Ein Flughafenprojekt in Schwarz-Grün
Abseits des Pannen-Airports BER ist es das größte deutsche Flughafen-Bauvorhaben: Das neue "Terminals 3" am Rhein-Main-Airport. Das Land ist Hauptanteilseigner des Flughafens. Die mitregierenden Grünen aber wollten das Terminal eigentlich nicht. Eigentlich...
Aus den Lautsprechern in einem Abflugbereich des Flughafens Frankfurt am Main ertönt die gewohnt wohlklingende Frauenstimme. Sie ruft Passagiere dazu auf, sich zügig zum Abflugsteig für die Reise nach Singapur zu begeben.
Wenn alles nach Plan läuft, werden solche Ansagen ab 2020 auch im neuen Terminal 3 auf der Südseite des größten deutschen Flughafens zu hören sein. Dann soll der 2,5 Milliarden teure neue Abflug- und Ankunftsbereich fertiggestellt sein, für den heute der erste Spatenstich gesetzt wurde.
Das "Terminal 3" des Frankfurter Flughafens wird allein eine Kapazität haben wie der gesamte Airport in Hamburg. Der Rhein-Main-Flughafen ist in den vergangenen Jahrzehnten ständig gewachsen. Die beiden parallelen Start- und Landebahnen - Süd und Central - stammen aus dem Jahr 1949. Gegen scharfe Proteste wurde dann der Flughafen 1984 um die Startbahn West und 2011 um die Landebahn Nordwest erweitert.
Das neue "Terminal 3" ist ein Triumpf für den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU). Er hat maßgeblich dazu beigetragen, den Bau des gigantischen Gebäudes gegen die Widerstände insbesondere der Fluglärmgegner der Region durchzusetzen: "Das Land Hessen ist der größte Eigentümer dieses Flughafens. Wir haben ein großes Interesse, dass wir nicht als Abbruchunternehmen in die Geschichte eingehen. Sondern Hessen, Rheinland-Pfalz, Nord-Württemberg, Nord-Bayern - wir leben alle von diesem Flughafen."
Für Volker Bouffier ist das "Terminal 3" der Garant dafür, dass Frankfurt auch weiterhin seine Rolle hat in der Garde internationaler Spitzenklasseflughäfen. Im vergangenen Jahr nutzten knapp 59,6 Millionen Passagiere den Flughafen Laut Studien wird die Zahl der Fluggäste in Frankfurt bis zum Jahr 2021 auf zwischen 68 und 73 Millionen ansteigen. Gleichzeitig werden die Flugzeuge immer größer – dafür sind die beiden bestehenden Terminals nicht ausgelegt.
"Mit mir nicht" - nun aber doch - mit ihm
Die Freude darüber, dass mit dem neuen Terminal nun das uneingeschränkte Weiterwachsen des Airports möglich wird, teilen allerdings nicht alle. Bouffiers Stellvertreter im Amt des hessischen Ministerpräsidenten etwa, fehlt heute beim Baubeginn: Tarek Al Wazir, Wirtschaftsminister und Politiker der Grünen, dem Koalitionspartner der hessischen CDU.
Tarek Al Wazir gibt "Termingründe" für seine Nicht-Teilnahme beim ersten Spatenstich an. In Wirklichkeit hat sein Fernbleiben aber politische Gründe. Denn der grüne Spitzenmann in Hessen hatte noch im zurückliegenden Wahlkampf versprochen: Mit mir wird es das "Terminal 3" nicht geben: "Meine Haltung dazu ist bekannt – ich hätte mir an diesem Punkt eine andere Entscheidung gewünscht!"
Eine Position, die Tarek Al Wazir in der Koalition mit der CDU nicht durchhalten konnte. Und der Flughafenbetreiber "Fraport" ließ sich mit seinen Neubauplänen auch rechtlich nicht mehr stoppen, etwa durch den vor Ort zuständigen grünen Baudezernenten der Stadt Frankfurt am Main. Deshalb blieb der stellvertretende Ministerpräsident Tarek Al Wazir nun demonstrativ dem Baubeginn fern: "Es ist völlig klar, dass die Fraport im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses und auch in den Musterverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht das Planungsrecht für das 'Terminal 3' bekommen. Und die Stadt Frankfurt, also der Baudezernent, hat nur zu prüfen, ob das Gebäude in Ordnung ist. Also mit Blick auf Berlin quasi – ob der Brandschutz stimmt."
Anders als beim neuen Berliner Flughafen scheinen die Pläne für den Brandschutz am künftigen Frankfurter "Terminal 3" zu stimmen. Also konnten auch die hessischen Grünen den Bau nicht mehr verhindern. Viele Anwohner des Flughafens sind darüber bitter enttäuscht. Etwa in Mörfelden-Waldorf, wo die Grünen bei vergangenen Wahlen zum Teil mehr als 20 Prozent erreichten. Auch deshalb, weil ihr Spitzenmann Tarek Al Wazir schon vor Jahrzehnten mit seiner Mutter zu den Aktionen gegen den Bau der Startbahn-West ging. Wie die Waldorferin Ilona Born:
"Ja, gerade die aus meiner Generation, die erinnern sich noch gut daran: viel gekämpft und viel blaue Flecken. Da ist man jetzt so ein bisschen enttäuscht. Es war so ein bisschen umsonst, sozusagen."
"Ich bin hier als Anwohner gegen den weiteren Ausbau des Flughafens. Und damit haben mich die Grünen enttäuscht. Und es ist sowieso ein bisschen komisch, dass die Grünen und die CDU eine Koalition bilden. Denn wo sind die Grünen hergekommen, die haben ja alles vergessen, was sie mal früher gemacht haben."
"Sie hatten ja – zumindest die Grünen – versprochen, dass das 'Terminal 3' nicht gebaut wird mit den Grünen. Jetzt schwenken sie wieder um. Das ist natürlich für die Menschen, für die Wähler nicht zu verstehen. Gründe sind nicht angegeben worden. Mit den Arbeitsplätzen kann man nicht immer alles begründen."
"Wir hatten hier immer 20 Prozent Grüne von Anfang an. Und das denke ich, wird vorbei sein, bei der nächsten Kommunalwahl."
"Ich bin hier als Anwohner gegen den weiteren Ausbau des Flughafens. Und damit haben mich die Grünen enttäuscht. Und es ist sowieso ein bisschen komisch, dass die Grünen und die CDU eine Koalition bilden. Denn wo sind die Grünen hergekommen, die haben ja alles vergessen, was sie mal früher gemacht haben."
"Sie hatten ja – zumindest die Grünen – versprochen, dass das 'Terminal 3' nicht gebaut wird mit den Grünen. Jetzt schwenken sie wieder um. Das ist natürlich für die Menschen, für die Wähler nicht zu verstehen. Gründe sind nicht angegeben worden. Mit den Arbeitsplätzen kann man nicht immer alles begründen."
"Wir hatten hier immer 20 Prozent Grüne von Anfang an. Und das denke ich, wird vorbei sein, bei der nächsten Kommunalwahl."
Die ist schon im kommenden Frühjahr. Doch tatsächlich ist das Arbeitsplatzargument entscheidend, wenn es um den Flughafenausbau geht. Spätestens bei 71 Millionen Passagieren pro Jahr seien die Kapazitätsgrenzen etwa für Kontrollen, Warteräume, Check-In und Grenzformalitäten nahezu erschöpft, argumentiert der Flughafenbetreiber Fraport. Frankfurt sei wegen der ungünstigen Gebäudepositionen jetzt schon weniger komfortabel als die Wettbewerber, heißt es. Schlechter Service ziehe aber vor allem Billigflieger, nicht aber Qualitäts-Airlines an.
Deshalb hatte sich die auch damals CDU-geführte hessische Landesregierung, schon vor mehr als zehn Jahren darum bemüht, dass die US-Amerikaner das südliche Areal des Flughafens, das sie bis dato für ihre Streitkräfte genutzt hatten, räumen und so Platz schaffen für das "Terminal 3".
Ende 2005 zogen die Truppen schließlich ab und übergaben in einer letzten feierlichen Zeremonie den Schlüssel für die alten Gebäude dem Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport: "Good morning, ladies and gentlemen. Welcome to the Rhine-Main closure ceremony…"
"Die Air Base war das Tor nach Europa für Hunderttausende junger Militärangehöriger und ihrer Familien. In den vergangenen 60 Jahren haben etwa 15 Millionen Amerikaner in Deutschland gelebt, mehr als in jedem anderen Land der Welt."
Von Frankfurt aus flogen die USA Luftbrückeneinsätze nach Berlin, Kriegsflüge in den Irak oder Gefangenentransporte der CIA.
Klar ist, der heutige Spatenstich steht steht für den Beginn zivilerer Zeiten auf dem Areal der früheren US Airbase. Der Flughafen wird jetzt fit gemacht für moderne Großraumflugzeuge . Volker Bouffier: "Die Wettbewerbsfähigkeit dieses Flughafens wird nicht gefährdet. Das ist das wirtschaftliche Herzstück weit über unser Land hinaus. Jeder, der das einigermaßen vernünftig sieht, weiß, dass wir großes Interesse daran haben müssen, dass dieser Flughafen wettbewerbsfähig bleibt für Arbeitsplätze und wirtschaftliche Entwicklung. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist: Wir sind in einem sehr verdichteten Gebiet und wir haben versprochen, es wird leiser."
Leisere Flugzeuge für das neue Terminal
Bouffier und sein grüner Wirtschaftsminister Tarek al Wazir setzen dabei auf leisere Flugzeug-Triebwerke oder auf sogenannte "Lärmpausen". Dabei werden Flüge am späten Abend und am frühen Morgen auf bestimmten Start-und Landebahnen gebündelt, um Anwohner wechselweise zu entlasten. Der wichtigste Erfolg der Gegner eines unbegrenzten Flughafen-Wachstums ist allerdings das Nachtflugverbot zwischen 23 Uhr und fünf Uhr morgens. Das wurde gegen den Willen des Flughafenbetreibers Fraport durchgesetzt.
Der Bau von "Terminal 3" ist jedoch für viele Flughafen-Anrainer trotzdem das handfeste Symbol dafür, dass die schwarz-grüne hessische Landesregierung ihre Lärmschutz-Versprechen nicht erfüllt. Auch die alte Hoffnung der Stadt Darmstadt, auf dem Areal der US-Airbase könnte eine neue Landebahn entstehen und dafür die besonders umstrittene Startbahn West geschlossen werden kann nun zu den Akten gelegt werden. Peter Benz, früherer Oberrbürgermeister von Darmstadt: "Die Startbahn-West hat ihre Abflugschneise über den nördlichen Stadtgebieten. Das bedeutet für uns natürlich mehr Fluglärm für die Einwohner und natürlich auch für die Unternehmen, die im Norden ansässig sind. Deswegen kämpfen wir genau für eine andere Landebahn, die wir gerne auf der Air-Base sehen würden."
Dieser Kampf ist nun endgültig verloren. Doch es gibt auch Anwohner, die den Baubeginn für "Terminal 3" auch bejubeln. Insbesondere die, die am Flughafen arbeiten:
"Heute freuen sich die Leute, zum 'Terminal 3' zu gehen. Ich arbeite schon 34 Jahre am Flughafen. Jetzt gehe ich gerade in Pension. Das war ein richtig toller Arbeitsplatz."
"Ich bin mit der Flughafen-Politik einverstanden. Jeder sagt: Oh, Mörfelden-Walldorf. Fluglärm! Aber die Hälfte arbeitet da. Die geben uns unsere Arbeitsplätze, wir wollen in den Urlaub fliegen. Ich fliege gerne in den Urlaub, wir sind nahe am Flughafen. Ich finde den Fluglärm nicht schlimm. Kein Problem mit – abends ist Ruhe."
Und so ist es mit dem heutigen Spatenstich letztendlich so wie immer: Der Rhein-Main-Flughafen wird weiterwachsen, so wie er in den letzten Jahrzehnten immer weitergewachsen ist. Der Protest der Anwohner verpufft; die Jobmaschine Flughafen setzt sich durch. In der Flughafen-Gemeinde Mörfelden-Walldorf herrscht längst auch ein gewisser Galgenhumor: "Wir haben seit 30 Jahren die Phantasie, die da heißt: Es wird umzingelt sein vom Flughafen und es wird so eine Aussichtsplattform geben in einer Glaskuppel. Und es wird heißen: Die letzten Bewohner von Mörfelden-Walldorf, schön lärmgeschützt."