Soziologe zur vorherrschenden Asyl-Debatte

Wohnungsbau? Altersvorsorge? War da was?

12.06.2018, Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau unterhalten sich Beginn der CDU/CSU-Fraktionssitzung im Bundestag.
Streit in der Parteifamilie: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Bundeskanzlerin Merkel (CDU) © picture alliance / dpa / Kay Nietfeld
Holger Lengfeld im Gespräch mit Dieter Kassel |
Seit Wochen wird in der deutschen Öffentlichkeit über kaum etwas anderes als über den Asylstreit gesprochen. Der Soziologe Holger Lengfeld findet das nachvollziehbar: In Deutschland sei man es einfach nicht gewohnt, Regierungskrisen zu haben. Das bewege die Menschen.
Digitalisierung? Wohnungsbau? Altersvorsorge? Diesen Problemen wollte sich die Große Koalition eigentlich widmen. Doch davon hört man derzeit wenig. In den Medien werde vor allem das dargestellt, was beschlussfähig sei oder innerhalb der Koalition Kontroversen auslöse, erklärt Lengfeld. Kontroversen seien aber in der derzeitigen Regierungskrise "gar nicht austragbar" in der Koalition, die Regierung durch den Asylstreit "paralysiert". Dennoch arbeite der politische Apparat weiter.

Wer ist schuld?

Wer "schuld" daran sei, dass die öffentliche Debatte so von einem Thema dominiert werde, sei für ihn schwer einzuschätzen, so der Soziologe an der Universität Leipzig. Schuldfragen würden sich in der Regel so nicht stellen:
"Man muss, glaube ich, wirklich den Punkt sehen, dass wir in Deutschland es nicht gewohnt sind, Regierungskrisen zu haben, und vor allen Dingen eine vom Schlag eines internen Streits innerhalb einer Parteifamilie, also der Union. Das ist ja eine sehr ungewöhnliche Situation. In einer Regierung, die ja schon sehr schwer überhaupt zustande gekommen ist, jetzt nach einem Dreivierteljahr nach der Wahl quasi die Option zu sehen, dass es wieder Neuwahlen geben könnte, das ist ja ein Thema, das die Leute bewegt."

Neuwahlen als Damoklesschwert

Sollte Bundesinnenminister Seehofer tatsächlich wie angekündigt im Alleingang Entscheidungen treffen und die Bundeskanzlerin ihn entlassen müssen, bräuchte es Neuwahlen: "Solange das droht wie so ein Damoklesschwert, ist es, glaube ich, sehr schwer, sich jetzt in die vereinzelten Debatten von Infrastrukturförderung und Brückenbau zu begeben – öffentlich jedenfalls."
(bth)
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