Niemand erzählt die Geschichte der Opfer
Für die einen war es der "Kampf für die Demokratie", für die anderen ein "Kreuzzug gegen den Kommunismus": der spanische Bürgerkrieg. Der Krieg, der vor 80 Jahren begann, ist bis heute ein beliebtes Thema für Spiel- und Dokumentarfilme.
In den Bergen bei Segovia, hinter den Linien der spanischen Faschisten kämpft eine Gruppe Partisanen gegen den übermächtigen Gegner. Ernest Hemingway hatte in seinem Roman "Wem die Stunde schlägt" 1940 eigene Erfahrungen aus dem Spanienkrieg verarbeitet. 1943 kam die gleichnamige Hollywood Verfilmung des Romans in die Kinos, unter der Regie von Sam Wood. In den Hauptrollen Ingrid Bergmann und Gary Cooper. "Wem die Stunde schlägt" war die romantische Vision des gerechten Kampfes der Demokratie gegen die faschistischen Militärs. Spanien galt als erstes Opfer Hitlers und Mussolinis. Diese Sicht Hollywoods auf den spanischen Bürgerkrieg änderte sich aber schnell mit dem Beginn des kalten Krieges, sagt der katalanische Filmhistoriker und Dokumentarfilmer Oriol Porta:
"In Amerika setzte sich eine antikommunistische Angstpolitik durch und die ganze bisherige Wahrnehmung der Geschichte wurde in Frage gestellt. Was vorher als wahr galt war plötzlich falsch. Für Spanien bedeutete das, was zuvor als Kampf der Demokratie gegen faschistische Militärs gesehen wurde, galt plötzlich als erster Sieg des Abendlandes über den Kommunismus. Im Krieg gegen den Kommunismus in den 50er-Jahren wurden die Guten böse und die Bösen gut."
In der frühen Bundesrepublik der Ära Adenauer galten die Anhänger der spanischen Republik als "Rotspanienkämpfer", (...) Der spätere Winnetou- und Edgar-Wallace-Regisseur Harald Reinl, verherrlichte 1955 in "Solange Du lebst" offen die Bombardierung der Spanischen Republik durch die "Legion Condor". In der Kinowerbung wurde Reinls Liebesdrama um einen, hinter der "roten" Linie abgestürzten deutschen Kampfflieger angepriesen als: "Ein Film voller Menschlichkeit, abseits jeder Tendenz"
Diktator Franco feiert Sieg mit heroischen Kriegsdramen
Das sah man in den DEFA Studios auf der anderen Seite des eisernen Vorhangs natürlich ganz anders.
Für die DDR war der Spanienkrieg und der Kampf der Internationalen Brigaden ein Gründungsmythos. Die Kampflieder von Ernst Busch und die Erinnerungen der deutschen Kämpfer der Internationalen Brigaden zählten zum Kern der kulturellen Identität des Landes. So erzählt 1960 der Defa Klassiker "Fünf Patronenhülsen" von Frank Beyer den Kampf gegen den Faschismus in der kastilischen Hochebene fast wie einen Western. Fünf Interbrigadisten unterschiedlicher Herkunft müssen sich gemeinsam durch die feindlichen Linien schlagen. Einigkeit macht stark, auch nach der Niederlage, so die Botschaft des Films.
In den spanischen Kinos feierte die Francodiktatur den Sieg über die Republik mit heroischen Kriegsdramen: Diktator Franco selbst schrieb unter einem Pseudonym die Familiensaga "Raza" (Die Rasse) über eine nationalkatholische spanische Familie, die siegreich aus den Schrecken des Bürgerkriegs hervorgeht. 1940 kam die Verfilmung von Francos Novelle in die spanischen Kinos. Für den 84-jährigen Filmhistoriker Román Gubern war dieses "cine de la cruzada" das "Kreuzzugskino" die wichtigste Selbstdarstellung des Regimes:
"Ich habe die 40er-Jahre selbst erlebt. Das Regime setzte auf Indoktrination und auf Unterhaltung, die Belohnung für den weltanschaulichen Pathos lag in den leichten, unpolitischen Komödien. Das waren die beiden Füße, auf denen das Kino Franco-Spaniens stand. Aber ich bin in Barcelona aufgewachsen und kann mich noch erinnern, das keiner damals diese spanischen Propagandafilme mochte, das Publikum verachtete sie."
Geschichte der Verlierer kam 1975 in die Kinos
Die Geschichten der Verlierer kamen erst nach Francos Tod 1975 in die Kinos. Etwa "Ay Carmela", Carlos Sauras brillante Tragikomödie aus dem Jahre 1992, über zwei Unterhaltungskünstler, die sich plötzlich auf der falschen Seite der Front wiederfinden. Bei späteren Filmen wirkte die demokratische Auseinandersetzung mit dem Bürgerkrieg fast wie eine verspätete Antwort auf die Kreuzzugsdramen der Francodiktatur, ebenso pathetisch, aber mit vertauschten Rollen.
Immer wieder entstanden aber auch außerhalb Spaniens filmische Meisterwerke, die den Spanischen Bürgerkrieg aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten, etwa 1995 Ken Loachs "Land and Freedom" über die Vernichtung der anarchistischen Revolution durch Stalins Kommunisten, oder "El Labirinto del Fauno" von Guillermo del Toro aus dem Jahre 2006. Für den spanischen Filmemacher Antoni Chavarri hat das Kino die eigentlich spannenden Geschichten bis heute noch nicht erzählt:
"Der Spanische Bürgerkrieg wurde nach Francos Tod immer aus der Perspektive der Republik erzählt. Gut, das war eine Revanche, denn vorher gab es immer nur die Perspektive der Sieger. Heute, nach achtzig Jahren muss man keine politische Position mehr beziehen, man braucht keine Helden mehr, weder auf der einen noch auf der anderen Seite, man kann wirklich die Geschichte der Opfer erzählen."