In der Erinnerung gespalten
General Francisco Franco putschte vor 80 Jahren in Spanien gegen die Zweite Republik und löste damit einen dreijährigen Bürgerkrieg aus. Der Krieg mündete in eine knapp 40-jährige Diktatur. Die Erinnerung an den Bürgerkrieg spaltet noch heute Spaniens Gesellschaft.
Als am 18. Juli 1936 in Melilla General Francisco Franco gegen die Zweite Republik putschte, probten Antoni Cànovas und sein Bruder Alfons für die Eröffnungszeremonie der Volksolympiade, die am nächsten Tag beginnen sollte. Der Wettkampf wurde abgesagt, die Brüder meldeten sich als Freiwillige bei der republikanischen Armee. Sie verloren den Krieg, Antoni floh ins französische Exil, sein Bruder schlug sich im Nachkriegsspanien durch. Der Vater der Familie war bei einem Bombardement Barcelonas durch die Italienische Luftwaffe im Januar 1938 ums Leben gekommen, wie 5000 andere Zivilisten.
Ihre Geschichte erzählen die beiden dieser Tage oft: Der 96-jährige Antoni und sein zwei Jahre älterer Bruder gehören zu den letzten noch lebenden Zeitzeugen des spanischen Bürgerkrieg. Und zu den wenigen, die eine Anerkennung ihres Leids gefordert haben. 2011 hat der antifaschistische Verein "Altra Italia" 21 italienische Piloten wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Alfons Cànovas trat dabei als Nebenkläger auf.
Alleine habe er einen solchen Schritt niemals gewagt, erzählt Alfons. Die Franco-Diktatur hatte die Bürgerkriegsverlierer zum Schweigen verurteilt, erzählt Historiker Joan B.Culla.
Joan B. Culla: "Die Priester und Nonnen, die in den ersten Monaten des Bürgerkrieges ermordet wurden, hat das Franco-Regime zu Märtyrern gemacht. Die anderen vergaß man. Es musste viel Zeit vergehen, bis die Menschen die Angst verloren darüber zu sprechen, gerade auf dem Land."
Erinnerungen wurden privatisiert
Es war die nach dem Tod des Diktators geborene Generation der Enkel, die begann Fragen zu stellen, oft erst durch den Anstoß von außen, etwa durch die Verhaftung des chilenischen Diktators Agusto Pinochet. Erst 2007, nach langem politischen Ringen, verurteilte das Parlament Putsch und Diktatur und verabschiedete auf Initiative des damaligen sozialistischen Premiers ein Erinnerungsgesetz. Sein Nachfolger Mariano Rajoy setzte das Budget auf Null.
Durch die Aushebelung des Erinnerungsgesetzes habe Spanien die Erinnerung an den Bürgerkrieg privatisiert, sagt Historiker Ricard Vinyes: Im letzten Jahr finanzierten Angehörige die Exhumierungen von Bürgerkriegsopfern über Crowdfunding-Kampagnen.
Ricard Vinyes: "Man hat immer gesagt, dass die Erinnerung an den Bürgerkrieg alte Wunden aufreißen und zu einer Wiederholung des Bürgerkrieges führen würde würde. Das ist natürlich vollkommen falsch und führte zu großen Ungerechtigkeiten. Es ist einfach nicht nachzuvollziehen, warum es beispielsweise weder den Sozialdemokraten noch der konservativen Regierung gelang, das Problem der Massengräber zufrieden stellend zu lösen."
Barcelona hat erstmals Budget für Erinnerungspolitik
Nach Schätzungen von Historikern liegen noch immer über Hunderttausend Bürgerkriegsopfer anonym verscharrt in der spanischen Erde. Und auch die politische Kultur wird vom Umgang mit der Vergangenheit geprägt: Politische Debatten enden immer wieder in den reflexartigen Vorwürfen und Rechts-Links-Zuschreibungen.
Die Stadt Barcelona, wo seit Juni letzten Jahres eine linksalternative Liste das Sagen hat, hat erstmals einen Teil des Budgets für erinnerungspolitische Maßnahmen zur Verfügung gestellt. Sukzessive soll er aufgestockt werden: Zum 80. Jahrestages des Bürgerkrieges hängt vor dem Rathaus überlebensgroß eine Fotografie, die zum Symbol für den republikanischen Widerstand gegen Franco geworden ist: Eine junge Frau mit kurzem schwarzen Haar blickt selbstbewusst in die Kamera, das Gewehr lässig über der Schulter, im Hintergrund die Stadt Barcelona. "Ich will den Frieden, aber kein Vergessen" steht über dem Porträt. Es ist, vielleicht, ein Anfang.