Mit Privatanlegern gegen den Investitionsstau
Schlechte Straßen, mangelnde Ausstattung der Bundeswehr: Spart der Staat zuviel? Nein, sagt der Volkswirtschaftler Ansgar Belke. Nicht mangelndes Geld verursache die Probleme bei der Infrastruktur, sondern fehlende Kostenkontrolle und "regionale Egoismen".
Liane von Billerbeck: Eigentlich sind wir ja immer froh, wenn, sagen wir, der Bund der Steuerzahler wieder staatliche Verschwendung anprangert und stimmen zu, dass es gut ist, wenn der Staat spart und irgendwann tatsächlich schuldenfrei ist. Aber mit dem Sparen ist es ein zweischneidig Schwert: Immer das Billigste – das kann am Ende teuer zu stehen kommen, wie man gerade an den Zuständen in manchem Flüchtlingsheim sieht, das dem billigsten Anbieter zugeschlagen wurde. Kann also auch zu viel gespart werden? Könnte man annehmen, wenn man die Lage der Bundeswehr, den Zustand von Straßen und Brücken oder den der Berliner S-Bahn betrachtet. Die Kehrseite des Sparens für Deutschland und mögliche Alternativen, die sind jetzt mein Thema im Gepräch mit Ansgar Belke. Er ist Professor für Volkswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen und jetzt am Telefon. Ich grüße Sie!
Ansgar Belke: Guten Morgen!
von Billerbeck: Die Bundeswehr ist ja vielleicht gerade das jüngste Beispiel. Wir haben es eben in den Nachrichten gehört, was es da für Probleme gibt. Deutschland spart: Ab 2015 will der Bund keine Schulden mehr machen. Das ist schön, allein: Auf wessen Kosten geht das alles?
Belke: Ich würde zunächst einmal feststellen wollen, dass ein ausgeglichener Haushalt auch ein Wert an sich sein kann, denn er schafft einen nachhaltigen Spielraum für Maßnahmen in schlechten Zeiten und eben auch für mehr Investitionen im Moment. Wir haben ganz klar eine Investitionslücke in Deutschland, die auch recht groß ist, und gerade in den Zeiten, die wir jetzt haben, können Haushaltsüberschüsse für Investitionen genutzt werden. Aber auch durch eine glaubwürdige Haushaltspolitik können wir davon ausgehen, dass erwartete Zinsen und Steuern sinken.
In der Regel sollte man sagen: Investitionen über Schulden finanzieren, insofern sie zukünftigen Generationen nutzen. Und ich glaube einfach, Glaubwürdigkeit der Haushalte und die versprochenen Konsolidierungen führen dazu, dass wir Spielräume bekommen, den Staatskonsum sozial ausgewogen zu vermindern und eben neue Freiräume zu schaffen, eben durch den Abbau von Arbeitslosigkeit und so was.
Private Investitionen müssen angeregt werden
von Billerbeck: Hm, das war jetzt schön, aber bisher stecken wir da die Überschüsse, müssten wir doch die Überschüsse, die wir erzielen, noch in die Schuldentilgung stecken?
Belke: Nein, die Budgetüberschüsse selber brauchen nicht in die Schuldentilgung gesteckt werden, denn wir sind auf einen ausgeglichenen Haushalt aus, und es ist auch nicht klar, dass der Investitionsmangel, den wir im Moment feststellen in der Eurozone und gerade in Deutschland, daran liegt, dass wir zu wenig öffentliche Investitionen haben. Ich denke, die Aufgabe ist es, eher private Investitionen anzuregen, da wir bestimmte Probleme bei öffentlichen Investitionen haben, wie wir in der Vergangenheit häufig gesehen haben.
Projekte bei der Infrastruktur, die kranken nicht nur am fehlenden Geld – die Mängel liegen im System: Stichwort Berliner Flughafen, regionale Egoismen, fehlende Kostenkontrolle und eben das Aus-dem-Ruder-Laufen der Kosten und fehlende Kontrollierbarkeit.
von Billerbeck: Klar. Also beim Berliner Flughafen kann ich natürlich nichts dagegenhalten, aber auch private Investitionen sind ja nicht immer der Königsweg. Also da könnte ich ja jetzt sagen: Diese ganzen Privatisierungen haben ja auch nicht gerade nur zu großem Frohsinn geführt.
Belke: Es kommt drauf an, welche Kostenanalyse Sie anstellen und zu welchen Ergebnissen Sie kommen. Wir haben auf regionaler Ebene Sachsen-Anhalts beispielsweise gesehen, dass Public Private Partnerships, wo eben öffentliche Investitionen gleichzeitig mit privaten getätigt werden, die Kosten überborden, und man kann nicht argumentieren, dass der Staat eben einen Vorteil hat im Moment wegen der niedrigen Zinsen, denn die Zinsen sind künstlich von der EZB heruntermanipuliert. Und wir haben bei öffentlichen Projekten eine Rendite, die plötzlich fallen kann, die Kosten können steigen – und insofern sind die Projekte sehr, sehr riskant.
Wenn wir jetzt argumentieren, dass der deutsche Staat zu null Zinsen Geld aufnehmen kann und dass das deshalb besonders günstig ist, ist das nichts, was für die mangelnde Risikobehaftetheit dieser Projekte spricht. Und letztlich wird dann der Steuerzahler durch Garantien wieder herangezogen werden, dass so oder so Investitionen riskantere Projekte bleiben, als die Niedrigzinsen es uns suggerieren.
von Billerbeck: Trotzdem hat der Staat doch auch eine Verantwortung, für bestimmte Dinge aufzukommen, wie die Infrastruktur, wenn wir an die Straßen und Brücken denken, die ja in großen Teilen Deutschlands auch vielerorts marode sind. Da wäre es doch gut, wenn er da investiert.
Private Unternehmen sind verunsichert
Belke: Ja. Wir können uns allerdings auch hier überlegen, dass hier der Staat da tätig wird, wo die private Nachfrage versagt. Aber das Problem ist: Mittel sind ja da. Der Effekt letztlich ist dabei, dass, obwohl die Unternehmen auf jeder Menge Cash sitzen, nicht investiert wird. Das zeigt uns, dass Dinge wie Rechtsunsicherheit, politische Unsicherheit, vielleicht auch zu höhe Mindestlöhne und so was Investitionen eher hemmen, sodass wir hier vielleicht doch, wenn wir über den Staat gehen, zu hohe Kosten haben werden.
von Billerbeck: Das heißt, Schulden machen ist nicht notwendig, auch wenn Investitionen über den Staat manchmal notwendig sind?
Belke: Ja. Wir können uns andere Modelle denken, zum Beispiel, dass sich Bürger über den Kauf von Aktienanleihen oder speziellen Fonds an Bauprojekten beteiligen, geschlossene Fonds, auch europäische langfristige Investmentfonds, die gegenwärtig diskutiert werden. Richtig wäre es auch, um hier ein Fazit zu ziehen, dass man dahin geht, dass man einen Mix nimmt aus Strukturreformen, konsolidierten Haushalten und dass der Staat in die Bresche springt, dass er über die Europäische Investitionsbank, über die KfW eben die besagten Risiken aus dem Markt herausnimmt und es letztlich doch privaten Investoren ermöglicht, hier zur Beseitigung des Investitionsstaus beizutragen.
Wir haben ganz klare Kriterien dafür, wann der Staat einspringen soll, nämlich dann, wenn private Investoren nicht hinreichend investieren, weil sie den sozialen Nutzen nicht mit einbeziehen. Wir denken hier an Bereiche wie frühkindliche Bildung und so etwas, etwas, worüber wir noch gar nicht gesprochen haben.
von Billerbeck: Ansgar Belke, Volkswirtschaftler von der Uni Duisburg, über das Sparen und das Kaputtsparen. Danke Ihnen!
Belke: Danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.