Spannendes Zahlen-Comic auf mehreren Ebenen
"Mathematik war noch nie so aufregend", das schrieb der "Guardian" zur englischen Ausgabe von "Logicomix", die im vergangenen Jahr erschienen ist. In der Tat, die Autoren dieser Graphic Novel präsentieren einen knochentrockenen Stoff aus der Mathematik als packende Story, obwohl solch ein abstraktes Thema absolut ungeeignet scheint gerade für einen Comicroman.
"Logicomix" geht auf eine Idee des Mathematikers, Filmregisseurs und Autors Apostolos Doxiadis zurück, der schon mit einem anderen Mathematik-Roman einen überraschenden Bestseller gelandet hat, mit seinem Buch "Onkel Petros und Goldbachs Vermutung", das in 30 Sprachen übersetzt wurde.
Spannend ist "Logicomix" auf drei Ebenen: als Geschichte der Suche nach den logischen Grundlagen der Mathematik, als Biographie des britischen Philosophen Bertrand Russell und als Auseinandersetzung mit der Frage, ob Logik und menschliches Verhalten irgendetwas miteinander zu tun haben.
Diese Themen sind in mehreren Erzählschichten arrangiert. Auf der ersten begegnet man in Athen einem Team von Comicautoren, die sich einen Mathematiker als Berater an die Seite geholt haben. Ihm präsentieren sie ihr Projekt: einen Bertrand-Russell-Comic.
Den Philosophen lassen die Autoren in Washington auftreten, im September 1939, also in den ersten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Dort wird Russell in den Streit zwischen den Befürwortern und den Gegnern des amerikanischen Kriegseintritts hineingezogen. Der bekennende Pazifist nutzt seinen Vortrag in Washington, um anhand seiner Lebensgeschichte und seiner philosophisch-mathematischen Studien auch zum Problem des Kriegseintritts Stellung zu nehmen.
Auf einer weiteren Ebene wird der ganze Themenkomplex dieser Erzählung, die Auseinandersetzung mit Vernunft und Irrationalität, mit Archaischem und Modernem noch einmal gespiegelt: in der "Orestie" von Aischylos.
Sehr viel Stoff für ein Comicbuch von 350 Seiten, Doxiadis und Papadimitriou schultern ihn mit intelligentem Witz. Die schnellen, verknappten Bildfolgen von "Logicomix" zeigen immer wieder zugespitzte, karikierende Überzeichnungen. Im vergrübelten Gesicht von Bertrand Russell graben sich seine vielen Niederlagen ein. Mit ihm begegnet man in Comic-Porträts den anderen Großdenkern seiner Zeit: dem exaltierten Ludwig Wittgenstein, dem kauzigen Gottlob Frege, dem auf unheimliche Art scharfsinnigen Kurt Gödel.
In der Rahmengeschichte diskutieren die Comicautoren und ihr beratender Mathematiker immer wieder über den Realitätsgehalt ihrer Geschichte, gute Gelegenheiten, um Russells nicht eben eingängige Theoreme noch einmal genauer zu erklären.
Bertrand Russell ist zum Zeitpunkt dieser Erzählung in vieler Hinsicht gescheitert, als Begründer einer auf strikte Logik gestützten Mathematik, als missionarischer Rationalist, als Erzieher, als Ehemann. Zu erfahren, wie dieser Denker gerade aus seinen Irrtümern moralische Größe gewinnt, das ist das eigentlich Beeindruckende an diesem Buch.
Besprochen von Frank Meyer
Apostolos Doxiadis und Christos H. Papadimitriou: Logicomix
Übersetzt von Ebi Naumann
Atrium Verlag, Zürich 2010
352 Seiten, 24,90 Euro
Spannend ist "Logicomix" auf drei Ebenen: als Geschichte der Suche nach den logischen Grundlagen der Mathematik, als Biographie des britischen Philosophen Bertrand Russell und als Auseinandersetzung mit der Frage, ob Logik und menschliches Verhalten irgendetwas miteinander zu tun haben.
Diese Themen sind in mehreren Erzählschichten arrangiert. Auf der ersten begegnet man in Athen einem Team von Comicautoren, die sich einen Mathematiker als Berater an die Seite geholt haben. Ihm präsentieren sie ihr Projekt: einen Bertrand-Russell-Comic.
Den Philosophen lassen die Autoren in Washington auftreten, im September 1939, also in den ersten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Dort wird Russell in den Streit zwischen den Befürwortern und den Gegnern des amerikanischen Kriegseintritts hineingezogen. Der bekennende Pazifist nutzt seinen Vortrag in Washington, um anhand seiner Lebensgeschichte und seiner philosophisch-mathematischen Studien auch zum Problem des Kriegseintritts Stellung zu nehmen.
Auf einer weiteren Ebene wird der ganze Themenkomplex dieser Erzählung, die Auseinandersetzung mit Vernunft und Irrationalität, mit Archaischem und Modernem noch einmal gespiegelt: in der "Orestie" von Aischylos.
Sehr viel Stoff für ein Comicbuch von 350 Seiten, Doxiadis und Papadimitriou schultern ihn mit intelligentem Witz. Die schnellen, verknappten Bildfolgen von "Logicomix" zeigen immer wieder zugespitzte, karikierende Überzeichnungen. Im vergrübelten Gesicht von Bertrand Russell graben sich seine vielen Niederlagen ein. Mit ihm begegnet man in Comic-Porträts den anderen Großdenkern seiner Zeit: dem exaltierten Ludwig Wittgenstein, dem kauzigen Gottlob Frege, dem auf unheimliche Art scharfsinnigen Kurt Gödel.
In der Rahmengeschichte diskutieren die Comicautoren und ihr beratender Mathematiker immer wieder über den Realitätsgehalt ihrer Geschichte, gute Gelegenheiten, um Russells nicht eben eingängige Theoreme noch einmal genauer zu erklären.
Bertrand Russell ist zum Zeitpunkt dieser Erzählung in vieler Hinsicht gescheitert, als Begründer einer auf strikte Logik gestützten Mathematik, als missionarischer Rationalist, als Erzieher, als Ehemann. Zu erfahren, wie dieser Denker gerade aus seinen Irrtümern moralische Größe gewinnt, das ist das eigentlich Beeindruckende an diesem Buch.
Besprochen von Frank Meyer
Apostolos Doxiadis und Christos H. Papadimitriou: Logicomix
Übersetzt von Ebi Naumann
Atrium Verlag, Zürich 2010
352 Seiten, 24,90 Euro