Spanische Tanzkunst in Berlin

Von Wiebke Hüster |
Ähnlich wie Tango oder Salsa besitzt der spanische Flamenco eine große Anhängerschaft im Norden Europas. Die meisten Besucher von Flamenco-Konzerten können beurteilen, welche Schwierigkeiten die Auftretenden meistern, denn sie üben sich selbst in der schwierigen Kunst, die Füße wie Percussioninstrumente einzusetzen und die Hüften zu schwingen, während die wie Blüten geöffneten Hände anmutig kreisen.
So auch beim größten Flamenco-Festival Deutschlands, dessen zwölften Ausgabe derzeit im Berliner Veranstaltungszentrum "Pfefferberg" stattfindet. Im von einer Fabrikruine und alten Berliner Mietshäusern malerisch umstandenen und von Kastanien beschatteten Sommergarten trifft sich noch bis zum 18. August die deutsche Flamenco-Szene, zu der inzwischen viele längst eingebürgerte spanische Flamencostars zählen, bei abendlichen Open-Air-Vorstellungen.

Es herrscht Volksfeststimmung. Über den voll besetzten, eng zusammenstehenden Biergartenbänken ist die Luft vom Duft spanischer Würstchen knoblauchgeschwängert. Vor den Getränkeausschänken bilden sich lange Schlangen und in den Pausen kaufen die Zuschauer Aufnahmen der beteiligten Musiker, rotgetupfte Volantröcke und bestickte Schals. Am Dienstagabend hatte sich vor Vorstellungsbeginn eine Traube von Menschen vor dem Treppenaufgang zum Garten gebildet, die bis auf die Schönhauser Allee reichte.

Zu erleben war mit "Tiempos nuevos"- neue Zeiten - und "Via láctea" – Milchstrasse - ein Programm, das zwei Generationen von Tänzerinnen präsentierte. Zu Beginn zeigte die in einer andalusischen Familie in Berlin aufgewachsene Ana Menjibar gemeinsam mit einer ähnlich jungen Tänzerin mit dem schönen Künstlernamen Bella "La Paloma" – die Taube – ihr eindrucksvolles Können. Nach der Pause trat Cornelia "La Minera" auf, eine gestandene Tänzerin mit runderen Hüften, bei der viele der Anwesenden und hochgerechnet etwa ein Fünftel aller Berliner Flamencotänzer in die Schule gegangen sind oder gehen. Cornelia "La Minera" wurde wie ihre jüngeren Vorgängerinnen von der Sängerin Carmen Fernandez und dem Gitarrist Ulrich Gottwald "El Rizos" begleitet und von den Fans begeistert gefeiert.

Der zweigeteilte Abend zeigte einerseits, dass die streng traditionelle Tanzkunst des Flamenco in der kommenden Generation von Tänzerinnen virtuos fortgesetzt wird. Andererseits wurde hier bewiesen, dass erst mit viel Lebens- und künstlerischer Erfahrung eine Freiheit im Umgang mit traditionellen Formen entstehen kann, die auch auf weite Teile des Publikums befreiend wirkt.