Sparen an der falschen Stelle
Die sozialtherapeutischen Anstalten in Hamburg sind die ältesten und erfolgreichsten Resozialisierungseinrichtungen bundesweit. Seit 30 Jahren gelingt es hier beispielhaft, Sexualstraftäter wieder in die Gesellschaft einzugliedern.
Ursprünglich wollte der Hamburger CDU-Justizsenator Roger Kusch diese erfolgreichen Anstalten im Zuge der Sparbeschlüsse schließen. Durch den bundesweiten Protest renommierter Kriminologen ist der Senator zwar von diesem Kahlschlag abgerückt. Dennoch muss das Hamburger Modell empfindliche Abstriche hinnehmen.
Eine friedliche Sommeridylle im Innenhof der Sozialtherapeutischen Anstalt Bergedorf mitten in Hamburg. Die Grünpflanzen, die ein Gefangener aus Stecklingen gezogen hat, haben sich prächtig entwickelt, die Beete sind pickobello in Schuss, der Springbrunnen verbreitet eine wohlige Atmosphäre. Überhaupt macht der hundert Jahre alte Bau aus roten Ziegelsteinen einen gepflegten Eindruck. Die Fenster sind geputzt, der Fußboden sauber, an den Wänden der Aufenthaltsräume mit freundlichen Farben hängen schöne Bilder. Wären nicht die weiß-gestrichenen massiven Stahlgitterstäbe vor den Fenstern, man würde nicht glauben, dass man in einem Gefängnis ist. Anstaltsleiterin Astrid Barth ist durchaus bewusst, dass sich ihr Haus von anderen Haftanstalten unterscheidet.
"Wenn man das Haus sieht, denkt man, das soll ein Gefängnis sein, aber das es hier schön ist, ist Absicht, schließlich leben ja auch wir hier die meiste wache Zeit unseres Tages, das sollen auch die Insassen haben und auf diesem Mist, Bild aus der Landwirtschaft, auf einem guten Boden wächst auch was und wir bilden den guten Boden, damit was Anständiges dabei herauskommt . "
Bei den 42 Insassen des Hauses handelt es sich zumeist um Sexualstraftäter. Der freundliche äußere Eindruck der Haftanstalt steht in krassem Gegensatz zu der harten Therapie, der sich die Insassen unterziehen müssen. Um aus dem Regelvollzug in die sozialtherapeutische Anstalt nach Bergedorf verlegt zu werden, müssen sich die Gefangenen bewerben und eine dreimonatige Probezeit überstehen. Wer es schafft, in Bergedorf einen Platz zu bekommen, ist verpflichtet an Einzel- und Gruppentherapien teilzunehmen. Anders als im Regelvollzug, wo jeder Gefangene seine Straftat aus Schutz vor Verfolgung verheimlicht, weiß in Bergerdorf jeder von jedem, was der Einzelne auf dem Kerbholz hat, sagt der Diplompsychologe Andreas Fuchs.
"Ja es ist ein wesentlicher Teil der Behandlung, dass die Gefangenen sich in einem angstfreien Rahmen mit ihren Delikten beschäftigen können, dass sie sich anschauen, wie ihr Leben verlaufen ist, wie die Tat abgelaufen ist, ohne dass sie sich fürchten müssen, wenn sie sich äußern, dass es an anderer Stelle gegen sie verwendet wird, Offenheit ist etwas, was hier honoriert wird, während es im Regelvollzug manchmal besser ist, nicht zu offen zu sein. "
Hamburg hat bereits 1969 als erstes Bundesland die Sozialtherapie für Gefangene eingeführt. Damals hieß das Gefängnis in Bergedorf noch Sonderanstalt. Weil Hamburg mit seinen Erfolgen bewiesen hat, dass es mit Hilfe der Therapie möglich ist, auch Gewalttäter wieder dauerhaft in die Gesellschaft einzugliedern, sind die anderen Bundesländer dem Beispiel der Hansestadt nach und nach gefolgt, sagt Anstaltsleiterin Barth.
"Das Leben hier ist sehr geregelt, es gibt sehr viele Pflichten, die müssen eingehalten werden, etwa die Therapien, da muss sich jeder stellen, aber wir sorgen dafür, dass die Gefangenen anständig mit uns umgehen so wie auch wir anständig mit ihnen umgehen. "
Die Gefangenen werden auch dazu angehalten, einfache Arbeiten zu erledigen. Etwa in der Holzwerkstatt oder in einem Sortierbetrieb, sagt die stellvertretende Anstaltsleiterin Hanneloren Eward bei einem Rundgang durchs Haus.
"Das sind Karten, Muster vom Sortierbetrieb, die die Gefangenen zusammenstellen, das sind relativ einfache Arbeiten, aber es ist nicht immer einfach qualifiziertere Arbeiten in die Anstalten zu bekommen. "
In ihrer Freizeit können sich die Gefangenen im Fitnessraum abreagieren, sie können malen, sich in einem kleinen Innenhof sonnen oder auch Federball spielen. Das ist für ein Gefängnis außergewöhnlich, doch die besondere Atmosphäre gehört zum Konzept. Dahinter steht die pädagogische Absicht, eine lebensbejahende Haltung zu vermitteln. Hier lohnt es sich zu leben, lautet die untergründige Botschaft an die Gefangenen, die vielfach aus schwierigen Verhältnissen kommen, sagt die Psychologin Salzmann.
"Die kennen größtenteils Arbeitslosigkeit, die kennen dissoziale Umstände schon aus ihrer eigenen Kindheit, wir haben hier keine dissozialen Umstände, sondern bemühen uns um ein gutes soziales Millieu und dafür lohnt es sich mit Straftaten aufzuhören. "
So angenehm die Umgebung des Gefängnisses auf den ersten Blick auch wirkt, so erbarmungslos ist die Therapie, der sich jeder Gefangene stellen muss. Alle Straftaten jedes Insassen werden bis ins kleinste Detail aufgearbeitet, sagt Anstaltsleiterin Barth.
"Das Urteil wird vorgelesen, der Gefangenen schildert den Ablauf der Tat, nicht erst ab Beginn, sondern schon vorher, die anderen Gruppenmitglieder sind kritische und kompetente Mitglieder, weil es ja auch Straftäter sind und die wissen wies läuft, das Thema Wiedergutmachung ist ein Thema, Rückfallvermeidung mit einem Plan, den jeder einzelne Gefangenen bekommt, es gibt Opfertherapie, das wird sehr umfassend behandelt, das ist nämlich das A und O wenn ich Empathie für mein potentielles Opfer habe, kann ichs nicht zum Opfer machen. "
Die Täter müssen einen Rollentausch vollziehen und sich in die Situation des Opfers hineinversetzen, sagt der Diplompsychologe Fuchs.
"Der Täter stellt sich selber als das Opfer dar, mit Namen und Biografie des Opfers und stellt sich noch mal aus der Sicht des Opfers dar und da treten fast allen Gefangenen doch die Schweißperlen aus die Stirn und es ist ihnen anzumerken, wie sehr sie dieser Prozess mitnimmt, für viele ist das der erste Moment sich damit auseinanderzusetzen, mit diesem Perspektivwechsel, wie geht es eigentlich der vergewaltigten Frau, dem missbrauchten Kind, mit dem, was ich da getan habe. "
Um diese Konfrontation mit den Untiefen der eigenen Person zulassen zu können, müssen die Gefangenen sich geborgen fühlen, sonst funktioniert die Therapie nicht.
Anstaltsleiterin Barth beschreibt die Aufgabe der Sozialtherapie:
"Das Ziel der sozialtherapeutischen Einrichtungen ist, dass Menschen, die erheblich gestört sind in ihrer Persönlichkeit, die erheblichen Schaden angerichtet haben an Menschen und an der Gesellschaft, dass sie ... so weit wieder Fuß fassen und Stabilität gewinnen, dass sie ohne sich selbst und anderen Menschen zu schaden wieder draußen leben können. "
Nach einigen Monaten oder manchmal Jahren sind die Gefangenen so weit, dass sie Ausgang bekommen. Da die Anstalt in Bergedorf mitten in einem belebten Stadtteil liegt, sind die Voraussetzungen gut, dass sie sich wieder an das normale Leben gewöhnen können. Draußen treffen wir einen Gefangenen, der sich an seinen zwölfjährigen Töchtern vergangen hat. Seit zwei Jahren ist er in Bergedorf, im September soll er entlassen werden. Der 55jährige Mann, bei dem Krebs diagnostiziert wurde, hätte als Frührentner vorzeitig entlassen werden können. Das hat er abgelehnt, weil während der Therapie eine Veränderung mit ihm vorgegangen ist, wie er sagt.
"Ich war wirklich sehr positiv überrascht, dass man hier wieder als Mensch behandelt wird, nicht als Tier oder Dreck. Genauso mit dem Rausgehen, ich trau mich wieder unter Menschen, ich muss jeden Tag zur Bestrahlung wegen dem Krebs, als ich in der S-Bahn saß, hatte ich anfangs richtig Panik, das hat sich alles wieder gegeben, obwohl ich nur noch 15 Jahre zu leben habe, aber das interessiert mich nicht, ich freu mich auf meine Zukunft, diese Freude wurde mir hier in dieser Anstalt wiedergegeben, dass man sich auch noch auf die nächsten Jahre freut. "
Maximal fünf Stunden hat er täglich Ausgang. Anfangs fühlte er sich dabei, als hätte er ein Schild mit dem Wort Kinderschänder vor dem Kopf. Bevor er nach Bergedorf gekommen ist, musste er einige Jahre in der berüchtigten Haftanstalt Santa Fu in Fuhlsbüttel verbringen. Im so genannten Regelvollzug ging es nur darum, die Gefangenen wegzuschließen, erinnert er sich. In Bergedorf ist das ganz anders, sagt der Mann, auch wenn er anfangs große Probleme hatte sich zu öffnen.
"In der ersten Stunde, die ich in der Gruppe war, hab ich gesagt, ich möchte noch nicht drüber reden, ich bin noch nicht so weit und dann hat unsere Anstaltsleiterin Frau Barth immer gesagt, wir wissen weswegen Sie hier sind und auf einmal, als wenn ein Damm gebrochen wäre, man konnte reden, man konnte über alles reden, das hat wirklich sehr geholfen, man kann Tag und Nacht zu einem Beamten gehen, wenn man Sorgen hat und das kann in einer anderen Anstalt nicht so laufen wie hier. "
Bergedorf ist die älteste sozialtherapeutische Anstalt bundesweit. Seit 36 Jahren werden hier Straftäter therapiert. Nachdem der Bundestag 1998 ein Gesetz verabschiedet hat, das allen Sexualstraftätern, die mehr als zwei Jahre absitzen müssen, eine sozialtherapeutische Behandlung angeboten werden muss, ist diese Anstalt für viele Bundesländer zum Vorbild geworden. So werden etwa in Mecklenburg-Vorpommern sozialtherapeutische Anstalten nach dem Hamburger Konzept eingerichtet.
Trotz dieser herausragenden Position bundesweit hat der Hamburger Senat beschlossen, das Konzept der Sozialtherapie zurückzustutzen. Kritiker sprechen von einer Zerschlagung des vorbildlichen Modells. Zwei von vier Einrichtungen sind dem Rotstift zum Opfer gefallen. Das Moritz-Liepmann-Haus mit 45 Haftplätzen wurde bereits im Februar geschlossen, die Anstalt Altengamme mit weiteren 60 Plätzen muss bis zum Jahresende schließen. Statt 180 Plätze will Hamburg künftig nur noch 90 Plätze für die Sozialtherapie vorhalten und das in einem stark abgespeckten Konzept. Alle Therapiemaßnahmen sollen auf die Großanstalt Fuhlsbüttel konzentriert werden, in Bergedorf können die Straftäter nur noch wenige Monate kurz vor ihrer Entlassung behandelt werden. Der Grund sind Sparmaßnahmen, wie der Staatsrat in der Justizbehörde, Carsten Lüdemann sagt.
"Also die Inhalte, die gute inhaltliche Arbeit, ist doch nicht anhängig von Räumlichkeiten, sondern von einer inhaltlichen konzeptionellen Arbeit und ob man die an diesem Standort macht oder an einem anderen Standort macht, ändert an der Qualität nichts, es ist immer nur gesagt worden, dass der Anstaltsort, dort wo die Therapie gemacht wird, verlagert wird und dass die kleinen Anstalten mit 40 Insassen zu teuer sind und wir versuchen Geld einzusparen, indem wir größere Anstalten bilden. "
Größere Anstalten sind aber das Ende einer erfolgreichen Sozialtherapie, sagen alle Experten übereinstimmend. Die Bundesvereinigung aller 270 Anstaltsleiter im deutschen Strafvollzug hat entschieden gegen diese Entscheidung protestiert. In einem Schreiben an den Hamburger CDU-Justizsenator Roger Kusch lehnen die Anstaltsleiter die so wörtlich "Umsetzung der sozialtherapeutischen Anstalten in eine Anstalt des geschlossenen Regelvollzuges" ab. Bei Unterschreitung der bestehenden Standards ist nicht auszuschließen, dass die erforderliche Qualität aufgegeben wird, mahnen die Praktiker. Doch wenn es um Kusch geht, ist der Hamburger Bürgermeister Ole von Beust merkwürdig taub, heißt es in Senatskreisen. Dabei zeigt sich im Gespräch, dass der Justiz-Senator noch nicht einmal mit den grundlegenden Dingen der Sozialtherapie vertraut ist. So weiß der Ressortchef nicht über die außerordentlichen Resozialisierungserfolge der Hamburger Sozialtherapie Bescheid. In entwaffnender Offenheit antwortet Kusch auf die Frage, ob es ihn nicht nachdenklich stimmt, dass im normalen Vollzug jeder zweite Straftäter rückfällig wird, bei den Absolventen der Sozialtherapie in Hamburg aber nur jeder fünfte:
"Also es freut mich, dass Sie Zahlen haben, die mir in dieser wissenschaftlichen Exaktheit nicht bekannt sind. "
Und auf die Frage, wer die politische Verantwortung dafür trägt, dass mit der Zerschlagung der Sozialtherapie Kinderschänder, die therapiert werden könnten unbehandelt bleiben und so eine erneute Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen, antwortet der Justizsenator.
"Schauen Sie, die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs hatten zweieinhalb Jahre Gelegenheit, die Politik der Justizbehörde unter einer CDU-Führung zu beobachten, die Schlüsse, die die Menschen gezogen haben...waren, dass sie uns mit absoluter Mehrheit wieder gewählt haben, das ist für mich eine Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Kurs sind. "
Weitere Fragen will der Herr Senator nicht zulassen, dreht sich um und geht davon. Von vielen Bürgern wird dieses Verhalten als arrogant eingestuft. Diese Frauen, die als Bedienstete in Hamburger Haftanstalten arbeiten, machen ihrem Unmut deutlich Luft. Schließlich sind sie stolz auf ihre Arbeit.
"Die wird hoch gelobt international, wir sind Vorreiter für alle möglichen Vollzugskonzepte gewesen (zweite) aus allen Bundesländern gucken die sich das an, wollen das nachmachen, wollen genauso die Programme aufbauen, wie wir das haben und die Mutter aller, die wird platt gemacht.
Das ist beschlossene Sache, das wird nicht mehr geändert, das steht fest. (Zweite Frau) ich mein auch, das steht fest und was anderes zählt nicht.
Die Entwicklung und die Bedürfnisse der Mitarbeiter interessieren in keinster Weise, das Zusammenlegung dieser Anstalten aus Kostenersparnisgründen, ich denke, dass unser Senator in keinster Weise Behandlungsvollzug wünscht, er will wahrscheinlich wieder zum Regelvollzug zurückführen, das ist es, das ist für ihn unumstößlich. "
Uns was geht verloren, wenn die Sozialtherapie in Hamburg zerschlagen wird?
"Sicherheit, Sicherheit für die Bevölkerung draußen, Sicherheit geht verloren, wenn die entlassen werden und haben keine Wohnung, haben keine Vorbereitung keine Schuldenregulierung, keine Therapie, dann geht Sicherheit verloren. "
Zweite Frau: " Mit nem Persilkoffer wieder vor die Tür, wie früher. "
Dritte Frau: "Wenn man diese Leute, so wie sie reinkommen wieder raus lässt, wo soll da Sicherheit entstehen, die gehen doch sofort wieder los, dass die Arbeit dieser Mitarbeiter in den Anstalten einfach so weggewischt wird, das macht mich ärgerlich, die Leute sind so motiviert, das wird weggewischt, so wollen wirs gar nicht. "
Der Jurist und Psychologe Michael Alex aus Halle in Sachsen-Anhalt ist selbst Leiter einer Sozialtherapeutischen Anstalt. Der Experte verweist darauf, dass die Erfahrungen mit großen Anstalten, wie das jetzt auch in Hamburg beschlossen wurde, sehr schlecht sind.
"Die beiden Anstalten in Altengamme und Bergedorf waren im Grunde immer Modellanstalten für ganz Deutschland, was hier entwickelt worden ist, war wegweisend für die gesamte Sozialtherapie in Deutschland, insbesondere hat Bergedorf die strukturierten therapeutischen Gruppenprogramme bundesweit bekannt gemacht, sie sind inzwischen auch über Niedersachen in den anderen Ländern umgesetzt worden, Altengamme war immer das Vorbild für integrative Sozialtherapie also eine Kombination von psychotherapeutischen, pädagogischen und arbeitstherapeutischen Maßnahmen mit dem großen Versuch, auch die Außenwelt und die Angehörigen miteinzubeziehen, das geht verloren, wenn man eine große Anstalt macht. "
Der Vorsitzende des Landesverbandes Hamburgischer Juztizvollzugsbediensteter, Klaus Neuenhüsges, kritisiert, dass die Einsparungen durch die Umstrukturierung der Sozialtherapie minimal sind. Der Schaden, den der Senator für die Motivation der Miztarbeiter verursacht, ist dagegen sehr schwerwiegend, meint der Arbeitnehmervertreter.
"Das ist ein ganz wertvolles Gut im Vollzug, dass Sie es mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu tun haben, die einen hohen Identifikationsgrad mit ihrer Arbeit haben, die ernst genommen werden, und das ist meine große Kritik an dem ganzen Procedere, hier wurde etwas aufoktroiert nach dem Motto, macht es, tut es , ohne dass es hinterfragt wurde, können wir es nicht auch anders machen, also im Grunde genommen eine Vergewaltigung der Mitarbeiterschaft. "
Im Gefängnis in Bergedorf findet man viele Beispiele dafür, dass sich die Bediensteten über ihre eigentlichen Aufgaben hinaus engagieren. Karin Köster etwa arbeitet seit 1966 im Schreibdienst oder heute in der Textverarbeitung im Strafvollzug. An ihrem freien Wochenende kommt sie samstags häufig in die Anstalt, um mit den Gefangenen Spiele zu spielen.
"Dann spielen wir Karten Skippo, Mensch ärgere dich nicht und Playstation, wer wird Millionär ... sonst spielt keiner mit mir und was soll ich zu Hause, dann mach ich das hier mit den Männern, und das bringt mir Spaß. "
60 Gewalttäter konnten bislang jedes Jahr sozusagen geheilt aus den sozialtherapeutischen Anstalten in Hamburg entlassen werden, ohne dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit noch eine Gefahr für die Gesellschaft darstellten. Ein großer Erfolg, der überall anerkannt wird. Wenn die Sozialtherapie in Hamburg aber zum Jahresende auf Mittelmaß zurechtgestutzt wird, wird sich diese Zahl deutlich verringern, sagt der Soziologe Gerhard Rehn, der lange Jahre Leiter der Sozialtherapeutischen Anstalt in Hamburg- Altengamme war. Rehn macht den Hamburger CDU-Justizsenator Roger Kusch für diese Entwicklung verantwortlich. Nicht einmal hat es der Senator für nötig gehalten, sich den kritischen Fragen der Öffentlichkeit in dieser wichtigen Angelegenheit zu stellen, kritisiert der pensionierte Anstaltsleiter.
"Was wirklich vorgeworfen oder bedacht werden muss ist, ob es richtig ist, mit Menschen so umzugehen, als ob es um die Versetzung eines Toilettenhäuschens ... geht, es geht hier um Menschen und um Orte, an denen etwas gewachsen ist, es geht um Konzepte und Mitarbeiter die sich als Team gefunden haben und unbestritten wertvolle Arbeit machen. Hier wird eine Kultur, die von Menschen geschaffen worden ist, so behandelt, als handle es sich um eine Sache, das ist der eigentliche große Fehler, der hier begangen wird. "
Eine friedliche Sommeridylle im Innenhof der Sozialtherapeutischen Anstalt Bergedorf mitten in Hamburg. Die Grünpflanzen, die ein Gefangener aus Stecklingen gezogen hat, haben sich prächtig entwickelt, die Beete sind pickobello in Schuss, der Springbrunnen verbreitet eine wohlige Atmosphäre. Überhaupt macht der hundert Jahre alte Bau aus roten Ziegelsteinen einen gepflegten Eindruck. Die Fenster sind geputzt, der Fußboden sauber, an den Wänden der Aufenthaltsräume mit freundlichen Farben hängen schöne Bilder. Wären nicht die weiß-gestrichenen massiven Stahlgitterstäbe vor den Fenstern, man würde nicht glauben, dass man in einem Gefängnis ist. Anstaltsleiterin Astrid Barth ist durchaus bewusst, dass sich ihr Haus von anderen Haftanstalten unterscheidet.
"Wenn man das Haus sieht, denkt man, das soll ein Gefängnis sein, aber das es hier schön ist, ist Absicht, schließlich leben ja auch wir hier die meiste wache Zeit unseres Tages, das sollen auch die Insassen haben und auf diesem Mist, Bild aus der Landwirtschaft, auf einem guten Boden wächst auch was und wir bilden den guten Boden, damit was Anständiges dabei herauskommt . "
Bei den 42 Insassen des Hauses handelt es sich zumeist um Sexualstraftäter. Der freundliche äußere Eindruck der Haftanstalt steht in krassem Gegensatz zu der harten Therapie, der sich die Insassen unterziehen müssen. Um aus dem Regelvollzug in die sozialtherapeutische Anstalt nach Bergedorf verlegt zu werden, müssen sich die Gefangenen bewerben und eine dreimonatige Probezeit überstehen. Wer es schafft, in Bergedorf einen Platz zu bekommen, ist verpflichtet an Einzel- und Gruppentherapien teilzunehmen. Anders als im Regelvollzug, wo jeder Gefangene seine Straftat aus Schutz vor Verfolgung verheimlicht, weiß in Bergerdorf jeder von jedem, was der Einzelne auf dem Kerbholz hat, sagt der Diplompsychologe Andreas Fuchs.
"Ja es ist ein wesentlicher Teil der Behandlung, dass die Gefangenen sich in einem angstfreien Rahmen mit ihren Delikten beschäftigen können, dass sie sich anschauen, wie ihr Leben verlaufen ist, wie die Tat abgelaufen ist, ohne dass sie sich fürchten müssen, wenn sie sich äußern, dass es an anderer Stelle gegen sie verwendet wird, Offenheit ist etwas, was hier honoriert wird, während es im Regelvollzug manchmal besser ist, nicht zu offen zu sein. "
Hamburg hat bereits 1969 als erstes Bundesland die Sozialtherapie für Gefangene eingeführt. Damals hieß das Gefängnis in Bergedorf noch Sonderanstalt. Weil Hamburg mit seinen Erfolgen bewiesen hat, dass es mit Hilfe der Therapie möglich ist, auch Gewalttäter wieder dauerhaft in die Gesellschaft einzugliedern, sind die anderen Bundesländer dem Beispiel der Hansestadt nach und nach gefolgt, sagt Anstaltsleiterin Barth.
"Das Leben hier ist sehr geregelt, es gibt sehr viele Pflichten, die müssen eingehalten werden, etwa die Therapien, da muss sich jeder stellen, aber wir sorgen dafür, dass die Gefangenen anständig mit uns umgehen so wie auch wir anständig mit ihnen umgehen. "
Die Gefangenen werden auch dazu angehalten, einfache Arbeiten zu erledigen. Etwa in der Holzwerkstatt oder in einem Sortierbetrieb, sagt die stellvertretende Anstaltsleiterin Hanneloren Eward bei einem Rundgang durchs Haus.
"Das sind Karten, Muster vom Sortierbetrieb, die die Gefangenen zusammenstellen, das sind relativ einfache Arbeiten, aber es ist nicht immer einfach qualifiziertere Arbeiten in die Anstalten zu bekommen. "
In ihrer Freizeit können sich die Gefangenen im Fitnessraum abreagieren, sie können malen, sich in einem kleinen Innenhof sonnen oder auch Federball spielen. Das ist für ein Gefängnis außergewöhnlich, doch die besondere Atmosphäre gehört zum Konzept. Dahinter steht die pädagogische Absicht, eine lebensbejahende Haltung zu vermitteln. Hier lohnt es sich zu leben, lautet die untergründige Botschaft an die Gefangenen, die vielfach aus schwierigen Verhältnissen kommen, sagt die Psychologin Salzmann.
"Die kennen größtenteils Arbeitslosigkeit, die kennen dissoziale Umstände schon aus ihrer eigenen Kindheit, wir haben hier keine dissozialen Umstände, sondern bemühen uns um ein gutes soziales Millieu und dafür lohnt es sich mit Straftaten aufzuhören. "
So angenehm die Umgebung des Gefängnisses auf den ersten Blick auch wirkt, so erbarmungslos ist die Therapie, der sich jeder Gefangene stellen muss. Alle Straftaten jedes Insassen werden bis ins kleinste Detail aufgearbeitet, sagt Anstaltsleiterin Barth.
"Das Urteil wird vorgelesen, der Gefangenen schildert den Ablauf der Tat, nicht erst ab Beginn, sondern schon vorher, die anderen Gruppenmitglieder sind kritische und kompetente Mitglieder, weil es ja auch Straftäter sind und die wissen wies läuft, das Thema Wiedergutmachung ist ein Thema, Rückfallvermeidung mit einem Plan, den jeder einzelne Gefangenen bekommt, es gibt Opfertherapie, das wird sehr umfassend behandelt, das ist nämlich das A und O wenn ich Empathie für mein potentielles Opfer habe, kann ichs nicht zum Opfer machen. "
Die Täter müssen einen Rollentausch vollziehen und sich in die Situation des Opfers hineinversetzen, sagt der Diplompsychologe Fuchs.
"Der Täter stellt sich selber als das Opfer dar, mit Namen und Biografie des Opfers und stellt sich noch mal aus der Sicht des Opfers dar und da treten fast allen Gefangenen doch die Schweißperlen aus die Stirn und es ist ihnen anzumerken, wie sehr sie dieser Prozess mitnimmt, für viele ist das der erste Moment sich damit auseinanderzusetzen, mit diesem Perspektivwechsel, wie geht es eigentlich der vergewaltigten Frau, dem missbrauchten Kind, mit dem, was ich da getan habe. "
Um diese Konfrontation mit den Untiefen der eigenen Person zulassen zu können, müssen die Gefangenen sich geborgen fühlen, sonst funktioniert die Therapie nicht.
Anstaltsleiterin Barth beschreibt die Aufgabe der Sozialtherapie:
"Das Ziel der sozialtherapeutischen Einrichtungen ist, dass Menschen, die erheblich gestört sind in ihrer Persönlichkeit, die erheblichen Schaden angerichtet haben an Menschen und an der Gesellschaft, dass sie ... so weit wieder Fuß fassen und Stabilität gewinnen, dass sie ohne sich selbst und anderen Menschen zu schaden wieder draußen leben können. "
Nach einigen Monaten oder manchmal Jahren sind die Gefangenen so weit, dass sie Ausgang bekommen. Da die Anstalt in Bergedorf mitten in einem belebten Stadtteil liegt, sind die Voraussetzungen gut, dass sie sich wieder an das normale Leben gewöhnen können. Draußen treffen wir einen Gefangenen, der sich an seinen zwölfjährigen Töchtern vergangen hat. Seit zwei Jahren ist er in Bergedorf, im September soll er entlassen werden. Der 55jährige Mann, bei dem Krebs diagnostiziert wurde, hätte als Frührentner vorzeitig entlassen werden können. Das hat er abgelehnt, weil während der Therapie eine Veränderung mit ihm vorgegangen ist, wie er sagt.
"Ich war wirklich sehr positiv überrascht, dass man hier wieder als Mensch behandelt wird, nicht als Tier oder Dreck. Genauso mit dem Rausgehen, ich trau mich wieder unter Menschen, ich muss jeden Tag zur Bestrahlung wegen dem Krebs, als ich in der S-Bahn saß, hatte ich anfangs richtig Panik, das hat sich alles wieder gegeben, obwohl ich nur noch 15 Jahre zu leben habe, aber das interessiert mich nicht, ich freu mich auf meine Zukunft, diese Freude wurde mir hier in dieser Anstalt wiedergegeben, dass man sich auch noch auf die nächsten Jahre freut. "
Maximal fünf Stunden hat er täglich Ausgang. Anfangs fühlte er sich dabei, als hätte er ein Schild mit dem Wort Kinderschänder vor dem Kopf. Bevor er nach Bergedorf gekommen ist, musste er einige Jahre in der berüchtigten Haftanstalt Santa Fu in Fuhlsbüttel verbringen. Im so genannten Regelvollzug ging es nur darum, die Gefangenen wegzuschließen, erinnert er sich. In Bergedorf ist das ganz anders, sagt der Mann, auch wenn er anfangs große Probleme hatte sich zu öffnen.
"In der ersten Stunde, die ich in der Gruppe war, hab ich gesagt, ich möchte noch nicht drüber reden, ich bin noch nicht so weit und dann hat unsere Anstaltsleiterin Frau Barth immer gesagt, wir wissen weswegen Sie hier sind und auf einmal, als wenn ein Damm gebrochen wäre, man konnte reden, man konnte über alles reden, das hat wirklich sehr geholfen, man kann Tag und Nacht zu einem Beamten gehen, wenn man Sorgen hat und das kann in einer anderen Anstalt nicht so laufen wie hier. "
Bergedorf ist die älteste sozialtherapeutische Anstalt bundesweit. Seit 36 Jahren werden hier Straftäter therapiert. Nachdem der Bundestag 1998 ein Gesetz verabschiedet hat, das allen Sexualstraftätern, die mehr als zwei Jahre absitzen müssen, eine sozialtherapeutische Behandlung angeboten werden muss, ist diese Anstalt für viele Bundesländer zum Vorbild geworden. So werden etwa in Mecklenburg-Vorpommern sozialtherapeutische Anstalten nach dem Hamburger Konzept eingerichtet.
Trotz dieser herausragenden Position bundesweit hat der Hamburger Senat beschlossen, das Konzept der Sozialtherapie zurückzustutzen. Kritiker sprechen von einer Zerschlagung des vorbildlichen Modells. Zwei von vier Einrichtungen sind dem Rotstift zum Opfer gefallen. Das Moritz-Liepmann-Haus mit 45 Haftplätzen wurde bereits im Februar geschlossen, die Anstalt Altengamme mit weiteren 60 Plätzen muss bis zum Jahresende schließen. Statt 180 Plätze will Hamburg künftig nur noch 90 Plätze für die Sozialtherapie vorhalten und das in einem stark abgespeckten Konzept. Alle Therapiemaßnahmen sollen auf die Großanstalt Fuhlsbüttel konzentriert werden, in Bergedorf können die Straftäter nur noch wenige Monate kurz vor ihrer Entlassung behandelt werden. Der Grund sind Sparmaßnahmen, wie der Staatsrat in der Justizbehörde, Carsten Lüdemann sagt.
"Also die Inhalte, die gute inhaltliche Arbeit, ist doch nicht anhängig von Räumlichkeiten, sondern von einer inhaltlichen konzeptionellen Arbeit und ob man die an diesem Standort macht oder an einem anderen Standort macht, ändert an der Qualität nichts, es ist immer nur gesagt worden, dass der Anstaltsort, dort wo die Therapie gemacht wird, verlagert wird und dass die kleinen Anstalten mit 40 Insassen zu teuer sind und wir versuchen Geld einzusparen, indem wir größere Anstalten bilden. "
Größere Anstalten sind aber das Ende einer erfolgreichen Sozialtherapie, sagen alle Experten übereinstimmend. Die Bundesvereinigung aller 270 Anstaltsleiter im deutschen Strafvollzug hat entschieden gegen diese Entscheidung protestiert. In einem Schreiben an den Hamburger CDU-Justizsenator Roger Kusch lehnen die Anstaltsleiter die so wörtlich "Umsetzung der sozialtherapeutischen Anstalten in eine Anstalt des geschlossenen Regelvollzuges" ab. Bei Unterschreitung der bestehenden Standards ist nicht auszuschließen, dass die erforderliche Qualität aufgegeben wird, mahnen die Praktiker. Doch wenn es um Kusch geht, ist der Hamburger Bürgermeister Ole von Beust merkwürdig taub, heißt es in Senatskreisen. Dabei zeigt sich im Gespräch, dass der Justiz-Senator noch nicht einmal mit den grundlegenden Dingen der Sozialtherapie vertraut ist. So weiß der Ressortchef nicht über die außerordentlichen Resozialisierungserfolge der Hamburger Sozialtherapie Bescheid. In entwaffnender Offenheit antwortet Kusch auf die Frage, ob es ihn nicht nachdenklich stimmt, dass im normalen Vollzug jeder zweite Straftäter rückfällig wird, bei den Absolventen der Sozialtherapie in Hamburg aber nur jeder fünfte:
"Also es freut mich, dass Sie Zahlen haben, die mir in dieser wissenschaftlichen Exaktheit nicht bekannt sind. "
Und auf die Frage, wer die politische Verantwortung dafür trägt, dass mit der Zerschlagung der Sozialtherapie Kinderschänder, die therapiert werden könnten unbehandelt bleiben und so eine erneute Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen, antwortet der Justizsenator.
"Schauen Sie, die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs hatten zweieinhalb Jahre Gelegenheit, die Politik der Justizbehörde unter einer CDU-Führung zu beobachten, die Schlüsse, die die Menschen gezogen haben...waren, dass sie uns mit absoluter Mehrheit wieder gewählt haben, das ist für mich eine Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Kurs sind. "
Weitere Fragen will der Herr Senator nicht zulassen, dreht sich um und geht davon. Von vielen Bürgern wird dieses Verhalten als arrogant eingestuft. Diese Frauen, die als Bedienstete in Hamburger Haftanstalten arbeiten, machen ihrem Unmut deutlich Luft. Schließlich sind sie stolz auf ihre Arbeit.
"Die wird hoch gelobt international, wir sind Vorreiter für alle möglichen Vollzugskonzepte gewesen (zweite) aus allen Bundesländern gucken die sich das an, wollen das nachmachen, wollen genauso die Programme aufbauen, wie wir das haben und die Mutter aller, die wird platt gemacht.
Das ist beschlossene Sache, das wird nicht mehr geändert, das steht fest. (Zweite Frau) ich mein auch, das steht fest und was anderes zählt nicht.
Die Entwicklung und die Bedürfnisse der Mitarbeiter interessieren in keinster Weise, das Zusammenlegung dieser Anstalten aus Kostenersparnisgründen, ich denke, dass unser Senator in keinster Weise Behandlungsvollzug wünscht, er will wahrscheinlich wieder zum Regelvollzug zurückführen, das ist es, das ist für ihn unumstößlich. "
Uns was geht verloren, wenn die Sozialtherapie in Hamburg zerschlagen wird?
"Sicherheit, Sicherheit für die Bevölkerung draußen, Sicherheit geht verloren, wenn die entlassen werden und haben keine Wohnung, haben keine Vorbereitung keine Schuldenregulierung, keine Therapie, dann geht Sicherheit verloren. "
Zweite Frau: " Mit nem Persilkoffer wieder vor die Tür, wie früher. "
Dritte Frau: "Wenn man diese Leute, so wie sie reinkommen wieder raus lässt, wo soll da Sicherheit entstehen, die gehen doch sofort wieder los, dass die Arbeit dieser Mitarbeiter in den Anstalten einfach so weggewischt wird, das macht mich ärgerlich, die Leute sind so motiviert, das wird weggewischt, so wollen wirs gar nicht. "
Der Jurist und Psychologe Michael Alex aus Halle in Sachsen-Anhalt ist selbst Leiter einer Sozialtherapeutischen Anstalt. Der Experte verweist darauf, dass die Erfahrungen mit großen Anstalten, wie das jetzt auch in Hamburg beschlossen wurde, sehr schlecht sind.
"Die beiden Anstalten in Altengamme und Bergedorf waren im Grunde immer Modellanstalten für ganz Deutschland, was hier entwickelt worden ist, war wegweisend für die gesamte Sozialtherapie in Deutschland, insbesondere hat Bergedorf die strukturierten therapeutischen Gruppenprogramme bundesweit bekannt gemacht, sie sind inzwischen auch über Niedersachen in den anderen Ländern umgesetzt worden, Altengamme war immer das Vorbild für integrative Sozialtherapie also eine Kombination von psychotherapeutischen, pädagogischen und arbeitstherapeutischen Maßnahmen mit dem großen Versuch, auch die Außenwelt und die Angehörigen miteinzubeziehen, das geht verloren, wenn man eine große Anstalt macht. "
Der Vorsitzende des Landesverbandes Hamburgischer Juztizvollzugsbediensteter, Klaus Neuenhüsges, kritisiert, dass die Einsparungen durch die Umstrukturierung der Sozialtherapie minimal sind. Der Schaden, den der Senator für die Motivation der Miztarbeiter verursacht, ist dagegen sehr schwerwiegend, meint der Arbeitnehmervertreter.
"Das ist ein ganz wertvolles Gut im Vollzug, dass Sie es mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu tun haben, die einen hohen Identifikationsgrad mit ihrer Arbeit haben, die ernst genommen werden, und das ist meine große Kritik an dem ganzen Procedere, hier wurde etwas aufoktroiert nach dem Motto, macht es, tut es , ohne dass es hinterfragt wurde, können wir es nicht auch anders machen, also im Grunde genommen eine Vergewaltigung der Mitarbeiterschaft. "
Im Gefängnis in Bergedorf findet man viele Beispiele dafür, dass sich die Bediensteten über ihre eigentlichen Aufgaben hinaus engagieren. Karin Köster etwa arbeitet seit 1966 im Schreibdienst oder heute in der Textverarbeitung im Strafvollzug. An ihrem freien Wochenende kommt sie samstags häufig in die Anstalt, um mit den Gefangenen Spiele zu spielen.
"Dann spielen wir Karten Skippo, Mensch ärgere dich nicht und Playstation, wer wird Millionär ... sonst spielt keiner mit mir und was soll ich zu Hause, dann mach ich das hier mit den Männern, und das bringt mir Spaß. "
60 Gewalttäter konnten bislang jedes Jahr sozusagen geheilt aus den sozialtherapeutischen Anstalten in Hamburg entlassen werden, ohne dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit noch eine Gefahr für die Gesellschaft darstellten. Ein großer Erfolg, der überall anerkannt wird. Wenn die Sozialtherapie in Hamburg aber zum Jahresende auf Mittelmaß zurechtgestutzt wird, wird sich diese Zahl deutlich verringern, sagt der Soziologe Gerhard Rehn, der lange Jahre Leiter der Sozialtherapeutischen Anstalt in Hamburg- Altengamme war. Rehn macht den Hamburger CDU-Justizsenator Roger Kusch für diese Entwicklung verantwortlich. Nicht einmal hat es der Senator für nötig gehalten, sich den kritischen Fragen der Öffentlichkeit in dieser wichtigen Angelegenheit zu stellen, kritisiert der pensionierte Anstaltsleiter.
"Was wirklich vorgeworfen oder bedacht werden muss ist, ob es richtig ist, mit Menschen so umzugehen, als ob es um die Versetzung eines Toilettenhäuschens ... geht, es geht hier um Menschen und um Orte, an denen etwas gewachsen ist, es geht um Konzepte und Mitarbeiter die sich als Team gefunden haben und unbestritten wertvolle Arbeit machen. Hier wird eine Kultur, die von Menschen geschaffen worden ist, so behandelt, als handle es sich um eine Sache, das ist der eigentliche große Fehler, der hier begangen wird. "