Junge Parteiführer, alte Politik?
Seit einem halben Jahr ist Pedro Sánchez Ministerpräsident von Spanien. Der 46-jährige Sozialist ist der Älteste unter den jungen Parteiführern von Partido Popular, Ciuadadanos und Podemos. Beginnt mit ihnen eine neue Ära in Spanien?
Für gerechte Löhne und Renten, gegen Korruption und eine Politik von gestern. Es sind die klassischen Forderungen der großen Gewerkschaften in Spanien. Ende Oktober haben sie zu einer Massendemo in der Innenstadt von Madrid aufgerufen. Tausende Menschen kommen, aus allen Teilen des Landes.
Ihre Kritik: Die sozialistische Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez unternehme zu wenig für die Armen und Schwachen, ihre Politik unterscheide sich kaum von der konservativen Vorgängerregierung unter Mariano Rajoy. So denkt zum Beispiel Victor, 20 Jahre alt.
"Meiner Meinung nach hat die aktuelle Regierung nur einen neuen Anstrich von außen, in Wirklichkeit geht alles so weiter wie bisher. Die Regierung Sánchez ist für mich zu liberal. Er passt sich dem an, was von der Europäischen Union vorgegeben wird. Sánchez kümmert sich kaum um die sozialen Probleme der Menschen."
Junge Politiker, alter Politikstil?
Macht Pedro Sánchez als Vertreter des linken Flügels der Arbeiterpartei tatsächlich zu wenig Sozialpolitik? Und gehört er als der jüngste Ministerpräsident Spaniens seit Jahrzehnten in Wirklichkeit zum Establishment? Viele junge linke Wähler sehen es offenbar so. Sie waren es, die vor fünf, sechs Jahren mit Massenkundgebungen für einen Umbruch in Spanien kämpften, dafür, dass junge Gesichter an die Macht kommen, die sich um soziale Missstände kümmern, um die hohe Jugendarbeitslosigkeit zum Beispiel. Marco schlug damals mit Tausenden anderen auf der Puerta del Sol, dem Hauptplatz im Zentrum von Madrid, sein Zelt auf und campierte dort wochenlang. Der geforderte Regierungswechsel ist nun da, die Verjüngung der spanischen Politik. Doch auch Marco ist nicht zufrieden.
"Wir haben eine sozialdemokratische Regierung, die nicht wirklich eine Zäsur bringt. Klar, ich finde sie besser als die Vorgängerregierung. Sie unternimmt schon mehr, führt aber eigentlich die konservative Politik fort."
Pedro Sánchez, 1972 in Madrid geboren, Chef der sozialistischen Arbeiterpartei PSOE und Wirtschaftsdozent
Am 1. Juni dieses Jahres pokert Pedro Sánchez hoch. Er stößt ein Misstrauensvotum an, will den amtierenden Regierungschef Rajoy stürzen. Es gelingt, mit knapper Mehrheit. So etwas hat noch kein anderer Politiker im demokratischen Spanien geschafft. Das Ganze klappt nur, weil sich die linke Partei Podemos und kleine Regionalparteien der Initiative anschließen. Ein gemeinsames politisches Konzept haben sie nicht, das Bündnis eint vor allem die Kritik am Konservativen Rajoy. Wenige Tage zuvor hatte ein Madrider Gericht mehrere hochrangige Politiker seiner Partei zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt – wegen Bestechlichkeit und Veruntreuung öffentlicher Mittel. Von jetzt auf gleich übernimmt der 46-jährige Sánchez die Regierungsgeschäfte in Spanien. Und das obwohl seine sozialdemokratische Arbeiterpartei aus der Parlamentswahl 2016 als Verliererin hervorgegangen war. Sie stellt nur 84 der insgesamt 350 Abgeordneten. Sánchez führt eine Minderheitsregierung an, die sich für Gesetzesvorhaben Mehrheiten suchen muss.
"Natürlich wird die Regierung Schwierigkeiten haben aufgrund der Umstände. Das ist in vielen europäischen Demokratien so. Die Parlamente sind überall fragmentiert, dort findet man über den Dialog zum Konsens."
Erstes Land mit mehr Frauen als Männern im Kabinett
Sánchez traut sich an Themen, die Politiker in Spanien lange Zeit nicht anpacken wollten: Er bringt die Umbettung des Leichnams von Diktator Franco auf den Weg, der seit über 40 Jahren in einer Gedenkstätte zusammen mit den Opfern des spanischen Bürgerkriegs liegt. Und der junge Ministerpräsident vollzieht eine Wende in der Flüchtlingspolitik: Seine Regierung öffnet im Juni den Hafen von Valencia für das Rettungsschiff "Aquarius" mit 600 Migranten an Bord. Wenig später setzt Sánchez beim Grenzschutz allerdings auf Härte und lässt Afrikaner abschieben, die Spaniens Exklave Ceuta erreicht haben und mit Gewalt auf Polizisten losgegangen sind.
Anfang September ist Sánchez 100 Tage im Amt. Und wie die meisten Regierungschefs stellt er selbst fest, dass alles bestens gelaufen ist. In einem kurzen Video auf Twitter sagt er:
"Diese Regierung macht, was sie verspricht. Wir haben gesagt, dass wir eine feministische Regierung sein wollen. Heute ist Spanien das erste Land mit mehr Frauen als Männern im Kabinett."
Sie nennen ihn "El Guapo" - "Den Schönen"
Locker sitzt Sánchez in dem Filmchen auf der Ecke seines Schreibtischs, ohne Jackett. "El Guapo" nennen ihn spanische Medien oft, "den Schönen". An der Wand seines Büros hängt moderne Kunst, die nach Miró aussieht. Sanchez will jung wirken und sich auch optisch von seinem eher steifen Vorgänger Rajoy abheben, meint der Madrider Politikwissenschaftler Pablo Simon.
"Sánchez fährt eine moderne Kommunikationsstrategie wie Manuel Macron oder Justin Trudeau: Er gibt sich aufgeschlossen, aktiv, zeigt sich auf vielen Fotos – genau das Gegenteil von Mariano Rajoy. Rajoy wollte als Regierungschef Stabilität verkörpern, Willensstärke und nicht von seinen Positionen abweichen."
Willensstärke bewies auch Pedro Sánchez immer wieder: Er zeigte als Politiker, dass er hartnäckig ist und einen langen Atem hat. Mit 30 Jahren wollte Sánchez in den Stadtrat von Madrid. Seine Partei setzte ihn bei der Kommunalwahl auf Listenplatz 23. Da die Sozialisten nur 21 Mandate bekamen, zog Sánchez erst ein Jahr später als Nachrücker in das Gremium ein. Ebenfalls als Nachrücker wurde er Mitglied des spanischen Abgeordnetenhauses. Im Herbst 2016 trat er auf Druck seiner Partei als Vorsitzender zurück. Nach sieben Monaten Pause kam Sánchez wieder, rehabilitiert entgegen aller Prognosen. Spanische Zeitungen nannten ihn den modernen Don Quijote, der allen Widerständen zum Trotz an seinen Idealen festhält. Sein schärfster Gegner ist der junge Chef der größten Oppositionspartei.
Pablo Casado, 1981 in Palencia, nördlich von Madrid, geboren, seit Juli Vorsitzender der konservativen Partido Popular
Vor einem halben Jahr noch besticht die PP vor allem durch eines: das hohe Alter ihrer Spitzenpolitiker. Auf der Regierungsbank im spanischen Parlament sitzen fast nur Menschen mit grauen Haaren, angeführt von Ministerpräsident Rajoy mit seinen 63 Jahren.
Grauhaarige in der Minderheit
Heute sind die Grauhaarigen in der PP-Fraktion in der Minderheit. Der Kopf der Gruppe hat ein jungenhaftes Gesicht, leicht lockige dunkle Haare, jemand, der gerade erst seinen Uni-Abschluss in der Tasche haben könnte: Pablo Casado ist mit seinen 37 Jahren zwar jung, doch schon ein erfahrener Politiker: Seit 2011 sitzt er ist im Abgeordnetenhaus, war von 2015 an drei Jahre lang stellvertretender Generalsekretär der PP. Casado gibt den konservativen Hardliner. Für Schlagzeilen sorgt im Herbst sein Auftritt im Parlament, bei dem er Regierungschef Sánchez mit deutlichen Worten angreift: Er sei an der verfahrenen Situation in Katalonien schuld. Daran, dass die Separatisten die Einheit des Landes gefährdeten.
"Ist Ihnen nicht klar, dass Sie an einem Putsch teilnehmen, der in Spanien andauert, und sogar dafür verantwortlich sind?"
Casado kehrt zurück auf seinen Platz, Sánchez ergreift das Wort:
"Wenn Sie auf dieses Rednerpult zurückkehren, nehmen Sie diesen Satz zurück. Sie fügen Ihrer Partei eine Schmach zu."
Casado blickt von der Abgeordnetenbank versteinert in Richtung Sánchez, fast schon peinlich berührt.
"Bleiben Sie bei diesen Worten, ja oder nein? Wenn Sie dabei bleiben, werde ich mit Ihnen nicht mehr sprechen."
"Ein Jungpolitiker des Neo-Konservatismus"
Politologe Pablo Simon spricht von einer nervösen Performance Casados, die zeige, dass dem jungen Parteichef eine klare Strategie fehle.
"Das Alter eines Politikers sagt nichts darüber aus, dass er besonders kosmopolitische oder fortschrittliche Positionen hätte. Pablo Casado hat es sich zur Berufung gemacht, konservativ aufzutreten. Er hat sehr konservative Prinzipien, außerdem enge Verbindungen zur katholischen Kirche. Klar, Casado ist jung, für mich repräsentiert er einen Jungpolitiker des Neo-Konservatismus."
Eine Strömung, die in den USA stark ist: Ihre Anhänger vertreten vor allem konservative Ansichten bei den Themen Familie, Religion, Heimat und Staat. Dass das auch Casados Themen sind, stellt er schon früh heraus. Er wird in der Jugendabteilung der Partido Popular groß, bei "Nuevas generaciones". Casado macht dort mit flammenden antisozialistischen Reden auf sich aufmerksam. Er fällt durch seine geschickte Rhetorik auf, mit der er ultrakonservative Positionen vertritt. Zum Beispiel, dass Beziehungen, die nicht zwischen Männern und Frauen geschlossen werden, keinesfalls als Ehe bezeichnet werden sollten. Auch kritisiert er die liberalen Abtreibungsgesetze, die in Spanien gelten. Reyes Hurlé ist stolz darauf, dass Pablo Casado jetzt der PP vorsteht. Die Vorsitzende von "Nuevas generaciones" kennt den Jungpolitiker seit Jahren.
"Wir erleben einen Generationswechsel durch einen Kollegen unserer Bewegung. Immer, wenn wir uns bei Treffen sehen, sagt er, dass er sich zu Hause fühlt, denn er ist ja einer von uns. Der Wechsel an der PP-Spitze ist gut. Das Wesen der Partei hat sich nicht verändert, unsere Werte sind dieselben. Vielleicht war nun der Moment, unsere Werte noch einmal deutlich herauszuarbeiten."
Doch viele Spanier sehen Casado offenbar kritisch. In der jüngsten Umfrage des spanischen Statistikinstituts bekommt der junge Konservative schlechte Noten. Jeder zweite Befragte sagt, dass er keinerlei Vertrauen in die Politik Casados hat. Über Ministerpräsident Sánchez sagt das jeder Dritte. Casados Hauptkonkurrent, was die politische Ausrichtung angeht, ist der Chef einer liberalen Partei in Spanien.
Albert Rivera, 1979 in Barcelona geboren, Rechtsanwalt und Vorsitzender von Ciudadanos
Den Satz vom perfekten Schwiegersohn kann Rivera wohl nicht mehr hören. Aber er weiß genau, dass er bei Schwiegermüttern gut ankommt. Der 38-Jährige tritt smart auf, hat ein Zahnpastalächeln und kann gut reden.
"Wir Spanier können froh sein, eine Demokratie zu haben. Aber es ist eine, die reformiert, verbessert werden muss. Ich zähle auf Sie, ich zähle auf Euch!"
Katalanischer Meister im Brustschwimmen
An Ambition hat es Albert Rivera nie gefehlt: Mit 16 war er katalanischer Meister im Brustschwimmen, mit Anfang 20 ging er in die Politik. 2006 gehörte er zu den Gründern der Partei Ciudadanos, die zunächst nur in Katalonien antrat, um Front zu machen gegen die Unabhängigkeitsbewegung dort. Inzwischen gehört sie in ganz Spanien zu einer der erfolgreichsten politischen Kräfte, liegt in einigen Umfragen gleichauf mit der konservativen PP oder überholt diese sogar. Wilhelm Hofmeister, der Leiter der konservativen Konrad-Adenauer-Stiftung in Madrid, sagt:
"Ciudanos ist als liberale, sogar sozialliberale Partei entstanden, hat das Adjektiv sozial abgelegt mittlerweile und sich vor allem im Hinblick auf die Katalonien-Frage sehr konservativ aufgestellt und dabei auch im Bereich der PP viel Zustimmung gewonnen."
Einige Beobachter werfen Ciudadanos auch vor, eine stark nationalistische Linie zu verfolgen. Eine, die einerseits zur PP passt – andererseits auch zu ultrarechten Parteien. Solche Parteien waren in Spanien bisher eher Splitterbewegungen. Aber sie werden immer erfolgreicher, wenn auch auf einem sehr niedrigen Nivau an Stimmen, verglichen mit anderen europäischen Ländern wie Italien oder Frankreich. Sie sind damit eine Konkurrenz für klassische konservative Kräfte.
Geklonte Youngsters - Rivera und Casado
Klar ist: Albert Rivera und PP-Chef Pablo Casado sprechen ähnliche Wählergruppen an – und sind dazu auch noch fast gleich jung. Während Casado einen alten Parteiapparat im Nacken hat, ist es bei Rivera eine neue, weitgehend unverbrauchte Bewegung. Rivera will sich von der alten spanischen Politik abgrenzen, klagt immer wieder die Korruption in den großen Parteien an. Über die neue spanische Politikergeneration sagt er:
"Wir sind Erasmus, haben in anderen Ländern studiert. Unsere Generation muss über die Lokalpolitik hinausdenken, wir stehen für eine europäische Politik. Mit Blick auf die Zukunft Europas habe ich die Hoffnung, dass Politiker aus ganz verschiedenen Ländern so etwas wie einen gemeinsamen Background haben. Das Projekt zusammen muss lauten: Es geht voran, nicht zurück."
Eine Formel, die sicher alle jungen Spitzenpolitiker in Spanien unterschreiben würden. Die Frage ist nur, mit welchen Schwerpunkten es vorangehen soll. Für den vierten jungen Parteichef kann die Ausrichtung nicht links genug sein.
Pablo Iglesias, geboren 1978 in Madrid, Politikprofessor und Generalsekretär der Partei Podemos. Markenzeichen: der Pferdeschwanz
"Si, se puede", "Ja, wir können" rufen Anhänger von Podemos vor drei Jahren vor dem Kongresszentrum von Sevilla, in dem die Partei ihren ersten Geburtstag feiert. Es schwingt so viel Hoffnung mit wie bei "Yes, we can" im Wahlkampf von Barack Obama. Doch hier verkörpert Pablo Iglesias die Hoffnung der 4000 Anhänger, die zur Geburtstagsparty gekommen sind. Podemos ist auf ihrem Höhepunkt, Umfragen sehen sie als stärkste politische Kraft im Land. Pablo Iglesias gelingt es, die Menge mit einfachen Botschaften zu begeistern.
"Spanien hat im Grunde drei Probleme: die Arbeitslosigkeit, die Ungleichheit und die Schulden. Mit dem Zwang zum Sparen löst man kein einziges dieser Probleme. Was uns seit 2007 die Troika und diese Frau Merkel diktiert haben, hat alles nur schlimmer gemacht."
Erst einmal muss Iglesias gar keine Lösungen für die Probleme anbieten. Spanien hat immer noch mit den Auswirkungen der schweren Wirtschaftskrise zu kämpfen, Zehntausende haben ihre Arbeit verloren. Gerade sie sehen im damals 37-jährigen Iglesias einen Politiker, der es mit den Köpfen der alten Parteien aufnehmen will, die das Land in die Krise geführt haben.
"Wir hoffen, dass er bald regiert und die ganzen Korrupten nach Hause schickt."
"Wir wollen etwas ändern. Die jungen Menschen haben das Recht, zu entscheiden und ein besseres Leben zu leben."
Der Cäsar möchte immer die Nummer eins sein
Doch bald verfliegt der Erfolg von Podemos. Bei der Parlamentswahl Ende 2015 schneidet die Partei weniger gut ab als gedacht, sie überholt nicht die Sozialisten. Iglesias hätte dennoch in die Regierung gehen können, als Juniorpartner von Sánchez. Doch diese Rolle will er nicht. Wenn schon, dann muss es die Nummer Eins sein. Und die ist in der Partei weiterhin er: Fast alles dreht sich um den inzwischen 40-Jährigen, sein Gesicht ist Podemos. Wilhelm Hofmeister von der Madrider Konrad-Adenauer Stiftung nennt ihn einen unangefochtenen Anführer, spricht von Cäsarismus.
"Kritik am Parteivorsitzenden wird quasi nie geübt und es gibt auch kaum innerparteiliche Diskussionen. Und das Kuriose ist einfach, dass auch bei Podemos, einer Partei, die als Basisbewegung entstanden ist und basisdemokratischen Prinzipen verpflichtet ist, dass in dieser Partei ein Mann wie Iglesias wirklich alles vorgibt und man ihm auch alles durchgehen lässt."
Doch der Stern von Iglesias sinkt weiter. Seine junge Partei liegt in Umfragen aktuell hinter den Liberalen, Konservativen und Sozialisten. Viele Spanier halten eine klassische Protestpartei offenbar nicht mehr für nötig: Das Land hat die Krise einigermaßen überwunden, die Wirtschaft wächst so stark wie kaum anderswo in Europa.
Podemos keine echte Alternative?
Der 20-jährige Victor sagt über Podemos heute: "Ich finde, die Partei hat sich in der Wirtschafts- und Umweltpolitik immer noch nicht richtig aufgestellt. Sie bietet nicht wirklich Alternativen an, ist mir noch zu ähnlich zu den moderaten Parteien, zur konservativen PP, zu Cuidadanos und zur sozialistischen PSOE. Podemos will ein wenig verändern, ist ein bisschen links eingefärbt, ein bisschen grün. Aber von ihrer Struktur her ist die Partei keine echte Alternative."
Dazu kommt, dass auch Podemos nicht skandalfrei bleibt: Die Führungsriege zerstreitet sich in der Frage, wie progressiv der Kurs der linken Partei genau aussehen soll. Und ausgerechnet in der Anti-Korruptions-Partei Podemos kommen Fälle ans Licht, bei denen Politiker versucht haben sollen, sich mit öffentlichen Mitteln zu bereichern.
Verführung zu Korruption
Sind also selbst junge Politiker in Spanien anfällig für Korruption? Ja, meint Stiftungsdirektor Hofmeister.
"Einige Aspekte im System sind weiterhin so angelegt, dass sie Korruption befördern. Dazu gehört nicht zuletzt die wirklich schlechte Bezahlung und Ausstattung der Politiker hier in Spanien. Politiker haben nur geringe Aufwandsentschädigungen oder Diäten, haben keine Ausstattung, das Parlament ist ganz schlecht ausgestattet, Parteienfinanzierung ist relativ gering. Die Wahlkämpfe sind auch hier teuer, die politische Arbeit ist auch hier teuer, das verführt dann dazu."
Ein weiterer Punkt: Bei einem Machtwechsel in Spanien wird nicht nur das politische Personal in Ministerien ausgetauscht – auch viele weitere Posten in Behörden und Ämtern, die in Deutschland von Beamten oder anderen neutralen festangestellten Mitarbeitern bekleidet werden, bei Wahlen also nicht zur Disposition stehen.
"Und das bedeutet natürlich, dass diese Leute versuchen werden, in der Zeit, in der sie im Amt sind, sozusagen alle Vorteile zu nutzen, die diese Ämter geben." Was nicht selten etwas mit zweifelhaften Vergünstigungen zu tun hat – der Schritt zu klassischer Korruption ist dann oft nur ein kleiner.
Für Reyes Hurlé, die Chefin der Nachwuchsorganisation der konservativen Partido Popular, muss sich etwas ändern. Sie will die Korruption in Spanien und ihre Auswüchse schon in der Schule zum Thema machen. Kinder und Jugendliche sollten besser lernen, wie die staatlichen Institutionen genau finanziert werden, was mit öffentlichen Mitteln passiert.
"Wenn alle wissen, wohin das Geld der Spanier fließt, was Politiker damit machen können und sollen, werden künftige Generationen die Politik auch stärker schätzen. Die Menschen müssen die Wahrheit über den Politikbetrieb kennenlernen und erfahren, wie wichtig ist er ist. Das kann ein Schritt gegen die Korruption sein."
Diesselbe Speisekarte - nur die Auswahl ist größer
Spanien und seine jungen Parteichefs: Einige von ihnen geben der angestaubten Politik des Landes frische Impulse, wollen mit ihren neuen Gruppierungen andere Wege einschlagen, wirklich etwas verändern. Manche sind aber einfach nur neue Köpfe, die traditionelle Ansichten vertreten, für die ihre Parteien schon seit Jahrzehnten stehen. Politikwissenschaftler Pablo Simon vergleicht das politische Spanien heute mit der Menükarte eines Restaurants: Die Komposition der Teller habe sich nicht verändert. Nur heute kann man zwischen mehr Gerichten auswählen als früher.