Wer entscheidet über den Bergbau im All?
Die USA wollen mit dem Space Act US-Firmen Schürfrechte im All zusichern. Das ist paradox, denn es ist gar nicht klar, wer das Recht hat, Rechte zu vergeben. Und überhaupt erschließt sich der Sinn des Gesetzes erst mit Gedanken von Michel de Montaigne.
Auf Michel de Montaigne geht die Einsicht zurück, dass Gesetze ihre Wirkungsmacht in sich selbst tragen.
"Die Gesetze [so schrieb der französische Essayist] genießen dauerhaftes Ansehen und verfügen über einen Kredit, nicht etwa, weil sie gerecht sind, sondern weil sie Gesetze sind: Das ist der mystische Grund ihrer Autorität."
Was das mit dem Space Act zu tun hat? Nun, der Gesetzgeber in den USA steht kurz davor, US-Firmen Schürfrechte im All zuzusichern - und zwar mit einem Gesetz, das strikt dem Diktum Montaignes folgt: Sein einziger Zweck wäre es, als Gesetz zu existieren und dadurch Autorität zu gewinnen.
Denn trotz zunehmender privatwirtschaftlicher Weltraumfahrt steht bis heute gar nicht eindeutig fest, wer überhaupt das Recht hat, Nutzungsrechte für das All und die Himmelskörper zu vergeben.
Zwar existiert seit 1967 der von den USA ratifizierte UN-Weltraumvertrag. Der spricht den Weltraum der "ganzen Menschheit" zu, erlaubt auch Forschung und Nutzung, verbietet irdischen Staaten aber, im All militärisch zu operieren oder Himmelskörper zu okkupieren und als Eigentum zu deklarieren. So weit, so klar.
Umstritten ist jedoch, was Privatpersonen und Unternehmen im All konkret tun dürfen und lassen müssen. Zwar untersagt der ergänzende Mondvertrag von 1979 die Ausbeutung des Alls zum privaten Vorteil - doch den Mondvertrag haben die USA, wie viele andere Staaten, nicht unterzeichnet.
Amerikanischer Wirtschaftsimperialismus mit galaktischer Dimension?
Und so entsteht eine paradoxe Situation: Zählt man, was nahe liegt, Privatpersonen und Unternehmen zu der im Weltraum-Vertrag erwähnten "ganzen Menschheit", können sie den Raum in ihrem Sinne nutzen - also wohl auch kommerziell. Das neue US-Gesetz wäre der Sache nach überflüssig, denn es gälte: Allen ist sowieso erlaubt, was nicht verboten ist.
Interpretiert man mit einigen europäischen Experten den Geist des UN-Vertrags aber so, dass Ressourcen-Ausbeutung im All - ob nun staatlich oder privat - immer unstatthaft ist, griffe das US-Gesetz ins Leere. Denn das All gehört gewiss nicht zum natürlichen Geltungsbereich amerikanischen Rechts.
Womit klar ist: Die Gesetztes-Initiative zielt auf die mystische Autorität, die laut Montaigne jedem Gesetz per se zu eigen ist.
Amerikanische Firmen werden sich künftig darauf verlassen, dass sie zumindest innerhalb ihres eigenen Landes in Sachen space mining Rechtssicherheit haben. Und Kritiker werden schimpfen: Ein Fall von typisch amerikanischem Wirtschaftsimperialismus - dieses Mal in galaktischer Dimension.
Kommen auf uns künftig auch noch außerirdische Probleme zu?
Denn so viel ist unstrittig: Aufgrund des gesetzgeberischen Alleingangs der USA geht "die ganze Menschheit", dieses stolze Subjekt und Objekt des UN-Weltraumvertrags, de facto mal wieder in partikularen kapitalistischen Interessen auf - und unter.
Das aber entspricht der trüben Diagnose Immanuel Kants: "Die Idee der Menschheit [...] fehlt den meisten Menschen."
Worauf amerikanische Freunde des Bergbaus im All allerdings mit Carl Schmitt entgegnen könnten: "Wer Menschheit sagt, der will betrügen."
Ob so oder so: Vieles deutet darauf hin, dass zu unseren irdischen zukünftig immer mehr außerirdische Probleme hinzukommen.
Ein Umstand, über den der Weltraum-Denker Hans Blumenberg in "Die Vollzähligkeit der Sterne" nachgedacht hat: "Die Erde [so lautet Blumenbergs gelassene Einschätzung] bleibt das Schicksal des Menschen, auch wenn er sie eines Tages aus der Ferne des Raumes nicht mehr erblicken können sollte: Er macht aus allem, was er bewohnt und befährt, kleine Erden mit ihrer und seiner Geschichte."