Spaenle: Dreigliedriges Bildungswesen ist von Gestern
Der bayrische Staatsminister für Unterricht und Kultus, Ludwig Spaenle (CSU), hält unterschiedliche Schulsysteme in verschiedenen Bundesländern durchaus für berechtigt. Entscheidend sei, dass dabei gemeinsame inhaltliche Standards an allen deutschen Schulen eingehalten würden, sagte der neue Präsident der Kultusministerkonferenz.
Jan-Christoph Kitzler: Deutschland soll zur Bildungsrepublik werden, das will die Bundeskanzlerin und das wollen auch viele Bildungspolitiker aller Parteien. Die Frage ist nur, wie das passieren soll. Einig ist man sich:Dazu braucht es mehr Geld. Aber wie gibt man das am besten aus? – Zum Beispiel bei den Schulen kocht jedes der 16 Bundesländer sein eigenes Bildungssüppchen mit ganz unterschiedlichen Modellen. Die oberste Instanz, die für einheitliche Standards in Deutschlands Schulen sorgen will, ist die Kultusministerkonferenz, und deren Präsident ist der bayerische Kultusminister Jürgen Spaenle. Guten Morgen!
Jürgen Spaenle: Grüß Gott!
Kitzler: Sie haben gesagt, als neuer KMK-Präsident wollen Sie die Einheit in der Vielfalt bewahren. Vielfalt haben wir bei den Schulen schon reichlich. Wo soll die Einheit herkommen?
Spaenle: Wir müssen, glaube ich, die Letztgestaltungskompetenz der Länder, die zurecht aus meiner Sicht, auch aus staatspolitischen Gründen auf der föderalen Ebene angesiedelt ist, mit der gesamtstaatlichen Verantwortung zusammenbringen. Das klingt jetzt sehr weit gesteckt. Ganz praktisch gibt es seit Mitte des Jahrtausends - oder des ersten Jahrzehnts - eine Strategie, die sich mit inhaltlichen Standards letztlich für die Kernfächer in bestimmten Abschlüssen daran orientiert. Zwischen Flensburg und Lindau, eine Schule, gleich welcher organisatorischer Art, wenn sie zum Beispiel eine mittlere Reife verleihen will, muss sich an diesen Standards ausrichten. Das ist der Weg, wie man bei aller Vielfalt letztlich doch die Einheit sichern kann, um dem berühmten Vorwurf, wenn jemand noch von Flensburg nach München zieht, dass er durchfallen muss, um dem zu begegnen.
Kitzler: Aber trotzdem hat man ja ein bisschen den Eindruck, es gibt einen Wettbewerb zwischen den Bundesländern um das beste Schulsystem. Da wollen die einen ein zweigliedriges, die anderen ein dreigliedriges Schulsystem. Brauchen wir diesen Wettbewerb?
Spaenle: Ich glaube, dass die auch politisch näher an den Bürgerinnen und Bürgern Verantwortungsebene mit Bildung sehr gut aufgestellt ist. Wenn Sie sehen, dass man mit dem Bildungsthema Wahlen ja verlieren, vielleicht ein Stück weit auch gewinnen kann, dann ist das etwas, was die Menschen sehr bewegt, und auch die unterschiedliche Leistungsfähigkeit. Pisa national ist das eine, aber wenn man dann die Länderergebnisse anschaut, spricht das doch dafür, dass wir hier ein Stück weit auch in der Verantwortung stehen, eben auch auf der politischen Ebene, die sehr nahe demokratisch rückgebunden ist, einen solchen Gestaltungswettbewerb zuzulassen.
Kitzler: Sie wollen mehr Geld vom Bund für die Bildungsausgaben, aber reinreden lassen wollen Sie sich nicht. Dabei wäre das doch vielleicht ein guter Weg, um für einheitliche Standards zu sorgen, zum Beispiel mit ganz konkreten, vom Bund finanzierten Projekten?
Spaenle: Es gibt eine klare Kompetenzaufteilung, auch nach der Föderalismuskommission I. Es geht darum, dass die Länder ihre Letztgestaltungskompetenz, ich sage es noch mal, in gesamtstaatlicher Verantwortung ausüben. Deswegen halte ich, sagen wir mal, einen goldenen Zügel für den völlig falschen Ansatz. Der Weg, der jetzt gewählt wird, der auch letztlich teilweise in der Koalitionsvereinbarung niedergelegt ist, nämlich auf gleicher Augenhöhe gemeinsam Ziele zu definieren beziehungsweise in politischen Feldern, wie etwa der Übergangssituation von den Bildungseinrichtungen in den Beruf, bei der Frage der Integration und anderen Themen gemeinsam dann unterwegs zu sein, das halte ich für eine zukunftsversprechende Politikweise.
Kitzler: Aber Standard ist doch bisher, dass man eigentlich ein bisschen Glück haben muss, in welchem Bundesland man gerade lebt, was für eine Bildung man genießt, dass die Abiturabschlüsse oder die Real- und Hauptschulabschlüsse ganz unterschiedlich wert sind. Es ist doch ein Flickenteppich, oder würden Sie das anders beschreiben?
Spaenle: Der Föderalismus in Bayern ist kein … in Deutschland natürlich ist kein Flickenteppich, sondern das Ergebnis einer besonderen auch geschichtlichen Entwicklung in Deutschland. Das ist dezentrale Machtorganisation, und zwar mit demokratischer Rückbindung. Und wenn Sie sehen, ich darf noch mal darauf hinweisen, das gilt ja auch für Bayern, dass das Thema Bildung bei entsprechenden politischen Entscheidungen eine zentrale Rolle spielt, dann hat das, glaube ich, schon seine Richtigkeit, dass das Thema, das natürlich auch für die Zukunftssicherung der Menschen, der Familien von großer Bedeutung ist, auch ganz nahe an den Menschen politisch kontrollierbar ist.
Kitzler: Schon in der Union ist man sich nicht so richtig einig, und für Sie wird die Lage in der Kultusministerkonferenz auch nicht gerade einfach. 12 Bundesländer sind unionsregiert, aber nur noch 4 Kultusminister kommen aus CDU oder CSU. Wie wollen Sie da eine gemeinsame Linie finden?
Spaenle: Ich weiß nicht, wie alle auf vier kommen; ich komme auf mindestens sechs plus einen Kollegen, der zwar parteifrei ist, aber letztlich etwa auf der Koordinate der Unionsseite. Aber das macht ja nichts! Das ist das Wechselspiel in der Demokratie. Es ist in der Tat eine große Herausforderung, wenn Sie sehen, dass wir auf der sogenannten B-Seite, also der unionsgeführten Seite, jetzt den SPD-Kultusminister aus Thüringen haben, zwei Grünen-Kollegen in Zukunft, einige FDP-Minister. Das ist eine große Herausforderung, aber ich glaube, das ist auch die Chance der Bewährung. Ich sage es noch mal: wenn Kleinstaaterei dadurch sich bestätigen würde, dass man eben Dinge, die auf gesamtstaatlicher Ebene mit hoher Mobilität zu regeln sind, dass man das nicht tut, dann würde das den Anspruch, der selbst gesetzt sein muss, um die Verankerung von Föderalismus in Deutschland dauerhaft zu sichern, nicht erreicht werden.
Kitzler: Gibt es eine einheitliche schulpolitische Linie von CDU und CSU Ihrer Meinung nach?
Spaenle: Wenn Sie CDU und CSU als Partei meinen, dann werden wir da sicher in der Frage der weiteren aktiven Ausarbeitung oder Ausdifferenzierung des differenzierten Bildungswesens uns einig sein. Wenn Sie die B-geführten Länder, also die unionsgeführten Länder ansehen, habe ich ja kurz beschrieben, welche, ja, Vielfarbigkeit da zu bewältigen ist. Aber auch da muss man natürlich schauen, dass man sich in bestimmten Grundfragen einigt.
Kitzler: Aber es gibt doch ganz unterschiedliche Modelle. Hamburg, Schleswig-Holstein haben beschlossen, zum Teil gegen großen Widerstand, ein zweigliedriges Schulsystem; Sie sind ein klarer Verfechter des dreigliedrigen Schulsystems. Da kann man doch eigentlich gar nicht zusammenkommen, oder?
Spaenle: Zunächst einmal lese ich in der schleswig-holsteinischen Koalitionsvereinbarung der jetzigen schwarz-gelben Regierung wieder durchaus die Möglichkeit, sich da in einem differenzierten Rahmen zu bewegen. Wir in Bayern sind auch nicht Anhänger eines dreigliedrigen – das halte ich für von gestern -, sondern eines differenzierten Bildungswesens.
Kitzler: Okay. Aber trotzdem, Fakt bleibt: Sie haben Realschule, Hauptschule, Gymnasium. In Hamburg soll jetzt die Stadtteilschule und das Gymnasium kommen. Das sind ganz unterschiedliche Philosophien natürlich, nicht?
Spaenle: Das sind es, hat natürlich auch was damit zu tun, dass Hamburg als Stadtstaat Herausforderungen zu bewältigen hat, die wir zum Beispiel in München als Millionenstadt auch haben, aber eben auch der größte Flächenstaat sind, und deswegen glaube ich, dass die unterschiedliche Möglichkeit, unterschiedliche schulorganisatorische Antworten auf unterschiedliche Bedingungen zu geben, durchaus eine Chance ist, wenn wir – und ich sage es noch mal – über die Strategie der Standards und ihrer Umsetzung - Das verstehe ich als meine Aufgabe, dass diese gemeinsamen inhaltlichen Benchmarks, wenn Sie so wollen, auch in den, glaube ich, knapp 50.000 Schulen in Deutschland ankommen.
Kitzler: Der schwierige Weg zu einem einheitlicheren Schulsystem in Deutschland. Das war Ludwig Spaenle von der CSU, bayerischer Kultusminister und neuer Präsident der Kultusministerkonferenz. Vielen Dank und einen schönen Tag.
Spaenle: Wiederschauen!
Jürgen Spaenle: Grüß Gott!
Kitzler: Sie haben gesagt, als neuer KMK-Präsident wollen Sie die Einheit in der Vielfalt bewahren. Vielfalt haben wir bei den Schulen schon reichlich. Wo soll die Einheit herkommen?
Spaenle: Wir müssen, glaube ich, die Letztgestaltungskompetenz der Länder, die zurecht aus meiner Sicht, auch aus staatspolitischen Gründen auf der föderalen Ebene angesiedelt ist, mit der gesamtstaatlichen Verantwortung zusammenbringen. Das klingt jetzt sehr weit gesteckt. Ganz praktisch gibt es seit Mitte des Jahrtausends - oder des ersten Jahrzehnts - eine Strategie, die sich mit inhaltlichen Standards letztlich für die Kernfächer in bestimmten Abschlüssen daran orientiert. Zwischen Flensburg und Lindau, eine Schule, gleich welcher organisatorischer Art, wenn sie zum Beispiel eine mittlere Reife verleihen will, muss sich an diesen Standards ausrichten. Das ist der Weg, wie man bei aller Vielfalt letztlich doch die Einheit sichern kann, um dem berühmten Vorwurf, wenn jemand noch von Flensburg nach München zieht, dass er durchfallen muss, um dem zu begegnen.
Kitzler: Aber trotzdem hat man ja ein bisschen den Eindruck, es gibt einen Wettbewerb zwischen den Bundesländern um das beste Schulsystem. Da wollen die einen ein zweigliedriges, die anderen ein dreigliedriges Schulsystem. Brauchen wir diesen Wettbewerb?
Spaenle: Ich glaube, dass die auch politisch näher an den Bürgerinnen und Bürgern Verantwortungsebene mit Bildung sehr gut aufgestellt ist. Wenn Sie sehen, dass man mit dem Bildungsthema Wahlen ja verlieren, vielleicht ein Stück weit auch gewinnen kann, dann ist das etwas, was die Menschen sehr bewegt, und auch die unterschiedliche Leistungsfähigkeit. Pisa national ist das eine, aber wenn man dann die Länderergebnisse anschaut, spricht das doch dafür, dass wir hier ein Stück weit auch in der Verantwortung stehen, eben auch auf der politischen Ebene, die sehr nahe demokratisch rückgebunden ist, einen solchen Gestaltungswettbewerb zuzulassen.
Kitzler: Sie wollen mehr Geld vom Bund für die Bildungsausgaben, aber reinreden lassen wollen Sie sich nicht. Dabei wäre das doch vielleicht ein guter Weg, um für einheitliche Standards zu sorgen, zum Beispiel mit ganz konkreten, vom Bund finanzierten Projekten?
Spaenle: Es gibt eine klare Kompetenzaufteilung, auch nach der Föderalismuskommission I. Es geht darum, dass die Länder ihre Letztgestaltungskompetenz, ich sage es noch mal, in gesamtstaatlicher Verantwortung ausüben. Deswegen halte ich, sagen wir mal, einen goldenen Zügel für den völlig falschen Ansatz. Der Weg, der jetzt gewählt wird, der auch letztlich teilweise in der Koalitionsvereinbarung niedergelegt ist, nämlich auf gleicher Augenhöhe gemeinsam Ziele zu definieren beziehungsweise in politischen Feldern, wie etwa der Übergangssituation von den Bildungseinrichtungen in den Beruf, bei der Frage der Integration und anderen Themen gemeinsam dann unterwegs zu sein, das halte ich für eine zukunftsversprechende Politikweise.
Kitzler: Aber Standard ist doch bisher, dass man eigentlich ein bisschen Glück haben muss, in welchem Bundesland man gerade lebt, was für eine Bildung man genießt, dass die Abiturabschlüsse oder die Real- und Hauptschulabschlüsse ganz unterschiedlich wert sind. Es ist doch ein Flickenteppich, oder würden Sie das anders beschreiben?
Spaenle: Der Föderalismus in Bayern ist kein … in Deutschland natürlich ist kein Flickenteppich, sondern das Ergebnis einer besonderen auch geschichtlichen Entwicklung in Deutschland. Das ist dezentrale Machtorganisation, und zwar mit demokratischer Rückbindung. Und wenn Sie sehen, ich darf noch mal darauf hinweisen, das gilt ja auch für Bayern, dass das Thema Bildung bei entsprechenden politischen Entscheidungen eine zentrale Rolle spielt, dann hat das, glaube ich, schon seine Richtigkeit, dass das Thema, das natürlich auch für die Zukunftssicherung der Menschen, der Familien von großer Bedeutung ist, auch ganz nahe an den Menschen politisch kontrollierbar ist.
Kitzler: Schon in der Union ist man sich nicht so richtig einig, und für Sie wird die Lage in der Kultusministerkonferenz auch nicht gerade einfach. 12 Bundesländer sind unionsregiert, aber nur noch 4 Kultusminister kommen aus CDU oder CSU. Wie wollen Sie da eine gemeinsame Linie finden?
Spaenle: Ich weiß nicht, wie alle auf vier kommen; ich komme auf mindestens sechs plus einen Kollegen, der zwar parteifrei ist, aber letztlich etwa auf der Koordinate der Unionsseite. Aber das macht ja nichts! Das ist das Wechselspiel in der Demokratie. Es ist in der Tat eine große Herausforderung, wenn Sie sehen, dass wir auf der sogenannten B-Seite, also der unionsgeführten Seite, jetzt den SPD-Kultusminister aus Thüringen haben, zwei Grünen-Kollegen in Zukunft, einige FDP-Minister. Das ist eine große Herausforderung, aber ich glaube, das ist auch die Chance der Bewährung. Ich sage es noch mal: wenn Kleinstaaterei dadurch sich bestätigen würde, dass man eben Dinge, die auf gesamtstaatlicher Ebene mit hoher Mobilität zu regeln sind, dass man das nicht tut, dann würde das den Anspruch, der selbst gesetzt sein muss, um die Verankerung von Föderalismus in Deutschland dauerhaft zu sichern, nicht erreicht werden.
Kitzler: Gibt es eine einheitliche schulpolitische Linie von CDU und CSU Ihrer Meinung nach?
Spaenle: Wenn Sie CDU und CSU als Partei meinen, dann werden wir da sicher in der Frage der weiteren aktiven Ausarbeitung oder Ausdifferenzierung des differenzierten Bildungswesens uns einig sein. Wenn Sie die B-geführten Länder, also die unionsgeführten Länder ansehen, habe ich ja kurz beschrieben, welche, ja, Vielfarbigkeit da zu bewältigen ist. Aber auch da muss man natürlich schauen, dass man sich in bestimmten Grundfragen einigt.
Kitzler: Aber es gibt doch ganz unterschiedliche Modelle. Hamburg, Schleswig-Holstein haben beschlossen, zum Teil gegen großen Widerstand, ein zweigliedriges Schulsystem; Sie sind ein klarer Verfechter des dreigliedrigen Schulsystems. Da kann man doch eigentlich gar nicht zusammenkommen, oder?
Spaenle: Zunächst einmal lese ich in der schleswig-holsteinischen Koalitionsvereinbarung der jetzigen schwarz-gelben Regierung wieder durchaus die Möglichkeit, sich da in einem differenzierten Rahmen zu bewegen. Wir in Bayern sind auch nicht Anhänger eines dreigliedrigen – das halte ich für von gestern -, sondern eines differenzierten Bildungswesens.
Kitzler: Okay. Aber trotzdem, Fakt bleibt: Sie haben Realschule, Hauptschule, Gymnasium. In Hamburg soll jetzt die Stadtteilschule und das Gymnasium kommen. Das sind ganz unterschiedliche Philosophien natürlich, nicht?
Spaenle: Das sind es, hat natürlich auch was damit zu tun, dass Hamburg als Stadtstaat Herausforderungen zu bewältigen hat, die wir zum Beispiel in München als Millionenstadt auch haben, aber eben auch der größte Flächenstaat sind, und deswegen glaube ich, dass die unterschiedliche Möglichkeit, unterschiedliche schulorganisatorische Antworten auf unterschiedliche Bedingungen zu geben, durchaus eine Chance ist, wenn wir – und ich sage es noch mal – über die Strategie der Standards und ihrer Umsetzung - Das verstehe ich als meine Aufgabe, dass diese gemeinsamen inhaltlichen Benchmarks, wenn Sie so wollen, auch in den, glaube ich, knapp 50.000 Schulen in Deutschland ankommen.
Kitzler: Der schwierige Weg zu einem einheitlicheren Schulsystem in Deutschland. Das war Ludwig Spaenle von der CSU, bayerischer Kultusminister und neuer Präsident der Kultusministerkonferenz. Vielen Dank und einen schönen Tag.
Spaenle: Wiederschauen!