Die Narcos von Galicien
Nicht nur Kolumbien auch Spanien hat seine schillernden Drogenbosse. Allen voran Sito Miñanco aus der Region Galicien. Eine Geschichte über mächtige Narcos und ohnmächtige Ermittler, mutige Mütter und hartnäckige Polizisten.
"Miñanco ist ein Typ wie aus einem Märchen, einem Film – wie er zu dem wurde, was er ist, wie geschickt er sich in dem Umfeld bewegt hat. Ein sehr charismatischer Kerl. Als gegen ihn 2001 ermittelt wurde, dachte er mal wieder, er hätte alles unter Kontrolle gehabt. Aber er ist immer wieder gestürzt."
"Sie verstehen es nicht! Ich respektiere Sie – und die anderen auch. Aber die Zeiten ändern sich. Wenn Sie möchten, kann ich die Gruppe mit ein paar Prozent an den Einnahmen beteiligen. Aber niemand wird mir sagen, wie ich mein Geschäft zu führen habe!"
So klingt im Film José Ramon Prado Bugallo, 62 Jahre alt, genannt Sito Miñanco. Spaniens bekanntester Drogenschmuggler.
"Niemand redet schlecht von ihm als Person. Denn er war ja kein schlechter Mensch. Sondern ein guter Mensch, der schlechte Dinge getan hat."
Gejagt, bewundert, gefürchtet: Miñanco fasziniert, mehr denn je. Im spanischen Fernsehen war gerade die Serie "Fariña" – zu deutsch: Mehl – zu sehen, die seine Geschichte erzählt – eine Erfolgsserie. Ohne es zu wollen, ist Sito Miñanco in den vergangenen Jahren zum Medienstar geworden.
Ende Oktober vor dem Gerichtsgebäude der Stadt Pontevedra. Miñanco steigt aus einem Streifenwagen aus, in Handschellen. Zwei Polizisten begleiten ihn ins Gerichtsgebäude. Die Fotografen versuchen, ein Bild von Miñanco zu erhaschen. Doch da ist nur ein Mann von hinten zu sehen, mit schwarzer Daunenjacke, rotem Schal und grauen Locken.
Die Nummer Eins im Drogengeschäft Galiciens
Die Staatsanwaltschaft wird versuchen, ihm nachzuweisen, dass er Geld aus dem Drogenschmuggel über Firmen gewaschen hat. Es wird kein leichtes Unterfangen werden. Sein Anwalt Gonzalo Boye:
"Wenn Sito Minañco woanders geboren worden wäre – in einen anderen Familienkreis, in eine andere Umgebung – heute wäre er ein Geschäftsmann. Er ist klug, er versteht die Sachen ganz schnell. Niemand kann sagen, dass er je Gewalt angewandt hat."
Dass Sito Miñanco ein kluger Mann ist, würde in Galicien kaum jemand bestreiten. Schließlich hat er es mit Geschick zur Nummer Eins im Drogengeschäft in Galicien gebracht. Und es auch noch geschafft, bei vielen Menschen der Gegend respektiert, teils sogar bewundert zu werden.
In den siebziger Jahren ist Galicien eine arme Gegend. Viele Menschen wandern aus. Denn sie glauben, in der Heimat keine wirtschaftliche Perspektive zu haben. Die, die in Galicien bleiben, arbeiten oft in einer der wenigen Fabriken der Gegend. Andere leben mehr schlecht als recht vom Fischfang. Und dann ist da noch der Schmuggel. Es sind damals vor allem Zigaretten aus den USA, die hier an der zerklüfteten Küste ankommen. Zigaretten, die besser schmecken als die spanischen. Schiffe bringen die Kartons in Küstennähe, die Fischer laden sie noch auf dem Meer in Schnellboote um – und bringen sie heimlich an Land. Laureano Oubiña kann sich noch gut daran erinnern. Neben Sito Miñanco ist er der wohl bekannteste Schmuggler Galiciens. Und darauf ist er stolz.
"Der Schmuggel steckt mir im Blut. Es gibt wenige Schmuggler in Spanien, die kannst Du an den Fingern abzählen. Aber Millionen Opportunisten! Schmuggler, die es wirklich in den Adern haben – von denen gibt es nur sehr wenige."
Als Jugendlicher bringt Oubiña Kaffee und Diesel schwarz ins Land, später Tabak. Zum Schluss hat er den Haschisch-Schmuggel unter seiner Kontrolle:
"Ich bin nicht ehrgeizig. Das begann aus schierer Notwendigkeit heraus, bei mir ging es um Leben und Überleben."
Unter Drogenschmugglern kennt man sich in Galicien
Oubiña sitzt in einem Restaurant in Vilanova, vor sich eine Flasche Rotwein. Hinter dem Fenster glitzert das Meer. Der Schmuggler hat gerade mit seiner Tochter Fisch zu Mittag gegessen. Oubiña scheint es bestens zu gehen. Feines Sakko, goldene Uhr, intensives Aftershave – seine 72 Jahre sieht man ihm nicht an. Fast die Hälfte davon hat er hinter Gittern verbracht. Hat er schlechte Anwälte gehabt? Oubiña gefällt die Frage nicht.
"Nein, nein. Jetzt beleidigst Du mich! Mir hat es an keinem Anwalt gefehlt. Mein Anwalt macht, was ich sage – wenn nicht, schneide ich ihm die Eier ab."
Es sind Momente wie diese, in denen man spürt, dass man einen Oubiña nicht zum Feind haben will. Er selbst habe übrigens nie jemandem etwas zuleide getan, anders als so oft behauptet, sagt Oubiña. Die Justiz habe ihm dagegen oft übel mitgespielt, ihm alles Mögliche in die Schuhe geschoben. So wie jetzt Sito Miñanco.
"Er ist ein enger Freund von mir, einer meiner besten. Ich habe ihm schon vor mehr als fünf Jahren gesagt: Ich weiß, dass die das Gleiche mit Dir machen wollen, was sie mit mir gemacht haben."
Unter den Drogenschmugglern kennt man sich in Galicien. Das ist auch schon in den siebziger und achtziger Jahren so.
Miñanco importierte Kokain nach Spanien
Damals liegt der Tabakschmuggel in den Händen einiger älterer Herren. Sie sind Restaurantbesitzer oder Firmenchefs, die beim Wein ihre Geschäfte planen. Die eigentliche Arbeit verrichten aber jene, die den Tabak heimlich mit Booten ans Land bringen. Der junge Sito Miñanco aus dem Dorf Cambados zum Beispiel. Er macht seine Arbeit besonders gut – und verschafft sich schnell Respekt und Einfluss.
1983 nimmt die Polizei die Zigarettenschmuggler erstmals ernsthaft ins Visier. Sito Miñanco kommt für sechs Monate hinter Gitter. Dort knüpft er Kontakte zur kolumbianischen Drogenmafia, vom Medellín-Kartell. Als Miñanco aus dem Gefängnis entlassen wird, fühlt er sich dem Tabakschmuggel entwachsen.
Miñanco beginnt heimlich, Kokain nach Spanien zu importieren. Die Methode ist ähnlich: Auf dem offenen Meer wird das Kokain von Schiffen in Fischerboote und dann, in Küstennähe, in kleine Schnellboote verladen. Ein lukrativeres Geschäft als das mit dem Tabak. Der Lokaljournalist Benito Leiro recherchiert das Thema seit Jahren:
"Die Galicier stellten für die kolumbianischen Kartelle die Infrastruktur. Die Kolumbianer kannten die Gegend ja nicht. Es kam ihnen sehr gelegen, dass sie hier Experten hatten, die es gewohnt waren, große Mengen Tabak an Land zu bringen. Es war gut, so kompetente Geschäftspartner zu haben!"
Ende der achtziger Jahre ist die galicische Drogenmafia auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs.
Drogenschmuggler mit sozialem Marketing
Auch Sito Miñanco schwimmt in dieser Zeit geradezu in Geld. Er ist mittlerweile der unumstrittene Kokain-König – und kann sich so ziemlich alles kaufen: Sportwagen, Luxus-Häuser, auch den kleinen Fußballclub von Cambados übernimmt er. Miñanco steckt viel Geld in den Verein. Nicht ohne Hintergedanken, vermutet Buchautor Nacho Carretero. Er hat die Buchvorlage für die Fernsehserie "Fariña" geschrieben:
"Das ist ja ein ganz typisches Verhalten von kriminellen Bewegungen: Sie versuchen, sich beliebt zu machen. Das ist eine Art soziales Marketing. Sito Miñanco war Präsident seines Dorfvereins. Er brachte ihn sogar in die zweite Profi-Liga! Mit ihrem Engagement gaben sich die Drogenschmuggler den Anschein, dass sie doch keine Kriminellen sein konnten!"
Sito Miñanco gibt den Wohltäter – ganz ähnlich wie der berühmt gewordene kolumbianische Drogenbaron Pablo Escobar. Und tatsächlich gibt er einigen Menschen Arbeit. Indem sie für ihn die Drogen an Land bringen, verdienen sich arme Fischer ein Zubrot. Es hilft ihnen, in den harten Jahren aus der Misere zu kommen.
"Niemand redet hier schlecht von ihm als Person. Denn er war ja kein schlechter Mensch. Sondern ein guter Mensch, der schlechte Dinge getan hat."
Sagt Antonio. Er ist Nachbar von Sito Miñanco in Cambados. Seine Familie lebt nur ein paar Häuser weiter. Immer wieder kommt die Familie von Miñanco in seinem Geschäft einkaufen, während der Vater hinter Gittern ist. Seinen echten Namen will er im Radio nicht hören, das Dorf ist klein.
Restaurants, Albariño und Drogenschmuggel
Cambados ist für seine guten Restaurants und für seinen Albariño-Wein bekannt. Und eben für Drogenschmuggel. Spätestens mit der Serie "Fariña" ist das Dörfchen Cambados in ganz Spanien bekannt geworden. Antonios Frau Maite sagt:
"Cambados ist so schön: Wir haben gute Meeresfrüchte hier, so tolle Strände, nette Menschen. Da tut es schon ein bisschen weh, wenn eine Fernsehserie mit einer Geschichte Werbung für uns macht, die wir alle hier eigentlich nur vergessen wollen."
Besonders Antonio hätte allen Grund, vergessen zu wollen. Zögernd greift er nach seinem Smartphone, wischt durch seine Bilder – und stoppt an einer Schwarzweißaufnahme. Darauf: Schulkinder. Ein Gruppenbild seines Schuljahrgangs. Er tippt einzelne Gesichter an. "Der hier ist tot", sagt er. "Der hier auch. Und dieser da auch."
"Die meisten sind an Aids gestorben, an einer Überdosis oder an Hepatitis – all diese Krankheiten, die mit den Drogen zusammenhängen. Das hat mich sehr mitgenommen. Ich habe 40 Freunde verloren… und dabei sind wir ein Dorf von gerade mal 14.000 Einwohnern! Ich bin 1963 geboren, das war meine Generation! Vor kurzem war ich auf dem Friedhof, um um die toten Freunde zu weinen. Es ist eine traurige Geschichte."
Tabak, Haschisch, Kokain
Antonio wischt sich eine Träne aus dem Auge. Seine Freunde von damals sind so gut wie alle unter der Erde. Es sei mit Haschisch und Marihuana losgegangen, erzählt er. Später seien dann die Pillen in Mode gekommen. Und irgendwann das Heroin. Man habe ja nicht gewusst, wie gefährlich das Zeug sei.
"Am Dorfplatz und in den anliegenden Straßen lagen die Süchtigen herum. Und sie konsumierten immer mehr... Ich hatte Glück, denn ich habe zu der Zeit schon sehr hart gearbeitet und hatte keine Freizeit. Es war ja das Nichtstun, das sie in diese Welt abgleiten ließ."
Es klingt, als würde Antonio Geschichten vom Berliner Bahnhof Zoo erzählen. Dabei ist das alles hier passiert, in Cambados. Einem beschaulichen Fischerdorf an der galicischen Küste, weit im feuchten Nordwesten Spaniens, Anfang der achtziger Jahre. Seinem Nachbarn Sito Miñanco will er nicht die Schuld dafür geben, dass die Drogen ihm seine Freunde geraubt haben:
"Das Heroin kam ja nicht durch Sito Miñanco, das haben andere Menschen ins Land geholt. Es kam nicht vom Meer, sondern übers Festland. Hier in Galicien haben sie mit Tabak angefangen, dann mit Haschisch und schließlich hat sich Sito dem Kokain gewidmet."
Tatsächlich brachte vor allem eine andere Mafia das Heroin in die Gegend. Seine Frau Maite erinnert Antonio aber dann doch daran, dass es Haschisch und Kokain waren, die die jungen Menschen später zu Härterem verleitet haben. Jene Drogen, für die Miñanco und Oubiña verantwortlich sind.
Es gibt Mütter, die deshalb Sito Miñanco die Stirn geboten haben. Die Aktivistin Carmen Avendaño zum Beispiel. Sie hat für ihn nur Verachtung übrig.
"Das einzige Mal, dass ich ihn traf, war bei einem Gerichtsprozess. Da waren vier junge Kerle angeklagt, die Sito benutzt hatte. Er hat ihnen alle Schuld zugeschoben. Ich war empört. Also habe ich an der Tür auf ihn gewartet und ihm gesagt: Du Arschloch, Du schiebst diesen Trotteln alles in die Schuhe und machst Dich aus dem Staub. Er war sauer und sagte mir: 'Du, pass' auf, was Du sagst!' Und ich: 'Warum? Wirst Du mich erschießen?' 'Nein', sagte er, 'aber ich empfehle Dir, dass Du vorsichtig bist, wenn Du beim Spazierengehen um die Ecke biegst.'"
Eine Selbsthilfegruppe gegen die Drogenbarone
Sito Miñanco und die anderen Drogenschmuggler aus der Gegend haben das Leben von Carmen Avendaño geprägt. Ohne, dass sie sich das ausgesucht hätte. Anfang der 80er-Jahre ist sie Hausfrau und Mutter. Irgendwann merkt sie, dass einer ihrer Söhne mit Drogen zu tun haben muss, mit Heroin. Sie ahnt, dass es anderen Müttern genauso geht, sucht das Gespräch und gründet eine Selbsthilfegruppe.
"Dort sprach man über alles. Es half uns sehr, dass wir alle betroffen waren – und das Problem so gemeinsam angehen konnten. Es war kein einfacher Prozess. Man muss erst einmal begreifen, dass der Sohn kein Verbrecher ist, sondern krank. Und noch schwieriger ist es, das der Gesellschaft klar zu machen! Man braucht viel Geduld."
Carmen schafft es, dass die Mütter von sich reden machen. Sie gründet den Verein "Érguete", zu Deutsch: "Steh auf!". Und die Frauen stehen auf: Sie demonstrieren vor Bars in der Stadt Vigo. Vor Kneipen, von denen sie wissen, dass deren Inhaber nicht nur Bier verkaufen. Später ziehen sie auch zu den teils herrschaftlichen Anwesen der Drogenbarone. Zum Beispiel zum Pazo Baión, dem Weingut von Laureano Oubiña. Dort rütteln sie am Eingangstor, schreien ihre Verzweiflung heraus.
"Die Urteile waren sehr hart"
Carmen Avendaño lebt zeitweise gefährlich. Die Drogenmafia nimmt sie ins Visier:
"Ich habe mich immer gegen sie gestellt. Dann wurde ich Opfer zweier Anschläge. Naja gut, es waren nicht wirklich Anschläge – sie hatten die Bremsen meines Autos blockiert. Ich hätte einen schlimmen Unfall haben können, aber ich hatte Glück, denn ich fuhr sehr schnell, zusammen mit meinem Vater. Da bemerkte ich, dass die Bremsen nicht funktionieren – dann habe ich mein Auto ausrollen lassen und auf einer Rampe zum Stillstand gebracht."
Carmen macht das damals nur noch entschlossener. Und tatsächlich zeigt ihr Einsatz Wirkung: Der Rückhalt für lokale Drogenbosse wie Sito Miñanco schwindet in den 80er Jahren. Immer mehr Galicier machen Front gegen die Mafia. Antonio Duarte ist der oberste Drogenermittler der spanischen Polizei:
"Wenn es in Galicien die 'Mütter gegen die Drogen' nicht gegeben hätte, die Stiftung gegen den Drogenschmuggel und die Presse, dann hätte das alles ein schlimmes Ende nehmen können. Denn es waren alle Bedingungen für ein schlechtes Ende gegeben. Aber glücklicherweise sorgte dieser Druck dafür, dass mehr Polizisten geschickt, mehr Mittel bereitgestellt wurden – und dass die Urteile sehr hart waren."
Die hermetisch abgeriegelte Welt der Drogenbosse bekommt in diesen Jahren erste Löcher. Doch für die Polizei in Galicien ist es weiterhin schwer, gegen die Mafia vorzugehen und die einflussreichen Drogenbarone dingfest zu machen. Auch deshalb, weil die Polizei Spitzel in den eigenen Reihen hat.
Dass die galicische Drogenmafia geschwächt wurde, ist auch einem spanischen Untersuchungsrichter zu verdanken. Er nimmt sich Ende der Achtziger Jahre des Themas an – und ermittelt im Geheimen, von Madrid aus. Um zu vermeiden, dass in Galicien jemand davon Wind bekommt. Dann holt er zum entscheidenden Schlag aus.
"Miñanco ist ein sehr charismatischer Kerl"
Am frühen Morgen des 12. Juni 1990 startet die sogenannte "Operation Krabbe". Hundert Polizeifahrzeuge nehmen Kurs in Richtung Galicien – mit 350 Polizisten. Diese nehmen mehrere Drogenbarone in ihren Häusern fest. Ein Wendepunkt im Kampf gegen den Kokainschmuggel. Sito Miñanco ist zunächst nicht unter den Festgenommenen. Er ist nach Panama geflüchtet und wird erst ein Jahr später festgenommen. Auch Oubiña kommt in Haft, sein Weingut wird beschlagnahmt.
In den folgenden Jahren kommt Sito Miñanco immer wieder hinter Gitter. 2001 legt ihm auch Drogenermittler Antonio Duarte die Handschellen an. Da ist Miñanco immer noch der unumstrittene Drogenzar Galiciens, an dem keiner vorbei kommt.
"Miñanco ist ein Typ wie aus einem Märchen, einem Film – ein Produkt seines Umfelds . Ein sehr charismatischer Kerl… Als gegen ihn 2001 ermittelt wurde, dachte er mal wieder, er hätte an alles gedacht. Aber er ist immer wieder gestürzt."
Miñanco hat gute Anwälte. Seine Gefängnisaufenthalte sind meist von kurzer Dauer. Immer wieder kommt er frei – und widmet sich danach stets dem, was er am besten kann: dem Drogenschmuggel.
Galicien ist längst nicht mehr das alleinige Zentrum des Drogenschmuggels in Spanien. In Andalusien, an Spaniens Südküste, landen viel Haschisch und Kokain aus Marokko an, erzählt Duarte. Neuerdings vor allem in Containern. Aber auch in Galicien gehen die Geschäfte weiter.
Im galicischen Pontevedra ermittelt in Sachen Drogen heute die GRECO, die Eliteeinheit zur Bekämpfung organisierter Kriminalität. Polizist Emilio Rodríguez empfängt uns im Büro, zusammen mit seinem Kollegen Juan. Sie zeigen den Raum, in dem Polizisten Telefone abhören. An den Wänden hängen Fotos von beschlagnahmten Luxusautos oder Booten.
Rodríguez faltet einen großen Bogen Papier auf. Eine Schautafel aus den 80er-Jahren, von Hand gezeichnet, auf der die Angehörigen der Mafia verzeichnet sind. Ihre Verbindungen untereinander, ihre Telefonnummern. Die Mafia gebe es immer noch. Die Zeiten, in denen der Reichtum in Galicien offen zur Schau gestellt wurde, seien allerdings vorbei, so der Polizist.
"Die Organisationen sind wirtschaftlich sehr mächtig. So wie sie die besten Wege finden, um die Drogen zu transportieren, beschäftigen sie auch die besten Geldwäscher, um die Einnahmen zu verstecken. Früher floss das Geld in Anwesen oder Weinberge – heute in Steuerparadiese wie etwa Panama, wo Miñanco immer schon große Besitztümer hatte."
Ein Superschnellboot für den Kokainschmuggel
Sito Miñanco scheint sich noch nicht vom Geschäft mit dem Kokain verabschiedet zu haben. Zuletzt wird er im Februar 2018 festgenommen – zusammen mit mehr als 50 anderen Verdächtigen in ganz Spanien. Es ist die größte Anti-Drogenaktion der spanischen Polizei seit der Operation Krabbe von 1990.
In seiner Wohnung finden Polizisten Baupläne eines Superschnellboots. Und kurz darauf entdecken sie auch das Schiff selbst, in der Lagerhalle einer kleinen Werft in Cambados. Rodriguez zeigt die Polizeifotos auf seinem Computer wie Trophäen:
"Hier hatte er den legalen Teil seiner Werft – und da im Verborgenen einen Bereich, in dem die Schnellboote lagen. Das kann man von der Straße aus nicht einsehen."
Das Boot sei für den Kokainschmuggel bestimmt gewesen. Enorme 17 Meter ist es lang, ausgestattet mit fünf Motoren, Fassungsvermögen: 12 Tonnen. Ein Ferrari von einem Schnellboot. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 200 Stundenkilometern kann das Schiff in kürzester Zeit tief in den Atlantik fahren. Die Polizei hätte Schwierigkeiten gehabt, es verfolgen zu können. Neben der Fernsehserie Fariña sind es auch solche Geschichten, die den Mythos Sito Miñanco nähren. Für Emilio Rodríguez ist das problematisch:
"Wir merken, wie ein Krimineller auf einmal mystifiziert wird. Wir vergessen dabei, dass es sich bei diesem Menschen um jemanden handelt, der tötet, denn Drogen töten. Und zwar nicht nur die Drogen selbst, sondern auch die Kartelle, die Welt, die sich um die Drogen dreht. Dass Sito Miñanco die Gabe hat, mit Menschen umzugehen – schön. Aber alles was er sonst macht, ist Verbrechen. Und sorgt auch nicht für Wohlstand. Der Reichtum in Galicien kommt nur ihnen, nur vier Personen zugute."
Trotz Gefängnis nicht an Einfluss verloren
Sito Miñanco hat von seinem Reichtum nicht viel. Die vergangenen 25 Jahre hat er meist hinter Gittern verbracht. Und auch in dem Geldwäsche-Prozess von Pontevedra ist er gerade zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Miñanco muss vier Jahre hinter Gitter und sechs Millionen Euro Strafe zahlen. Doch trotz allem hat er bisher offenbar nicht an Einfluss verloren. Der Autor der Serie Fariña, Nacho Carretero:
"Eine kleine Anekdote dazu: Als ich das Ende des ersten Kapitels des Drehbuchs schrieb, hatten nur ganz wenige eine Kopie davon. Und dann fand man ihn, Miñanco, in seiner Zelle mit einem Exemplar in den Händen. Wir konnten das nicht fassen. Das gibt einem einen Eindruck vom Ausmaß seiner Macht."