SPD im Bundestagswahljahr

    Sigmar Gabriel verzichtet auf Kanzlerkandidatur

    Der SPD-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel spricht am 14.01.2017 beim Neujahrsempfang der SPD in der Stadthalle in Braunschweig (Niedersachsen).
    Der SPD-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel spricht am 14.01.2017 beim Neujahrsempfang der SPD in der Stadthalle in Braunschweig (Niedersachsen). © picture alliance / Peter Steffen/dpa
    Personal-Rochade bei der SPD: Sigmar Gabriel verzichtet auf die Kanzlerkandidatur, will dafür Frank-Walter Steinmeier im Außenministerium beerben. Der will sich zum Bundespräsidenten wählen lassen. Als Kanzlerkandidaten schickt die SPD den Bundespolitik-Neuling Martin Schulz ins Rennen, der auch Parteivorsitzender werden soll.
    Das hat Sigmar Gabriel in einer Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin bekannt gegeben. "Alle Umfragen haben gezeigt, dass die Menschen keine große Koalition mehr wollen", sagte Gabriel nach Angaben von Sitzungsteilnehmern. "Für die stehe ich aber in den Köpfen der Menschen. Daher ist Martin Schulz der geeignete Mann."
    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte, der Entschluss überrasche sie sehr, aber sie respektiere ihn. SPD-Chef Sigmar Gabriel habe die Entscheidung "aus einer Position der Stärke heraus gefällt". Der Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, sagte: "Für die Partei wird es einen enormen Motivationsschub bedeuten, weil Martin Schulz hohe Anerkennung in der Bevölkerung genießt."

    "Mann der klaren Kante"

    Schulz könne Stahlarbeiter ebenso ansprechen wie Studienräte, er sei als gelernter Buchhändler ein Mann der Kultur, aber auch der klaren Kante, schätzt Ulrich Alemann, Politikwissenschaftler an der Universität Bielefeld, auf Deutschlandradio Kultur ein. Er habe die besseren Umfragewerte sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Partei.
    Sigmar Gabriel hatte dem Magazin "Stern" zuvor gesagt: "Wenn ich jetzt anträte, würde ich scheitern und mit mir die SPD." Schulz habe "die eindeutig besseren Wahlchancen". Das Magazin berichtet weiter, Gabriel werde das Amt des Außenministers von Frank-Walter Steinmeier übernehmen, der am 12. Februar zum Bundespräsidenten gewählt werden soll.

    Verzicht auch auf Parteivorsitz

    Es sei eine überraschende Nachricht gewesen, dass Sigmar Gabriel zugunsten von Schulz nicht nur auf die Kanzlerkandidatur verzichten will, sondern auch auf den Parteivorsitz, so unser Hauptstadt-Korrespondent Klaus Remme (5:58 min.):

    Lob und Überraschung

    SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann lobte Gabriels Entschluss. Er habe eigene Interessen zugunsten der Partei zurückgestellt. Zugleich zeigte er sich überrascht, dass die Entscheidung Gabriels durch Interviewäußerungen im "Stern" öffentlich wurden: "Jetzt sind Fakten geschaffen." Von dem Interview habe er vorab keine Kenntnis gehabt, sagte Oppermann. Allerdings wisse er "seit einigen Tagen und auch schon länger", dass Gabriel Zweifel gehabt habe, ob er der geeignete Kanzlerkandidat sei.
    Die Fraktionschefin und Spitzenkandidatin der Grünen, Göring-Eckardt, erklärte über den Kurznachrichtendienst Twitter, sie habe großen Respekt vor Gabriels Entscheidung.
    Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Bartsch. FDP-Chef Lindner kritisierte Gabriels Entscheidung dagegen als ungeordneten Rückzug.

    Wechsel im Wirtschaftsministerium

    Laut SPD-Präsidium ist die bisherige Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Zypries als neue Wirtschaftsministerin im Gespräch. Sie könnte Nachfolgerin von Sigmar Gabriel werden, wenn dieser ins Auswärtige Amt wechseln sollte.
    Bisher hatte Gabriel als wahrscheinlichster SPD-Kanzlerkandidat gegolten. Schulz dagegen war als Nachfolger von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gehandelt worden, der im Februar voraussichtlich ins Amt des Bundespräsidenten gewählt werden wird. Der 61-jährige Martin Schulz war seit 1994 im Europaparlament und dort zuletzt Präsident. Ende vergangenen Jahres war er aus dem Amt ausgeschieden. In der Bundespolitik ist Schulz ein Neuling.
    In einer ersten Stellungnahme nach Bekanntwerden seines Rückzugs erklärte Gabriel, in der deutschen Öffentlichkeit repräsentiere Martin Schulz "einen glaubwürdigen Neuanfang mehr als jeder andere von uns". Schulz solle auch neuer Vorsitzender der Partei werden. Zugleich griff Gabriel die Politik von Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble scharf an. Er kritisierte, deren Politik habe entscheidend zu den immer tieferen Krisen in der EU und indirekt zur Stärkung anti-europäischer populistischer Parteien beigetragen.
    (gwi/stfr)
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