Seite der Veganer kann man es ja noch verstehen, weil sie sagen: Ich möchte das Tier schützen, und deshalb kann ich nicht so richtig ruhig mit einem reden, der das nicht will. Aber in die andere Richtung könnte man doch etwas mehr Entspannung erwarten – oder?
Daniel Kofahl: Man muss bei dem Thema sagen, es gibt einige Punkte, die dazu verführen, emotional zu werden. Der Grundgedanke des Veganismus ist ja, dass man aus Gründen des Tierschutzes, zur Verminderung von Tierleid – also aus sehr starken moralischen Imperativen heraus, sagt: Man darf das nicht essen! Man macht dem anderen, der das noch tut, ein ganz schlechtes Gewissen und hat gleichzeitig die Vorstellung, dass der, der das weiter isst, jemand ist, der gegen ganz fundamentale menschliche Prinzipien des guten Lebens verstößt. Und bei den Fleischliebhabern ist es wiederum so, dass die anderen ihnen eben das Leben madig machen wollen. Ernährung ist seit unserer Kindheit gelernt, und da möchte man sich nicht so einfach etwas vorschreiben lassen.
Ein urbanes Phänomen
Julius Stucke: Ist Veganismus ein Großstadt-Phänomen?
Daniel Kofahl: Nicht nur Vegetarismus, also der Verzicht auf Fleisch, sondern auch der Veganismus, also der Verzicht auf alle möglichen tierischen Produkte ist ein Phänomen, das nur eine ganz kleine Minderheit der Gesellschaft praktiziert. Ein Prozent, vielleicht sogar weniger. Das ist ein urbanes Phänomen der gebildeten Mittelschicht – auch von jungen Menschen. In der großen Breite der Bevölkerung – im ländlichen Raum – wird das gar nicht wahrgenommen. Es ist vor allem ein medial aufgebauschtes Thema. Hier hat man das Gefühl, eine Minderheit will der Mehrheit sagen, wie sie sich richtig zu verhalten hat.