Soziologin zu Hongkong-Protest

"Gewalt ist auch ein Instrument, um Politik zu machen"

06:46 Minuten
Ein im Demonstrant wird in Hongkong von Polizisten abgeführt. Er ist am Kopf verletzt, Blut rinnt über das Gesicht. Die Polizisten tragen Helme und Atemschutzmasken. Ein Fotograf fotografiert die Szene.
Ein verletzter Demonstrant wird in Hongkong von Polizisten abgeführt. © AFP/Anthony WALLACE
Teresa Koloma Beck im Gespräch mit Anke Schaefer |
Audio herunterladen
Wenn Proteste in Gewalt umschlagen, bedeute dies nicht "das Ende des Politischen", sagt die Soziologin und Konfliktforscherin Teresa Koloma Beck. Allerdings bestehe das Risiko, dass ein berechtigtes demokratisches Anliegen dadurch Schaden nehme.
In Hongkong eskaliert die Gewalt zwischen Sicherheitskräften und Regierungsgegnern. Die Polizei kesselte Demonstranten in einer Universität ein, errichtete Absperrungen und schlug mehrere Ausbruchsversuche mit Gummigeschossen und Tränengas zurück.
Seit Juni demonstrieren immer wieder Zehntausende Menschen in der chinesischen Sonderverwaltungszone für Demokratie und gegen die Regierung, der sie eine zu große Nähe zur Führung in Peking vorwerfen. Zuletzt wurde ein Beamter mit einem Pfeil verletzt.
Der Bürgerrechtler Joshua Wong verteidigte das gewaltsame Vorgehen der Demonstranten. "Mit rein friedlichem Protest werden wir unser Ziel nicht erreichen, allein mit Gewalt allerdings auch nicht. Wir brauchen beides", sagte Wong der "Süddeutschen Zeitung".

"Eskalierende Eigendynamik der Gewalt"

Angesichts der gewalttätigen Zusammenstöße in der Sonderverwaltungszone stellt sich die Frage nach einem möglichen Bürgerkrieg in Hongkong. "Was wir beobachten ist, dass der Übergang von Protest zu Bürgerkrieg unvorhersehbar und auch gar nicht so genau zu definieren ist", stellt dazu die Soziologin und Konfliktforscherin Teresa Kolomba Beck fest.
Die Tragik liege darin, wenn es tatsächlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Protestierenden komme, " ist man in so einer eskalierenden Eigendynamik der Gewalt drin". Und damit werde es schwierig, das politische Projekt aufrechtzuerhalten.

Gewalt generiert Aufmerksamkeit

Dennoch sei auch Gewalt "ein Instrument, um Politik zu machen", meint die Soziologin. Wenn es darum gehe, ein Thema überhaupt erstmal auf die Agenda zu bringen, habe sich das Instument der Gewalt in vielen historischen Fällen als äußerst erfolgreich erwiesen.
Koloma Beck glaubt aber, dass man in Hongkong jetzt schon in einer Situation sei, wo das Risiko bestehe, dass die Kosten, die es verursacht, wenn man sich auf diese eskalierende Interaktion einlässt - "vor allen Dingen der Legitimitätsverlust" -, am Ende dem eigentlichen politischen Projekt schaden.
(huc)
Mehr zum Thema