Ein Konflikt von "hoher symbolischer Aufgeladenheit"
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Sehr schwierig ist derzeit einzuschätzen, wie hoch das Gefahrenpotential des Kaschmir-Konflikts zwischen Indien und Pakistan ist. Für den Politologen Pierre Gottschlich gibt es Argumente, die für oder gegen eine Beruhigung der Lage sprechen.
Bereits seit nunmehr sieben Jahrzehnten streiten Indien und Pakistan um die Region Kaschmir. In drei Kriegen bereits stritten die beiden verfeindeten Atommächte um Kaschmir. Die Ursache dieses Streits im Osten liegt im Westen: die Kolonialmacht Großbritannien. Denn die Teilung Kaschmirs 1949 ist eine Folge des Krieges, der unmittelbar nach dem Erlangen der Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien und der Gründung Pakistans 1947 geführt wurde. Pakistanische Stammesmilizen wollten damals das mehrheitlich muslimische Kaschmir überrennen. Der hinduistische Herrscher von Kaschmir rief jedoch die Inder zu Hilfe und schloss sich dem Nachbarn Indien an. 1965, 1972 und 1999 kam es dann zu erneuten kriegerischen Konflikten um Kaschmir zwischen Indien und Pakistan.
Oft klug genug, vor einer Eskalatioln zurückzuschrecken
Auch nun, seit 2016 bereits, reißt die Welle von Aufständen und Protesten im Kaschmir-Tal nicht mehr ab und diese Gewalt erfuhr in diesen Tagen einen neuen Höhepunkt, der im Abschuss von zwei indischen Flugzeugen durch pakistanische Kampfflieger gipfelte. Der Politikwissenschaftler Pierre Gottschlich allerdings erkennt in dieser "ernsten Lage" durchaus "Entspannungssignale": "Der von den pakistanischen Streitkräften festgesetzte indische Pilot soll frei kommen - das ist ein ganz wichtiges Signal für Indien. Es lehrt uns hier die Erfahrung, dass das ganze Säbelrasseln in diesem Konflikt nicht zwingend eine Eskalations nach sich ziehen wird, denn ähnliche Stufen haben wir schon 2001 gesehen, 2008 und vor zwei Jahren, als es schon einmal einen Anschlag auf eine indische Kaserne gegeben hat. Und in all diesen Fällen sind die Entscheidungsträger auf beiden Seiten der Kontrolllinie zwischen den Staaten klug genug gewesen, vor eine größeren Eskalation zurückzuschrecken."
Eine große symbolische Aufgeladenheit
Dies allerdings heiße nicht, dass es sich hierbei lediglich um eine kleine bilaterale Auseinandersetzung handle, sagt Gottschlich: "Kaschmir - das ist schon ein sehr großer und fundamentaler Konflikt zwischen den beiden Staaten und das hat mit der Entstehung dieses Konfliktes zu tun, als britisch Indien aufgeteilt wurde in Pakistan und in Indien gab es die Frage, was mit mehreren formal unabhängig gewordenen Fürstentümern geschieht und Kaschmir war eines davon, eines der größten und sowohl für Pakistan als auch für Indien ist die symbolische Bedeutung, dieser Region von ganz großer Wichtigkeit und das macht den Konflikt auch zu einem, der jetzt nicht nur einzelne Interessengruppen berührt, sondern der für die nationale Indentität beider Länder schon von enormer Bedeutung ist." Für Pakistan sei klar, dass alle Muslime, die hier in der Region eine Mehrheit stellen, zu ihrem Land gehören und weil Kaschmir mehrheitlich mit Muslimen besiedelt ist, gehöre auch Kaschmir zu diesem beanspruchten Gebiet. Und für Indien als sekularem Staat gelte ebenso, dass in ihren Territorien auch Hindus oder eben Muslime die jeweilige Mehrheit bilden könnten, so Gottschlich. "Auf für Indien ist Kaschmir wichtig, um seinen eigenen säkularen Anspruch zu unterstreichen." Hier zeige sich eine symbolische Aufgeladenheit, die weit über andere territoriale oder Wirtschaftskonflikte hinausgehe.
Einfluss der in Indien anstehenden Wahlen
Und Gottschlich betont, dass möglicherweise die anstehenden Wahlen in Indien eine Rolle spielen könnten in der momentanen Situation, da die hindunationalistische Regierung Indiens möglicherweise hier in diesem Konflikt Stärke beweisen wolle um so ihren Machtanspruch für die Wahlen zu unterstreichen. "Aus diesem Blickwinkel heraus, war es für Indien fast unvermeidbar, militärisch aktiv zu werden nach dem verheerenden Terroranschlag von vor einigen Wochen, um diese Handlungsfähigkeit zu zeigen. Die Frage ist jetzt: Genügt das für Modi [Narendra Damodardas Modi, Indiens Premier - Hinw. d. Red.] und seine Regierung schon, um mit Selbstvertrauen in den anstehenden Wahlkampf zu gehen." Eine Lösung durch die Vermittlung einer dritten Partei ist nach Einschätzung Gottschlichs "sehr, sehr unwahrscheinlich".